Die Probleme der Weltpartei der Revolution und der Wiederaufbau der IV. Internationale

печать
Die Probleme der Weltpartei der Revolution und der Wiederaufbau der IV. Internationale (Leo Trotzki-Zirkel vom 28. Februar 1966)
Februar 1966

Einleitung

Seit einem guten Jahrzehnt erleben wir den Zusammenbruch des fest geschlossenen stalinistischen Blocks. Der chinesisch-sowjetische Konflikt und die immer westlichere Politik der Ostblockstaaten, die sich von der Sowjetunion entfernen, haben den Mythos zerstört, der die bürokratische Politik des Kremls umgab. In den Industrieländern tritt der Opportunismus der Kommunistischen Parteien offen zu Tage. Offen räumen sie die marxistischen Vokabeln, derer sie sich noch vor wenigen Jahren bedient haben, auf den Speicher. In den unterentwickelten Ländern ist ihr Bankrott noch offensichtlicher. In einigen Ländern wie Ägypten haben sie sich aufgelöst, weil das nationale Bürgertum ihr Programm vollständig übernommen hat. In anderen bewaffnen sich die Massen der Bauern, doch sie rufen auf zum Abenteurertum und träumen von einem unmöglichen Parlamentarismus. Angesichts des offensichtlichen Verrats derjenigen, die über Generationen in den Augen von Millionen Menschen das Erbe des Bolschewismus vertraten, ist es nicht erstaunlich, dass sich immer mehr Aktivisten dem Werk von Trotzki zuwenden, um dort Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu finden. Denn die Schriften von Trotzki sind nicht veraltet und jeder, der verstehen möchte, was in der UdSSR, in Ungarn oder Kuba passiert, ist gezwungen, sich auf sie zu beziehen. Leider liegt ein riesiger Abgrund zwischen dem Werk von Trotzki und den Organisationen, die sich darauf berufen.

Diejenigen, die ihren Blick der IV. Internationale zuwenden, die 1938 von dem Gründer der Roten Armee und seinen Genossen gegründet wurde, sehen dort nichts anderes als eine Vielzahl kleiner Gruppen, die wenig Gehör finden - während gerade in der Krisenzeit, die wir erleben, eine revolutionäre Internationale, eine Weltpartei der Revolution mehr denn je notwendig wäre. Denn nur eine Internationale kann politisch und organisatorisch den Klassenkampf verbinden zwischen den revolutionären Aktivisten der Industrieländer und denen der industriell unterentwickelten Länder, zwischen denen der imperialistischen Länder und denen der UdSSR und der Ostblockstaaten. Wir haben uns immer auf das Gründungsprogramm der IV. Internationale berufen, und wir stehen hinter dem heutigen Versuch ihres Wiederaufbaus. Dieser Versuch wird von einigen Gruppen unternommen, die der IV. Internationale angehört haben und die ihren Bankrott erkannt und anerkannt haben. Wir werden heute Abend die Ursachen dieses Bankrotts analysieren, damit die IV. Internationale nicht genau so wieder aufgebaut wird, wie sie gescheitert ist, sondern damit wir gemeinsam zum Aufbau einer wirklichen revolutionären Internationale beitragen.

Die Organisationen, die diesen Wiederaufbau unternommen haben, sind in erster Linie die französische Gruppe, die La Vérité und Informations Ouvrières herausgibt, und die englische SLL, die sich im Internationalen Komitee der IV. Internationale zusammengefunden haben. Wir werden heute Abend weniger von den Positionen sprechen, die wir im Rahmen dieses Unternehmens vertreten (auch wenn wir auf sie anspielen werden), sondern vor allem - und dies wird der größte Teil meines Vortrags sein - was in der Vergangenheit unsere Auffassungen zur IV. Internationale waren und was sie heute sind.

Was unsere Beteiligung an der Diskussion betrifft, die das Internationale Komitee unternommen hat, so werden wir den Großteil in Voix Ouvrière veröffentlichen oder eventuell in Sonderbeilagen.

Zunächst einmal schließen wir von vornherein die Erklärung einiger aus, dass die IV. Internationale aus theoretischer Unzulänglichkeit gescheitert sei. Nach dieser Auffassung wären die trotzkistischen Aktivisten deshalb nicht in der Lage, revolutionäre Organisationen aufzubauen, weil es ihnen nicht gelingen würde, theoretisch auf die moderne Welt zu reagieren, die anders sei als zur Zeit Trotzkis.

