Israelis und Palästinenser in der vom Imperialismus geschaffenen blutigen Falle

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Erklärung von Nathalie Arthaud am 9. Oktober 2023
Oktober 2023

 

Der Nahe Osten ist das Abbild einer Welt, die der imperialistischen Herrschaft der Bourgeoisie unterworfen ist: ein riesiges Inferno. Nach dem Irak und Syrien brennt der Krieg nun erneut in Israel und Gaza und bedroht die gesamte Region mit einem weiteren Flächenbrand.

Diese Situation wurde durch die Manöver der imperialistischen Mächte im letzten Jahrhundert geschaffen, als sie die Welt aufteilten, indem sie die Grenzen zogen, die ihre Hegemonie garantierten. Und der ölreiche Nahe Osten war das Objekt ihrer Begierde.

So kam es, dass sich Palästinenser und jüdische Einwanderer inmitten eines Schlachtfeldes wiederfanden. Erstere lebten unter britischer Herrschaft, die bereits von der Macht der USA herausgefordert wurde. Letztere wiederum kamen in die Region, weil sie vor antisemitischen Pogromen flohen oder aus den Vernichtungslagern gerettet worden waren.

Es gab also Platz für beide Völker. Doch die sogenannten Beschützer der Region taten nichts, um diese Koexistenz zu fördern. Stattdessen spielten sie ein Volk gegen das andere aus, um ihren Einfluss zu sichern.

1948 unterstützten die USA die Gründung Israels als jüdischen Staat. Die Palästinenser wurden massenhaft vertrieben und zu lebenslangen Flüchtlingen in überfüllten Lagern oder zu Bürgern zweiter Klasse in Israel gemacht. Die Israelis wurden zu den Wächtern dieses Gefängnisses.

Den Palästinensern wurde ihr Land geraubt, sie wurden aus ihren Häusern vertrieben und eingesperrt, insbesondere in Gaza, diesem Gefängnis unter freiem Himmel. Die zwei Millionen Gaza-Bewohner werden kollektiv mit einer Blockade bestraft, die ihnen unsägliche Lebensbedingungen aufzwingt, wenn ihre Gebäude nicht gerade von der israelischen Armee bombardiert werden. Diese Politik hat einen Namen: Staatsterrorismus.

Auf beiden Seiten hat die nationalistische Politik dazu beigetragen, die extremistischsten Kräfte an die Macht zu bringen. In Israel regiert Netanjahu nun mit den religiösen und rassistischen Ultranationalisten. Seine Regierung hat die Besiedlung des Westjordanlandes intensiviert, die Apartheidmaßnahmen verschärft und rechtsextreme Milizen ermutigt, die Palästinenser zu terrorisieren.

Diesem Staatsterror hat die Hamas eine Politik entgegengesetzt, die die Palästinenser in die Sackgasse führt.  Diese zeugt nicht nur von einer Verachtung für das Leben der israelischen Zivilisten, sondern auch für das Leben ihres eigenen Volkes, der Palästinenser in Gaza, die erneut der Hölle der Bombardierungen ausgesetzt sind. Die Palästinenser haben keine andere Wahl, denn die Hamas übt ihre Macht wie eine Diktatur aus.

Die Hamas hat viele Palästinenser hinter sich versammelt, weil sie die Einzige ist, die einen Ausweg aus der Revolte bietet, die unter der palästinensischen Jugend brodelt. Doch die Politik der Hamas, wie auch die Politik Netanjahus, reißt nur eine blutige Kluft zwischen den beiden Völkern auf.

Diese 75 Jahre nationalistischer Politik auf beiden Seiten haben zu der erschreckenden Situation geführt, in der wir uns heute befinden. Sie zeigen, einmal noch, dass ein Volk, das ein anderes beherrscht, weder in Sicherheit leben noch ein freies Volk sein kann.

Die Tragödie ist, dass die schlimmsten Nationalisten durch das kriegerische Klima, das durch den Krieg in der Ukraine und die kriegerischen Reden der Führer der Großmächte geschaffen wurde, ermutigt werden. Dies gilt für Aserbaidschan, Bergkarabach oder den Kosovo, wo sich Albaner und Serben gegenüberstehen.

Gegen diese katastrophale Entwicklung wollen wir behaupten, dass unterschiedliche Völker, die verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche Bräuche oder Religionen haben, durchaus nebeneinander leben können. Das haben sie in den vergangenen Jahrhunderten oft getan. Um dies zu erreichen, muss man die derzeitigen Herrscher der Gesellschaft bekämpfen, allen voran die westlichen Großmächte und Konzerne, die die Völker gegeneinander aufbringt. Teile und herrsche ist die Grundlage ihrer Herrschaftspolitik. Also lassen wir uns nicht spalten!

Weder die Völker noch die Arbeitenden haben ein Interesse an diesen Spaltungen. Sie alle teilen die gleiche Sehnsucht nach einem Leben in Frieden. Sie müssen eine gemeinsame Basis finden. Und dieser besteht darin, dass sie alle ein Leben der Arbeit, ein Leben der Ausbeutung teilen. Unsere Führer bringen uns in der Ausbeutung zusammen, lassen wir nicht zu, dass sie uns spalten!

Überall gibt es, wie hier, ArbeiterInnen, die sich mit ihren Herrschern herumschlagen müssen. Das palästinensische Volk mit der Politik der Hamas gleichzusetzen oder die Israelis mit der Politik von Netanjahu und den Siedlern zu identifizieren, ist genauso dumm, wie die Franzosen hinter Macron zu stellen.

In Israel arbeiten palästinensische und israelische Arbeitende oft zusammen. Sie müssen sich ihrer gemeinsamen Interessen wieder bewusst werden. Nur diese Klassenbrüderschaft kann den Schwung erzeugen, der den Hass überwindet, der sich in jahrzehntelangen Konfrontationen angesammelt hat.

 

Nathalie Arthaud, Wortsprecherin von Lutte Ouvrière, am 9. Oktober 2023