Die internationalen Beziehungen - Erster Teil (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2019)

Die internationalen Beziehungen
Dezember 2019

Die internationalen Beziehungen im Jahre 2019

Erster Teil - Die internationale Lage

 

Der folgende Text wurde auf dem Parteitag von Lutte Ouvrière am 7. und 8. Dezember 2019 verabschiedet. In diesem ersten Teil beinhaltet er eine allgemeine Einschätzung über die notwendige Wiedergeburt einer revolutionären, kommunistischen Strömung angesichts der Krise des Kapitalismus und der Revolten, sie sie hervorbringt. Der zweite Teil umfasst eine Einschätzung der konkreten Entwicklung in verschiedenen Ländern und Regionen.

 

Auf internationaler Ebene wird die Lage von der Krise des Kapitalismus und der Verschlimmerung des sozialen Krieges beherrscht, den die Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse und insgesamt gegen die einfache Bevölkerung führt.

Ohne revolutionäre Führung ist die Arbeiterklasse - die einzige Klasse, die der Macht der kapitalistischen Bourgeoisie ihren Kampf um die Leitung der Gesellschaft entgegensetzen könnte - auf der politischen Bühne nicht anwesend.

Der Krieg, den die Bourgeoisie gegen die ausgebeuteten Klassen führt, nimmt in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Formen an. Aber er bestimmt in jedem Land die sozialen Verhältnisse und drückt den internationalen Beziehungen seinen Stempel auf.

Weltweit gesehen mangelt es weder an Kampfbereitschaft, noch an Revolten, ja nicht einmal an Aufständen! Wie viel Kampfbereitschaft muss die einfache Bevölkerung in Algerien haben, um 36 Wochen lang auf die Straße zu gehen (gerechnet vom Redaktionstdatum am 25. Oktober 2019). Wie viel Kampfbereitschaft mussten die sudanesischen Massen haben, um den Diktator Omar Al-Bashir zu Fall zu bringen.

Der Wunsch, sich von einem Diktator oder einem verhassten Regime zu befreien, ist ein starker Motor für Bewegungen. Das Problem der Gesellschaft beschränkt sich allerdings nicht darauf, zu wissen, wen man an die Stelle eines gestürzten Diktators setzen sollte. Schlimmstenfalls übernimmt ein anderer Diktator, wie in Ägypten; bestenfalls ist es ein eher parlamentarisches System, wie in Tunesien, wobei sich aber für den Großteil der armen Bevölkerung nichts ändert.

Es reicht nicht, eine Diktatur zu stürzen, damit die Diktatur des Geldes, oder genauer gesagt des Großkapitals, über die Gesellschaft aufhört. Diktatoren sind wie die Politiker der Länder, die sich demokratisch nennen: Sie sind austauschbar.

Es gibt grundlegende Unterschiede zwischen den imperialistischen und den armen Ländern; zwischen den Ländern, deren Bourgeoisie plündert und unterdrückt, und ihren Opfern. Aber sie alle haben gemeinsam, dass die Arbeiterklasse zu einem Zeitpunkt, da das wirtschaftliche Leben der Menschheit sich in einer Sackgasse befindet, nicht den Kampf gegen die Bourgeoisie aufnimmt, sondern ratlos und politisch orientierungslos dasteht.

Das Krebsgeschwür des Kapitalismus breitet sich in der ganzen Gesellschaft aus. Es hat Einfluss auf Recht und Moral und ergreift auch die einzige soziale Klasse, die die Fähigkeit hat, der Gesellschaft eine andere Perspektive zu geben als das Überleben des Kapitalismus - die Arbeiterklasse.

Angesichts der Fäulnis des Kapitalismus sehen die Arbeitenden, sieht die Arbeiterklasse, keine politischen Perspektiven. Und zwar weder wirkliche Perspektiven noch falsche, wie sie hier in Frankreich in den siebziger Jahren noch die Rückkehr der Linken an die Regierung bot.

Mehrere Generationen lang wurde die Arbeiterbewegung von der Perspektive vorangetrieben, die Macht der Bourgeoisie zu stürzen und die Gesellschaft von Grund auf zu verändern. Diese Perspektive ist aus dem kollektiven Bewusstsein der Arbeiterklasse fast vollständig verschwunden.