Leider waren allerdings diese Gruppen und Individuen, die "über den Trotzkismus hinaus" wollten, nicht nur unfähig, auch nur den Schatten einer kohärenten theoretischen Erläuterung ihrer Ideen hervorzubringen, sondern auch selber irgendetwas aufzubauen. Einige von ihnen haben im Übrigen ihre Niederlage theoretisch gerechtfertigt, indem sie den Marxismus ganz aufgegeben haben und haben so aus ihrer Unfähigkeit eine Tugend gemacht. Andere haben die Plätze wieder eingenommen, die sie niemals hätten aufgeben sollen: als Professoren für "linke" Intellektuelle, die sich für die Arbeiter genauso interessieren wie für die Insektenkunde.

Wir denken auch nicht, dass wir die letzten Verfechter einer prähistorischen Doktrin wären - die des Klassenkampfes. Die letzten Überlebenden einer vergangenen Epoche, nur noch gut dazu, sie im Gefrierschrank zur Erbauung der künftigen Generationen aufzubewahren. Das Verschwinden von Mütze und Arbeitskittel hat ebenso wenig zum Verschwinden der Arbeiterklasse geführt, wie das Aussterben der Knopf-Stiefeletten dazu führen würde, dass das Bürgertum ausstirbt. Wir lassen diese Nebel-Theorien den Salon-Soziologen, für die sich das Glück des Menschen einzig an der durchschnittlichen Anzahl an Kalorien, Pferdestärken oder Wellenlängen misst, unabhängig von deren sozialer Verteilung. Unserer Meinung nach ist die Unfähigkeit der trotzkistischen Aktivisten, eine Internationale aufzubauen, nicht dem Trotzkismus geschuldet - dem direkten Erbe des Bolschewismus und einzige Theorie, die in der Lage ist, das Proletariat weltweit zur Eroberung der Macht zu führen.

Unsere Besonderheit besteht darin, dass wir eine trotzkistische Gruppe sind, die niemals der IV. Internationale angehört hat, aber die sich immer auf ihr Programm berufen hat. Gerade weil wir nicht in der IV. Internationale waren, haben wir immer zu Recht geglaubt, uns auf das Programm der IV. Internationale berufen zu dürfen, das diese selbst dutzendfach preisgegeben hat. Uns ist es wichtig, erneut unsere Anhänglichkeit und unsere Treue zum Gründungsprogramm der IV. Internationale - dem Übergangsprogramm - zu bekunden, das für uns das unentbehrliche Instrument ist, um unseren Kampf zu führen. Dieses Programm fasst alle Lehren der Arbeiterbewegung aus einem halben Jahrhundert Kampf zusammen. Und dieses Programm sowie die anderen Gründungstexten der IV. Internationale bewaffnen die trotzkistischen Organisationen, wie keine andere Organisation es jemals war. Egal ob sie in den imperialistischen Ländern kämpfen, in der UdSSR oder in der Dritten Welt - die Revolutionäre können aus ihnen wertvolle Lehren ziehen. Und für die Revolutionäre des 20. Jahrhunderts ist es ebenso wichtig wie das Kommunistische Manifest für die vorhergehende Epoche. Für uns Trotzkisten kann es keine konsequenten Revolutionäre geben, die sich nicht auf dieses Programm stützen.

Die IV. Internationale in Frankreich: von der POI bis zur PCI, ein ständiger Opportunismus

Wir sind nicht aus Spaß außerhalb dieser Organisation geblieben. Wir haben uns nicht aus Spaß geweigert, uns bei der Gründung der französischen trotzkistischen Gruppen im Februar 1944 in der PCI aufzulösen, die gerade entstand. Und wir haben auch nicht, wie uns diese Genossen damals vorwarfen, krampfhaft nach Meinungsverschiedenheiten gesucht, um unsere "Autonomie" zu rechtfertigen. Nein, es gab ganz konkrete politische Gründe, an die wir heute erinnern werden.

Vielleicht sind einige erstaunt darüber, dass wir zeitlich so weit zurückgehen. Das liegt einfach daran, dass unsere Analyse mit der Gründung der IV. Internationale beginnt und in den 50er Jahren endet, während andere Genossen den Zeitraum 1952-53 als Ausgangspunkt ihrer Analyse nehmen. Unserer Meinung nach war die IV. Internationale zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren keine Organisation der revolutionären Avantgarde mehr. Als unsere Genossen 1939 die POI (die französische Sektion der IV. Internationale) verlassen haben, da wollten sie sich von einer opportunistischen Organisation abgrenzen. Es ging ihnen darum, sich von einem kleinbürgerlichen Milieu abzugrenzen, dessen organisatorische Praktiken sozialdemokratisch und nicht kommunistisch waren. Aber es handelte sich damals einzig um eine Kritik an der französischen Sektion und nicht an der Gesamtheit der Organisationen der IV. Internationale.

Mit der Kriegserklärung bricht die französische Organisation der IV. Internationale vollständig zusammen. Sie war kaum auf die Illegalität vorbereitet und eine große Zahl von Aktivisten landet im Gefängnis. Die Organisationen werden zerschlagen.

