Gegen diejenigen, die die griechische Bevölkerung erwürgen, wurde ein Wahlkampf gewonnen, aber der Krieg geht weiter

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Juli 2015

(Der folgende Text ist der Leitartikel der Lutte Ouvrière-Betriebszeitungen vom 6. Juli 2015. Er wurde am Tag nach der Volksabstimmung in Griechenland geschrieben. Ein paar Tage später hat die Regierung Tsipras kapituliert und ein neues drastisches Sparpaket angekündigt)
Gegen diejenigen, die die griechische Bevölkerung strangulieren, wurde ein Wahlkampf gewonnen, aber der Krieg geht weiter

Mit ihrem NEIN hat die griechische arbeitende Bevölkerung den x-ten Sparplan zurückgewiesen, den die internationalen Institutionen des Kapitals ihr aufzwingen wollen. Trotz der massiven Drohungen aller Staatschefs Europas, die von den vor dem Großkapital niederknienden Medien unterstützt werden, und der reichen Griechen hat sie ihre Weigerung zum Ausdruck gebracht, weiter die Lohnsenkungen, die Entlassungen, die Rentenkürzungen, den Absturz in die Armut zu ertragen. Sie will nicht länger für Schulden bezahlen, die sie nicht gemacht hat und von denen sie nie profitiert hat.

Mit ihrem NEIN hat die arbeitende Bevölkerung mutig ihre Meinung gesagt. Doch sie hat dadurch das Kräfteverhältnis zwischen ihr und dem Großkapital nicht verändert, das heute im Namen der zu zahlenden Zinsen ihre Existenzbedingungen zerstört. Dies sind die Grenzen von Wahlen in einer Gesellschaft, die vom Geld, vom Großkapital beherrscht wird.

Die Regierung Tsipras verlangte nicht mehr, als dass die internationalen Institutionen die Verhandlungen wieder aufnehmen, um einen Kompromiss mit denen zu finden, die die griechische Bevölkerung erdrosseln wollen. Und um ihren guten Willen zu zeigen, hat sie gerade ihren Verhandlungspartnern den Finanzminister Varufakis geopfert, der diesen Herren der Hochfinanzen und ihren politischen Dienern zu heftig gesprochen hatte.

In seiner Auseinandersetzung mit den internationalen Institutionen verteidigt Tsipras die nationale Würde Griechenlands, die von den imperialistischen Mächten Europas mit Füßen getreten wird. Doch deshalb verteidigt er noch lange nicht die Klasseninteressen der Ausgebeuteten. Er hat dies auch niemals behauptet. Die arbeitende Bevölkerung tut daher gut daran, sich dem zu widersetzen, dass in den Verhandlungen ihre Renten, ihr Mindestlohn, ihr Überleben geopfert wird.

Was in Griechenland passiert, betrifft auch uns. Heute wird das griechische Volk vom Finanzkapital erdrosselt. Wer wird morgen an der Reihe sein?

Seit Jahren investiert die kapitalistische Klasse immer weniger in Fabriken, Maschinen, in Produktion, die Arbeitsplätze schafft. Oh, investiert hat sie auch früher nicht aus Sorge um das Gemeinwohl, sondern um durch die Ausbeutung der Arbeiter Profit zu machen. Doch zu produzieren ohne die Sicherheit, die Produkte auch verkaufen zu können - dieses Risiko sind die großen kapitalistischen Konzerne mit der Krise immer weniger bereit einzugehen. Sie haben etwas Besseres gefunden: Sie verleihen gegen Zinsen Geld, an Privatpersonen, Städte, Institutionen, Staaten. Kurz gesagt: Wucher statt Produktion.

Seit Jahrzehnten durchdringt die Finanz die gesamte Gesellschaft, fesselt und erstickt sie: Der Kredit tritt an die Stelle der unzureichenden Löhne. Die verschuldeten Krankenhäuser, die normalerweise dafür bestimmt sind, die Bevölkerung zu heilen, müssen den Banken immer mehr Geld für Zinsen abzweigen, auch wenn dadurch die Arbeitsbedingungen unerträglich werden und die Qualität der Pflege immer problematischer wird. Auch die Kommunen werden von den Schulden erdrosselt.

Genau deshalb wiederholen alle herrschenden Politiker und ihre Medien wie Papageien, dass es eine heilige Pflicht sei, die Zinsen der Schulden zu bezahlen. Deshalb können sie nicht akzeptieren, dass ein Land - und sei es noch so klein - die Rechtmäßigkeit seiner Schulden in Frage stellt. Und genau deshalb will das Finanzkapital heute an den ausgebeuteten Klassen in Griechenland ein Exempel statuieren. In dem Krieg, den es führt, um sein Schmarotzertum überall durchzusetzen, soll das Los der griechischen Bevölkerung eine Warnung an uns alle sein.

Selbstverständlich also muss die Solidarität aller Ausgebeuteten der arbeitenden Bevölkerung Griechenlands gelten.

Unter denen, die über das NEIN jubeln, sind jedoch nicht nur Freunde der ausgebeuteten Klassen. Es gibt auch alle diejenigen - und nicht nur im rechtsextremen Lager -, die versuchen, das Misstrauen der einfachen Bevölkerung von ihren wirklichen Feinden abzulenken. Doch nicht die Eurozone, die Unnachgiebigkeit Deutschlands oder Europa sind verantwortlich für das Unglück des griechischen Volkes, sondern das Großkapital und diejenigen, die es besitzen.

Was würde es schließlich für die griechischen Ausgebeuteten ändern, wenn sie vom Finanzkapital in Drachme statt in Euro ausgeplündert würden?

Die Gesellschaft krepiert an der Diktatur des Großkapitals, an der Jagd nach Profit einer kleinen Minderheit.

Über die einzelnen Auseinandersetzungen hinaus - heute in Griechenland und morgen vielleicht hier - wird die Zukunft daher von der Fähigkeit der ausgebeuteten Klasse abhängen, das Übel an der Wurzel zu packen: Sich das Ziel zu setzen, das Großkapital zu enteignen und die Wirtschaft unter die Kontrolle der Bevölkerung zu stellen. Und sich die Mittel und Wege zu verschaffen, um dies zu erreichen.

6. Juli 2015