Diese Situation ist nicht neu. Aber in den rund 20 Jahren zwischen Mitte der Fünfzigerjahre und Mitte der Siebziger, wo die kapitalistische Wirtschaft in einem reichen imperialistischen Land wie Frankreich einer Mehrheit "Unterkunft und Verpflegung" sicherte, wo man Arbeit fand zu einem Lohn, von dem man leben konnte, schien die objektive Lage die reformistischen Perspektiven zu bestätigen.

Diese Zeiten sind vorbei. Aber im Gegensatz zu der Krise von 1929 ist das nicht abrupt geschehen. Die reformistischen Illusionen - also die Vorstellung, dass eine gewisse Verbesserung der Lage der Arbeiter im Rahmen des kapitalistischen Systems möglich sei - haben noch lange angehalten, nachdem die Wirtschaftskrise die Bourgeoisie längst dazu getrieben hat, ihre Offensive gegen die Arbeiterklasse zu mit sehr viel härteren Bandagen zu führen.

Wie hätte es auch anders sein können, während die Kommunistische Partei Frankreichs und die Gewerkschaftsapparate auf den alten Gleisen des Reformismus weitergefahren sind? Trotz der Krise und der Offensive des Großkapitals, die die Folgen der Krise auf die Schultern der Arbeitenden abwälzen will, verbreiten sie weiter die Illusion, dass die Krise der Wirtschaft mit einer anderen Politik im Rahmen des kapitalistischen Systems überwunden werden könne.

Und angesichts der rückläufigen Wahlergebnisse der Kommunistischen Partei bewirbt sich eine Reihe weiterer Illusionisten um ihre Nachfolge. Hier in Frankreich hat Melenchon sein Glück versucht, aber ohne Erfolg. Aber was noch schlimmer ist: Der Rechtsextremismus von Le Pen ist dabei, sich sogar unter den Wählern der Arbeiterschaft durchzusetzen.

Die Arbeiterklasse ist gegenüber der Bourgeoisie im Verzug. Die Intensivierung des Klassenkampfs gegen die Arbeiter in den Betrieben und die arbeiterfeindlichen Maßnahmen der Regierungen trafen auf eine politisch entwaffnete Arbeiterklasse.

Das Gewicht der reformistischen Apparate und die Abkehr vom Kampf für den Sturz des Kapitalismus haben dazu geführt, dass die Krise und alles was mit ihr einhergeht, den Massen als objektive Tatsachen erscheinen. Sie empfinden es als eine Art Naturkatastrophe, wo das Beste was man machen kann, darin besteht, sich, seine Familie, seine religiöse oder ethnische Gemeinschaft zu schützen.

Man kann die reaktionäre Entwicklung des politischen und gesellschaftlichen Lebens, den Anstieg des sogenannten "Populismus" im ganzen Land nicht verstehen, wenn man nicht versteht, dass die politische Abwesenheit der Arbeiterklasse dieser Entwicklung ihre Dynamik verleiht; dass diese Entwicklung das Ergebnis des Fehlens einer in der Arbeiterklasse verankerten Partei ist, die für den Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft eintritt.

Und auf Grund dieser fehlenden Perspektive treffen die Arbeitenden, ja sogar die Arbeiter mit dem größten Bewusstsein für die verheerenden Folgen der kapitalistischen Wirtschaft und selbst die kämpferischsten unter ihnen, auf ihrer Suche nach Antworten nur auf Demagogen.

Die vom Kapitalismus verursachten Schäden haben bislang vor allem Besorgnis, und Abscheu geweckt, und Ratlosigkeit angesichts der Schädlichkeit und Gefährlichkeit des Systems hervorgerufen. "Über die Übel des Kapitalismus sind sich alle einig" (Josef Stiglitz). Zweifellos, aber es sagt viel aus, dass eine der in intellektuellen Kreisen am meisten beachteten Persönlichkeiten nichts anderes zu sagen hat als das, was Millionen Arbeitende, Arme und bis hin zu den am wenigsten politisierten Gelbwesten in ihrem Leben am eigenen Leib erfahren.

Damit die Klasse der Ausgebeuteten zu einer sozialen Kraft werden kann, die in der Lage ist, die Macht der Bourgeoisie zu bezwingen und die Gesellschaftsordnung von Grund auf umzugestalten, braucht sie Bewusstsein, Organisationen, revolutionäre Parteien. Die gesamte Geschichte der sozialen Verhältnisse in den zwei Jahrhunderten, in denen die Bourgeoisie an der Macht ist, zeigt diese Notwendigkeit und auch wie immens schwierig diese Aufgabe ist.