Im Juni 1940 geben die meisten Teile der IV. Internationale, die sich in den "französischen Komitees für eine IV. Internationale" zusammengefunden hatten, vollkommen die internationalistische Haltung auf - zugunsten einer "gemeinsamen Front mit allen französisch denkenden Elementen". Sie werben für die Einrichtung von Komitees der "nationalen Wachsamkeit". Diese Genossen verfassten den Bericht, der im Bulletin du Comité pour la IVe Internationale - Nr. 2 - 20. September 1940 - erschienen ist und der vom Zentralkomitee des Komitees für die IV. Internationale einstimmig angenommen wurde.

Hier einige Auszüge:

"Das französische Bürgertum hat sich in eine Sackgasse begeben: Um sich vor der Revolution zu retten, hat es sich in die Arme Hitlers geworfen. Um sich aus dessen Armen wieder zu befreien, kann es sich nur noch in die Arme der Revolution werfen. Wir sagen nicht, dass es dies leichten Herzens machen wird und auch nicht, dass die Mehrheit des Bürgertums in der Lage sein wird, dieses Spiel zu spielen: Die meisten Bürgerlichen erwarten heimlich ihr Heil von Großbritannien, und eine große Minderheit erwartet ihr Heil von Hitler. Wir reichen dagegen die Hand dem französischen Teil des Bürgertums.

Unsere Politik muss auf diesem Gebiet vor allem in Richtung des Teils des Bürgertums gerichtet sein, das sich vor allem als französisch sieht. Das spürt, dass es das Heil Frankreichs nur von den Volksmassen erhoffen kann, das in der Lage ist, eine kleinbürgerliche nationalistische Bewegung hervorzubringen und in der Lage, die Karte der Revolution zu spielen (von rechts oder von links oder eventuell von rechts und von links).

Wir müssen die Verteidiger der Reichtümer sein, die Generationen von Bauern und Arbeitern Frankreichs angehäuft haben. Wir müssen auch die Verteidiger des wunderbaren Schatzes sein, den die französischen Schriftsteller und Denker zum intellektuellen Erbe der Menschheit beigetragen haben, die Verteidiger der großen revolutionären und sozialistischen Tradition Frankreichs...

b) Komitees der Nationalen Wachsamkeit

Es ist notwendig, nationale Kampforgane zu schaffen. Die Komitees der nationalen Wachsamkeit können entweder ständige Organismen sein oder zeitlich begrenzte Organismen (und diese Form passt deutlich besser zu den Notwendigkeiten des nationalen Kampfes in der heutigen, zwangsläufig illegalen Zeit)."

Und was die Parolen angeht: Die Anzahl der nationalen Parolen ist unendlich. Wir wollen hier nur einige hervorheben.

"SCHLUSS MIT DER PLÜNDERUNG DER FRANZÖSISCHEN REICHTÜMER. Der Weizen, den die Bauern Frankreichs angebaut haben, die Milch der Kühe, die sie groß gezogen haben; die Maschinen, ohne die unsere Arbeiter ohne Arbeit und ohne Brot wären; das Labormaterial, dass das Genie unserer Denker gebaut hat, alle diese französischen Reichtümer müssen in Frankreich bleiben... Rücknahme des deutschen Geldes! Das französische Volk will durch seine Arbeit wirkliche Reichtümer schaffen und nicht in das Elend der Inflation gestoßen werden."

Und während des Krieges, bis 1941, wird sich La Vérité, das sich nacheinander bolschewistisch-leninistisches Organ, revolutionär-kommunistisches Organ, Zentralorgan der französischen Komitees für die IV. Internationale, Organ der POI und Organ der PCI nennt, im Namen des Trotzkismus in einer nationalistischen Prosa ergießen, die Parole des Komitees für nationale Wachsamkeit aufnehmen und einen Zusammenschluss aller Parteien vorschlagen, die die Massen verteidigen wollen. Hier beispielhaft einige Auszüge aus La Vérité:

La Vérité Nr. 2 - 15. September 1940. "Das Weizenamt sagt voraus, dass 60 % der französischen Getreideernte nach Deutschland gehen wird. Und die Regierung sagt nichts. Ist sie mit Hitler einverstanden, der die Franzosen aushungern will? Bauer, mein Bruder, setze den Beschlagnahmungen passiven Widerstand entgegen; verkaufe dein Weizen nur, um daraus Brot für die Frauen und Kinder Frankreichs zu machen."