Mit der sukzessiven Bildung und der Vergrößerung des Kapitals "produziert die Bourgeoisie ihre eigenen Totengräber" (das Kommunistische Manifest): die Arbeiterklasse - die soziale Klasse, die die Bourgeoisie stürzen und eine neue Form der Gesellschaftsorganisation schaffen kann.

Die Entwicklung der Arbeiterklasse wurde begleitet von der Entwicklung der Arbeiterbewegung. Sie wuchs, indem sie eine Reihe aufeinanderfolgender Kämpfe führte, die sie von instinktiven Reaktionen (der Zerstörungen der Maschinen), über das Bewusstsein ihrer spezifischen materiellen Interessen (Hilfskassen, Gewerkschaften etc.) bis zu dem Bewusstsein ihrer politischen Interessen geführt hat, dessen mächtigster Ausdruck seinerzeit der Chartismus war.

Aber die Vorstellung, dass sie eine unverzichtbare Rolle spielt in der Umwälzung der auf Privateigentum, Ausbeutung und Konkurrenz beruhenden Gesellschaft hin zu einer anderen, höheren Gesellschaftsform - diese Idee erhielt sie zu einem großen Teil von Generationen von Aktivisten und Intellektuellen bürgerlicher Herkunft. Nach den ersten tastenden Versuchen des "utopischen Sozialismus" hat der Marxismus der Arbeiterklasse "die Wissenschaft ihres Unglücks" (F. Pelloutier) gebracht.

Von Anfang an hat der Kapitalismus jedoch einen starken, zersetzenden Druck ausgeübt, der die Organisationsbemühungen der Arbeiterbewegung immer wieder gestört hat. So steht im kommunistischen Manifest nach der Feststellung "die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit": "Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich." Es ist "der Fortschritt der Industrie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist", die "an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation setzt".

Aber bis zur Vernichtung des Kapitalismus bleibt der Widerspruch zwischen den kollektiven Interessen der Arbeiterklasse und dem Individualismus der Bourgeoisie bestehen. Es handelt sich nicht um einen Kampf zwischen verschiedenen Ideen und moralischen Werten, sondern um den sehr realen Kampf zwischen zwei entgegengesetzten sozialen Klassen. Aber die Ideen, Werte und Programme haben gleichzeitig eine zentrale Bedeutung in dem Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Klassen.

Zumindest für die Arbeiterklasse hängt ihre gesellschaftliche Stärke davon ab, inwiefern sie sich dieser Stärke bewusst ist. Die Stärke der Bourgeoisie hingegen beruht darauf, dass ihr allein das große Kapital gehört - und auf dem Staatsapparat, der in ihrem Dienste steht.

Die zersetzende Wirkung des Kapitalismus auf die Organisationen der Arbeiterbewegung hat im Laufe ihrer Geschichte viele Formen angenommen. Sie führte sie dazu, dass die Organisationen der Arbeiterklasse auf vielfältige Art und Weise in das kapitalistische System integriert wurden, begleitet von Zusammenbrüchen und Verrat.

Der Verrat der Sozialdemokratie während und nach dem Ersten Weltkrieg gehört zu den schwerwiegendsten Ereignissen. Gefolgt von dem noch schlimmeren Verrat des Stalinismus, der den einzigen dauerhaften, aus einer proletarischen Revolution hervorgegangenen Arbeiterstaat in eine tragende Säule der kapitalistischen Weltordnung verwandelt hat.

Der dekadente Kapitalismus hat den Widerspruch zwischen der Entwicklung der Gesellschaft mit ihrer immer zentralisierteren und globaleren Wirtschaft und äußerstem Individualismus auf die Spitze getrieben.

Der wissenschaftliche und technische Fortschritt und deren Anwendung veranschaulichen diesen Widerspruch. So könnte die Informatik, die in der Lage ist, Menschen aus weit entfernten Regionen des Planeten miteinander zu verbinden, einer menschlichen Gesellschaft, die sich ihrer gemeinschaftlichen Interessen bewusst ist, einzigartige Informationsmittel und Verwaltungsinstrumente an die Hand geben. Aber die leistungsstärksten Rechner, darunter die der größten Vermögensverwaltungsfirma BlackRock, werden mit der Vielzahl der Daten, die zu erfassen sie in der Lage sind, verwendet, um Kunden und Aktionäre zu den ertragreichsten Anlagemöglichkeiten zu beraten. Also um zu spekulieren.

Oder Smartphones, die die Kommunikation mit der ganzen Welt ermöglichen und ihre Benutzer zugleich in individuellen Blasen isolieren. Jeder hat die Nase auf den Bildschirm seines Smartphones gerichtet.

Die vor über einem Jahrhundert von Rosa Luxemburg formulierte Alternative "Sozialismus oder Barbarei" erhält einen neuen, weiteren Sinn, der zu den konkreten Formen der Barbarei im vergangenen Jahrhundert (zwei Weltkriege, Faschismus, usw.) hinzukommt.

Der wissenschaftliche und technische Fortschritt gibt der herrschenden Bourgeoisie und ihren politischen Dienern zusätzliche Mittel an die Hand. Heute kann man auf die millionste Sekunde genau spekulieren, im weltweiten Maßstab personenbezogene Daten zu Marketingszwecken erfassen, die sozialen Netzwerke und die Gesichtserkennung zu Unterdrückungszwecken benutzen, usw.

Das geht bis zum Vatikan, der gerade einen elektronischen "vernetzten Rosenkranz" geweiht hat, der laut dem Jesuiten, der ihn vorgestellt hat, "das Beste aus der kirchlichen Tradition mit dem Besten aus der Technologie" verbindet. Hier wird mit moderner Technik die antike Gebetsmühle der buddhistischen Mönche neu erfunden!

So bleibt die grundlegende Alternative im Hinblick auf die Zukunft der menschlichen Gesellschaft "Sozialismus oder Barbarei": entweder eine Organisation der Gesellschaft entsprechend den kollektiven Interessen der Menschen oder die Fortsetzung der auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden gesellschaftlichen Verhältnisse unter Zuhilfenahme "des Besten der Technologie".

Weitere Auswirkungen der Dekadenz des Kapitalismus: Bevor die Bourgeoisie dank der revolutionären Gewalt der Volksmassen oder mittels Kompromissen mit den alten privilegierten Klassen die Macht ergriff und auch noch in der Zeit ihres Aufstiegs war sie in der Lage, fortschrittliche Ideen zu entwickeln. Eine ganz kleine Minderheit der Bourgeoisie, insbesondere Intellektuelle, die sich mit den sozialen Problemen beschäftigten, waren sogar in der Lage, sich den Interessen des Proletariats anzuschließen. Auf bevormundende Weise geschah dies bei den utopischen Sozialisten. Auf revolutionäre Weise bei der Generation, deren beste Vertreter Marx und Engels waren.

Die Bourgeoisie bzw. ihre intellektuelle Kaste sind dazu nicht mehr fähig. Die Intellektuellen wurden vom Kapitalismus zu Söldnern der Großbourgeoisie gemacht, die dazu bestimmt sind, im Betrieb ihres Staatsapparats sowie in den Medien und der Kultur zu dienen.

Das ist natürlich nichts Neues. Die bürgerlichen Intellektuellen haben nicht zuletzt in Frankreich nur in der Zeit eine revolutionäre Rolle gespielt, wo die Bourgeoisie noch ihren Kampf gegen die alte Gesellschaftsordnung führte. Aber schon vor über einem Jahrhundert prangerte Lafargue, ein Vertreter der gerade entstehenden sozialistischen Strömung, die Zaghaftigkeit der Intellektuellen seiner Zeit an.

In Russland, das der bürgerlichen Entwicklung Westeuropas hinterherhinkte, hat eine Fraktion der Intellektuellen, von Plechanow bis hin zu Lenin und Trotzki, die Entwicklung der russischen Sozialdemokratie und dann des Bolschewismus ermöglicht.

Weder in den imperialistischen noch in den ärmeren und ganz armen Ländern hat auch nur eine einzige Fraktion des intellektuellen Kleinbürgertums diese Rolle gespielt. Im Gegenteil, es hat dazu beigetragen, die revolutionäre Strömung der Arbeiterbewegung zu zerstören, um diese dann stattdessen mit Ideen und Werten vollzustopfen, die letztlich auf die Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung hinauslaufen.