La Vérité Nr. 8 - 1. Januar 1941. "Alle diejenigen, die gegen den Unterdrücker kämpfen und die keine Arbeiter sind, müssen verstehen, dass die Beteiligung der Arbeiter lebensnotwendig für den Erfolg des nationalen Befreiungskampfes ist; dass man ihnen daher einen Arbeits-Status geben muss, durch den sie sowohl an der Verteidigung und an der Wiedergeburt des Vaterlandes, dessen Kraft sie bilden, interessiert sind.

Was soll die Nationale Union sein?

500.000 englische Metallarbeiter fordern die Anpassung ihrer Löhne an die Lebenshaltungskosten. Sie weisen darauf hin, dass der Preis der Grundnahrungsmittel sich verdoppelt hat, nicht jedoch die Löhne. Mit der Erfüllung dieser gerechtfertigten Forderung wird die englische Regierung anfangen, eine wirkliche nationale Solidarität gegen den deutschen Imperialismus zu schaffen: Indem sie die Lasten gleichmäßig zwischen den verschiedenen Klassen des Landes aufteilt und auch die Interessen der englischen Arbeiter verteidigt."

La Vérité Nr. 11 - 1. April 1941 (zum Jahrestag der Pariser Kommune). "Wir wissen wie unsere Vorfahren von 1871, dass wir den Kampf für die Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit, die vom Bürgertum verraten worden ist, selber in die Hand nehmen müssen..."

Das sind keine internationalistischen Positionen mehr, das hat mit Trotzkismus nichts mehr zu tun. Die Vereinigung der verschiedenen trotzkistischen Gruppen (POI, CCI, Groupe Octobre) fand zu Beginn des Jahres 1944 statt. Man ging großzügig über die chauvinistische Politik von 1940 hinweg; alles war vergessen - mehr noch man hatte immer Recht gehabt. In einem gemeinsamen Bericht POI-CCI vom Juli 1943 kann man zusammengefasst Folgendes lesen: "Die POI hat einzig den Fehler begangen, in der La Vérité ein paar gefährliche Ausdrücke zu verwenden. Die grundlegende Haltung war nicht nur richtig, sondern scharfsinnig, da die POI von 1940 an vorausgesehen habe, dass sich die nationale Bewegung in eine Klassenbewegung verwandeln würde."

So wurde der vollständige Verrat am Internationalismus als einige "gefährliche Ausdrücke" abgetan. Dies ist ein feiner Euphemismus, der leider etwas verdeckt, das es viel weniger ist. Und diese Genossen schrieben in der Vereinigungserklärung, die am 25. März 1944 in La Vérité erschienen ist: Seit Beginn des Krieges haben "diese Organisationen eine internationalistische Politik und Handlungsweise entwickelt". Und weiter: "In diesem entscheiden Moment vereint die IV. Internationale ihre Kräfte und korrigiert ihre Fehler mit einer 'bolschewistischen' Selbstkritik". Der Text spielt nur vage auf "kurzzeitige Fehler der einen oder anderen Gruppe" an...

1944, als die französische Sektion der IV. Internationale sich nicht nur weigerte, ihre Fehler anzuerkennen, sondern auch noch behauptete, eine richtige Linie verfolgt zu haben, war es offensichtlich, dass diese Sektion nichts Trotzkistisches mehr hatte. Wie so oft in den folgenden Jahren erfand die französische Sektion ein ganzes theoretisches Arsenal, um eine opportunistische Handlungsweise zu rechtfertigen. Man wird von einer nationalen Bewegung sprechen - im Jahr 1940, im 20. Jahrhundert, in einem imperialistischen Land. Man wird zwei verschiedenen Widerstandsbewegungen entdecken, eine bürgerliche und eine der Arbeiter. Das brachte unsere Genossen dazu, im Februar 1944 zu schreiben: "Um in einem offiziellen Papier den Verrat der Bewegung der IV. Internationale in ein Altweibermärchen bolschewistischer Scharfsinnigkeit zu verwandeln (außer ,einigen Fehlern'), muss das ideologische Niveau sehr tief sein. Man muss mit Abscheu die Vorwände der POI zurückweisen, die in stalinistischer Manier die Schuld auf ,die Massen' abwälzt. Von diesem Standpunkt aus ist es typisch, dass die Organisationen POI-CCI den Zusammenbruch der Organisationen der IV. Internationale 1939 in Frankreich dem Ausbruch des Krieges zuschreibt, der die Avantgarde von den Massen isoliert habe. Jeder Revolutionär, der während des ,Drôle de guerre' (Seltsamen Krieges) seine Arbeit getan hat, weiß, dass dies eine vollkommene Lüge ist: Im Gegenteil, niemals war der Kontakt mit den Arbeitermassen einfacher (und nicht nur mit den Arbeitermassen), niemals waren die Massen offener für die revolutionäre Propaganda..."