In den imperialistischen Ländern haben die bekanntesten Intellektuellen gemeinsam mit den aus der Arbeiteraristokratie hervorgegangenen reformistischen Apparate dafür gesorgt, dass der Reformisums als einzige mögliche Politik für die Arbeiterbewegung darstand. Sie haben eine Vermittlerrolle zwischen dem stalinistischen Reformismus und der Arbeiterklasse gespielt. Die einen, in der Art von Aragon und der ganzen Armada von mehr oder weniger von der sowjetischen Bürokratie geförderten Intellektuellen, indem sie den stalinistischen Reformismus als den Kommunismus der modernen Zeit präsentierten. Die anderen, Weggefährten vom Typ Sartre, um "Billancourt nicht zur Verzweiflung zu bringen" .

In den armen Ländern, in denen die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg explosiv war, hat dieselbe kleinbürgerliche Intelligenz eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die unterdrückten Massen zu organisieren, um deren Empörung dann in nationalistische Bahnen zu lenken, ob fortschrittliche oder nicht. Die mächtigen Erschütterungen, die die Welt nach dem Krieg in Aufruhr gebracht haben, haben von China über Indonesien bis nach Indien und vielen weiteren Ländern zu den Regimen geführt, die wir alle kennen. Sie alle sind in das imperialistische Weltsystem integriert und sind infolge von Aufständen mit nationalistischen Ideen entstanden.

Die besondere Situation der ehemaligen Volksdemokratien hat eine Generation von Aktivisten mit intellektuellem Hintergrund hervorgebracht, wie in Polen Kuron und Modzelewski, die fähig waren, Beziehungen zur Arbeiterklasse zu knüpfen und die den Preis für ihre politische Tätigkeit gezahlt haben. Aber ihre Rolle bestand letztendlich darin, die größte Serie explosiver Arbeiterbewegungen im Europa der Nachkriegszeit - von 1981 bis 1989 - der katholischen Kirche und der Bourgeoisie zuzutreiben.

2013 betitelte Modzelewski seine Autobiografie: Wir haben die Stute der Geschichte geritten - Geständnisse eines ramponierten Reiters. Er starb im April 2019, ohne sich im reaktionären Regime des heutigen Polen wiederzuerkennen, aber auch ohne nach dem Warum der Entwicklung der Dinge in seinem Land zu fragen und vor allem ohne sich seiner eigenen Verantwortung zu stellen.

Eine Wiedergeburt der revolutionären Strömungen ist nicht vorstellbar, ohne dass zumindest ein Teil der Arbeiterklasse ein solches Bewusstsein erlangt. Aber zu dieser Wiedergeburt können nur solche Intellektuelle beitragen, die mit dem Kleinbürgtum, dem sie entstammen, gebrochen haben und außerdem in der Lage sind, den Marxismus und die Ideen des revolutionären Kommunismus zu verstehen und sich zu Eigen zu machen.

Spekulationen darüber, wann die Arbeiterklasse wieder eine politische Rolle spielen wird, sind vergeblich, und noch mehr die Frage, wo dies geschehen wird. Der Kapitalismus in der Krise führt dazu, dass die Situation in allen Ländern instabiler und explosiver wird.

Ohne eine Wiedergeburt des revolutionären Kommunismus aber kann keine noch so heftige Revolte der Arbeiterklasse und überhaupt der einfachen Bevölkerungen zu etwas führen, das die Veränderung der Gesellschaftsordnung in irgendeiner Weise voranbringt.

Unser Daseinszweck ist es, diese Ideen am Leben zu erhalten, ohne sie zu verwässern, ohne sie abzuschwächen, so dass sie wieder zu einem Kampfmittel werden können, das die empörten Massen sich zu eigen machen können.

So schwach unsere Kräfte heute auch sein mögen, als revolutionäre Kommunisten sehen wir der Zukunft mit Optimismus entgegen. Denn seit der Mensch die Urzeit hinter sich gelassen hat, hat die Menschheit immer einen Weg gefunden, ihre Kontrolle über die Natur immer weiter auszudehnen. Früher oder später wird sie auch ihr eigenes gesellschaftliches Leben in den Griff bekommen.

25. Oktober 2019

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