Diese Haltung der französischen Sektion macht sowohl auf politischer Ebene (1939) wie auch auf der Ebene der Prinzipien (Selbstkritik verweigern und Rechtfertigung um jeden Preis) den Opportunismus deutlich, der in ihrem Inneren dominierte. Nicht, dass die französische Sektion Fehler, schwere Fehler, begangen hatte, war nämlich der Vorwand für uns, uns nicht mit ihnen zu vereinigen. Einige Aktivisten dieser Sektion erkannten diese Fehler sogar an. Aber weigerten sich, sie erneut auf den Tisch zu bringen, um der Fusion nicht zu schaden. Und diese Haltung zeigte, dass diese Organisation nichts Bolschewistisches mehr hatte und dass sie überhaupt nicht mehr die Avantgarde war, die Trotzki hatte schmieden wollen. Und als die IV. Internationale nach dem Krieg die Politik der französischen Sektion absegnete, da wurde es offensichtlich dass auch sie opportunistisch war.

Als der Krieg vorbei war, wird die französische Sektion ihre Politik fortführen. Sie zeichnet sich im Inneren durch eine Nachtrabpolitik gegenüber der PCF (Kommunistischen Partei Frankreichs) aus. Bei der Volksabstimmung vom 21. Oktober 1945 über die Frage, ob das Parlament eine neue Verfassung ausarbeiten solle, ruft die PCI auf, mit JA zu stimmen. Sie geben einen Aufruf an die Sozialistische und Kommunistische Partei heraus, um gemeinsame Komitees zur Verteidigung der Verfassung zu bilden und fordert, dass die Abgeordneten jederzeit wählbar und abwählbar sein müssten. Die PCI möchte nichts weniger und nichts mehr als die "Sowjetisierung" der bürgerlichen Verfassung. Ihre ganze Politik ist eine Kritik von links an der PCF, aber absolut keine revolutionäre Politik. Nach ihrer Zeit des notorischen Nationalismus verfiel die PCI in platten Elektoralismus. Was im Übrigen dieselben Genossen wenige Monate später nicht daran hindert, sich darüber zu beklagen, dass "in den Massen sich die Illusionen in die Parlamente hartnäckig halten".

Und bei der Volksabstimmung über die Verfassung im Mai 1946 bildet die PCI erneut einen Block mit den so genannten Arbeiterparteien und ruft dazu auf, JA für die neue Verfassung zu stimmen. Ihr Argument dafür war mindestens sehr seltsam. Tatsächlich konnte man am 28. April 1946 in La Vérité lesen: "Die Verfassung sieht die Entschädigung der großen Aktionäre der verstaatlichten Betriebe vor, sie hält die imperialistische Unterdrückung der Kolonialvölker aufrecht. Sie erkennt die Unantastbarkeit des Privateigentums der Ausbeuter an". Aber man müsse dennoch mit JA für diese Verfassung stimmen, um die Reaktion daran zu hindern, zu triumphieren. Dazu La Vérité Nr. 120 vom Mai 1946: "Die MRP hat sich mit den bürgerlichen Parteien gegen die 'Arbeiterparteien' zusammengetan und hat dazu aufgerufen, mit NEIN bei der Volksabstimmung zu stimmen. Deshalb müssen die Arbeiterparteien sich ebenfalls zusammentun und mit JA stimmen, um zu verhindern, dass diese Volksabstimmung für oder gegen die PCF-PS zu deren Nachteil ausgeht"...

In Bezug auf das Ausland erlebt man ebenfalls, dass sie den Stalinisten hinterherlaufen: nicht nur die französische Sektion, sondern die ganze Internationale. In ihrer Gesamtheit war die Internationale hiervon befallen und die französische Sektion war nichts als das getreue Abbild der anderen Sektionen.

So forderte die Konferenz der IV. Internationale vom April 1946 zwar den "sofortigen Abzug der Besatzungstruppen" (USA-Frankreich-England in Bezug auf Deutschland), lehnte jedoch den Zusatz der englischen Sektion ab, die auch die Forderung nach dem Rückzug der russischen Truppen aus den von ihnen besetzten Gebieten forderte (IVe Internationale - Dezember 1946).

Und als die Stalinisten nach 1948 die "Volksdemokratien" in "Arbeiter"staaten unbenannten, folgte ihnen die IV. Internationale freudig, nur dass sie - selbstverständlich noch den Zusatz "entartet" oder "deformiert" hinzufügt. Man ist Trotzkist oder nicht. Auch hier wird die politische Analyse durch inhaltsleere Etiketten, durch großzügige Worthülsen ersetzt. Und als es zum Bruch zwischen der UdSSR und Tito kommt, wird Tito als Revolutionär mit bemerkenswerten Eigenschaften gefeiert und die Kommunistische Partei Jugoslawiens zum Sprungbrett erklärt, von dem aus der Sturm auf den Stalinismus beginnen würde. La Vérité vom Oktober 1950, Nr. 258 titelte nach der Reise von Aktivisten nach Jugoslawien: "Diejenigen, die die Wahrheit in Jugoslawien gesehen haben, sagen euch: JA; DIES IST EIN STAAT, IN DEM DER SOZIALISMUS AUFGEBAUT WIRD, HIER HERRSCHT DIE DIKTATUR DES PROLETARIATS."

Hier wird ganz deutlich, was dann zu einer Konstante in der Politik der IV. Internationale werden wird. Unfähig, eine revolutionäre Organisation aufzubauen, waren seine Aktivisten beständig auf der Suche nach dem Ersatz, nach der Abkürzung, die es ihnen ermöglichen würde, schnell eine Organisation aufzubauen. Organisatorisch führte dies zur so genannten Politik des Entrismus (die Massen, die man selber nicht beeinflussen kann, woanders suchen) und politisch führte es zur Entdeckung revolutionärer Führer, die sich "objektiv" und quasi automatisch zum "Trotzkismus" hin entwickeln würden. Zunächst war es Tito, dann Mao, dann Castro, dann Ben Bella, und wir sind sicher, dass diese Genossen nicht auf halben Weg stehen bleiben werden.

Diese Suche nach "kürzeren Wegen zur Revolution" drückt nichts anderes aus als ihre Unfähigkeit, eine Fleißarbeit in der Arbeiterklasse zu leisten, sowie ihre kleinbürgerlichen Denk- und Handlungsweisen.

Die Krise von 52-53

Die Krise, die 1952-1953 ausbrach, war nichts als die logische Entwicklung des Opportunismus der IV. Internationalen. Der Koreakrieg führte zu einer extremen Spannung zwischen den ehemaligen verbündeten Siegermächten über Deutschland: der UdSSR auf der einen Seite, den Imperialisten auf der anderen. Das Bündnis der "demokratischen Mächte" zerbrach kaum fünf Jahre nach dem Ende des Krieges. Die IV. Internationale machte aus ihrer offensichtlichen Unfähigkeit, eine revolutionäre Organisation aufzubauen - und sei es auch nur im embryonalen Zustand - eine Theorie. Sie erklärte, dass der Weltkrieg kurz vor der Tür stehe und dass dieser Krieg einen besonderen Charakter habe: "Ein solcher Krieg würde von Anfang an den Charakter eines internationalen Bürgerkriegs annehmen, insbesondere in Europa und Asien, die schnell unter die Kontrolle der sowjetischen Bürokratie, der kommunistischen Parteien oder der revolutionären Massen gelangen würden."

In einem solchen Konflikt würden die stalinistischen Parteien eine revolutionäre Rolle spielen und, weil man keine Zeit mehr habe, revolutionäre Parteien aufzubauen (nebenbei scheinen die Genossen niemals die Zeit gehabt zu haben, welche aufzubauen), müsse man um jeden Preis in stalinistische oder sozialistische Parteien eintreten, um in die tatsächlichen Massenbewegungen Eingang zu finden. Man müsse um jeden Preis in den Kommunistischen Parteien arbeiten und drin bleiben, und dafür waren "Tricks" und Verrat nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig.

Dies bedeutete, dass man auf eine trotzkistische Organisation überhaupt verzichtete, nachdem man vorher schon auf ihr Programm verzichtet hatte. Diese Positionen waren in Wahrheit keine Wende in der Politik der IV. Internationale. Schon die Charakterisierung der Ostblockstaaten als degenerierte Arbeiterstaaten bedeutete, dass sie der Bürokratie eine revolutionäre Rolle zuschrieben, dass diese fähig sei, an Stelle der Arbeiterklasse die bürgerlichen Staaten in Arbeiterstaaten umzuwandeln, dass sie die historische Aufgabe des Proletariats übernehmen könne. Und Pablo setzte sehr auf diese Möglichkeit. Er zog daraus den Schluss, dass der Stalinismus eine "historisch fortschrittliche" Rolle einnehme. Der Eintritt in die stalinistischen Parteien war nichts anderes als logische Konsequenz dieser Auffassung. Diese Auffassung bekam in der Folge den Namen "Pablismus".

Angesichts dieses nun wirklich offen zu Tage tretenden Verrats an dem Programm der IV. Internationale war ein Teil der IV. nicht bereit, diesen weiteren Schritt nach vorne auf dem Weg der vollständigen Liquidierung des Trotzkismus mitzugehen. Die Mehrheit der französischen Sektion weigerte sich, sich in der PCF aufzulösen und schwenkte die Fahne der Revolte. Zusammen mit der englischen, neuseeländischen und der Schweizer Sektion gründete sie kurz darauf das Internationale Komitee.

Und diese Krise, die die IV. Internationale auseinanderbrechen ließ, bestätigte die Analyse, die wir von diesen Organisationen gemacht hatten. Durch ihre in erster Linie kleinbürgerliche Zusammensetzung und ihre politischen und organisatorischen Praktiken, die sie aus diesem sozialen Milieu geerbt hatten, waren sie nicht nur unfähig, sich mit der Arbeiterklasse zu verbinden. Es brachte sie auch dazu, treu allen politischen Schwankungen des intellektuellen Kleinbürgertums zu folgen, das von den Stalinisten und den Sozialdemokraten beeinflusst ist.

Bürokratische Methoden seit ... 1944

Was waren in diesen Jahren unsere Beziehungen zur IV. Internationale? Die Genossen, die am Anfang unserer Gruppe stehen, haben die POI, die französische Sektion der IV. Internationale, im Oktober 1939 verlassen. Am Anfang einfach nur, um sich von einem kleinbürgerlichen Milieu ohne bolschewistische Praktiken abzugrenzen. Und die nationalistische Haltung, die die Mehrheit der trotzkistischen Aktivisten nach 1940 und der Besatzung des Landes durch die deutschen Truppen einnahm, gab ihnen leider Recht.

In einem Text vom Juli 1943 schreiben sie: "Wir haben uns seit Beginn des Krieges der Schaffung einer Organisation von revolutionär-bolschewistischem Typus gewidmet. Der Bolschewismus setzt neben einer richtigen Politik (für uns die in "Krieg und die IV. Internationale" und dem 'Übergangsprogramm' festgelegte, die anknüpft an der Linie der ersten vier Kongresse der KI) einen wirklichen und ausgedehnten Kontakt mit der Arbeiterklasse voraus, die tagtägliche Beteiligung an ihren Kämpfen; er wird beseelt von den alltäglichen und allgemeinen Interessen der Arbeiterklasse. Um sich Bolschewistische Partei zu nennen, braucht man ein gewisses organisatorisches Gewicht, das die Leitung des Klassenkampfs im ganzen Land ermöglicht, braucht man die Traditionen von Arbeiterkämpfen. Man braucht eine günstige Bilanz von POLITISCHEN Kämpfen. In diesem Sinne kann und konnte die Parteifrage nicht durch unsere eigenen Kräfte von A bis Z gelöst werden und 1943 bleibt die Frage der Partei offen.

Aber wir haben unsere Arbeit als Arbeit in Richtung einer bolschewistischen Partei aufgefasst. Dafür war und ist uns unsere Unabhängigkeit lebenswichtig. Denn man kann die Ausbildung kommunistischer Aktivisten, die durch die Praxis des Klassenkampfs wahrhaft kommunistisch werden, nicht in einem opportunistischen kleinbürgerlichen Milieu beginnen. Wir wollten und wollen mit Hilfe geschulter Aktivisten und einer konsequenten Politik den anderen proletarischen Organisationen gegenüber eine revolutionäre Einstellung vertreten. Unser Erfolg in dieser Aufgabe kann, wenn wir in der Arbeiterklasse die Kräfte ausfindig machen, die fähig sind, mit uns die Partei zu bilden, einen Zusammenschluss aller wirklich revolutionären Aktivisten der französischen Arbeiterklasse auf kommunistischer Grundlage herbeiführen oder beschleunigen."

Wie wir gesehen haben, haben wir nicht an der Vereinigung im Jahr 1944 teilgenommen, weil sie in unseren Augen nicht zu einer positiven Vereinigung zu führen schien. Die neue Organisation, die aus dem Zusammenschluss entstand, nahm den Namen PCI, d.h. Internationalistische Kommunistische Partei (Französische Sektion der IV. Internationale) an. Wir haben bei dieser Vereinigung nicht mitgemacht, weil diese Gruppen sich weigerten, ihre eigene Vergangenheit zu überprüfen und sich ihr kritisch zu stellen. Unserer Meinung nach konnte dies nur zu den gleichen Ergebnissen führen, da dieselben Ursachen dieselben Folgen hervorbringen. Und die Geschichte hat uns leider Recht gegeben. In einem Text vom Februar 1944 schrieben wir: "Die theoretische Absegnung des Verrats am Klassenkampf nach dem Juni 1940 ist die schlimmste Tat, die die Führung der POI hatte begehen können. Die Aktivisten der IV. Internationale, die dies nicht verstehen, werden sich für morgen noch Schlimmeres vorbereiten als den Juni 1940."

Aber wir wussten, dass wir angesichts unserer kleinen Anzahl nicht in der Lage sein würden, die französische Sektion von innen heraus wieder aufzurichten. Sie war eine opportunistische Organisation geworden, und unsere einzige Hoffnung war, den besten Teilen der POI die Richtigkeit unserer politischen und organisatorischen Methoden des Bolschewismus zu beweisen und so eine Neugruppierung hervorzurufen.

Trotzdem haben wir die IV. Internationale nicht aufgegeben. Mehrere Jahre lang haben wir darum gebeten, dass eine Diskussion zu den Problemen geführt wird, die wir gestellt hatten. Man antwortete uns kurzgesagt: Tretet erst in die PCI ein, dann diskutieren wir. Die PCI warf uns vor, dass wir den Begriff IV. Internationale benutzen und ihn auf unserer Presse stehen hatten. Sie bezeichneten uns - schon seit Juli 1945 - als Provokateure und drohten uns mit einem Prozess: Denn die PCI sprach uns seit 1945 das Recht ab, uns auf die IV. Internationale zu berufen. Und das, obwohl die einzige Instanz, die diese Frage entscheiden konnte, der Weltkongress war, der erst drei Jahre später wieder tagte. Wir haben uns geweigert, auf diesem Gebiet eine Polemik anzufangen, denn wir dachten, dass eine solche Diskussion vor einem bürgerlichen Gericht der IV. Internationale mehr schaden als nützen könne. Doch wir haben die PCI um eine Untersuchungskommission gebeten, die entscheiden sollte, ob wir - die wir immer entschlossen trotzkistische Positionen vertreten haben - weniger würdig wären, uns auf die IV. Internationale zu berufen als die so genannte französische Sektion, deren Führer beim ersten nationalistischen Druck sofort zusammengebrochen waren. Selbstverständlich weigerte die PCI sich immer, eine solche Untersuchungskommission einzurichten. Daher haben wir auf unseren Veröffentlichungen den Begriff "IV. Internationale" durch den Begriff "trotzkistisch" ersetzt.

1947 hatten wir durch den Streik, den wir bei Renault im April und Mai geführt haben und der die kommunistischen Minister zwang, die Regierung zu verlassen, sichtbare Erfolge. Und später auch. Doch weder zu diesem Zeitpunkt noch zu einem anderen fand die Neugruppierung statt, auf die wir gesetzt hatten. Wir haben aus dieser Tatsache geschlossen, dass wir nicht mehr auf eine solche Neugruppierung hoffen konnten.

De facto hatte die IV. Internationale als solche schon Ende 1949 und sogar schon vor der Krise von 1952-1953 aufgehört zu existieren.

Zu dieser Zeit stand für uns nicht mehr zur Debatte, uns irgendeinem der kleinen Bestandteile der IV. Internationale anzuschließen.

Dennoch blieben unsere Positionen unverändert, außer selbstverständlich in Bezug auf eine mögliche Neugruppierung. Darauf setzten wir nicht mehr. Deshalb begannen wir eine breitere Arbeit als vor 1947. Im Januar 1957 schrieben wir: "Indem wir unsere Erfahrungen erweitern, können wir die Neugruppierung hervorrufe, die 1947 nicht erfolgt ist. Aber dieses Mal zählen wir in der kommenden Zeit nicht mehr auf die schon organisierten Kräfte, ob trotzkistische oder andere. Wir setzen auf die ergebensten und aufgewecktesten Elemente der Arbeiterklasse selber. Deshalb müssen wir unsere Erfahrung erweitern: Um die politisierten Elemente zu überzeugen, bei denen man davon ausgehen könnte, dass sie eine Erfahrung verstehen, könnte ein sichtbarer Erfolg selbst auf einem begrenzten Gebiet ausreichen. Aber um die Arbeiter ohne politischen Hintergrund zu überzeugen, werden wir Erfolge brauchen, weniger sichtbar vielleicht, aber in größerem Maßstab."

Doch wie hatte die von Leo Trotzki gegründete Organisation, wie hatte die IV. Internationale soweit kommen können?

Von der Dritten zur Vierten Internationale

Historisch ist die IV. Internationale aus der III. Kommunistischen Internationale entstanden, die ihrerseits am Morgen nach der Russischen Revolution gegründet wurde. Doch die Isolierung der Revolution führte zu ihrer Entartung und zu der der bolschewistischen Partei, deren Gewicht in der Internationale entscheidend war. So brachte die Stalinisierung der Bolschewistischen Partei die Stalinisierung der Komintern mit sich.

Ab 1923 begann Trotzki den Kampf gegen die Bürokratie, die den Staat und die Partei eroberte. Mit der Linksopposition versuchte er, die Politik Stalins zu bekämpfen, die die Eroberungen der Oktoberrevolution in Gefahr brachte (das Anglo-Russische Komitee 1926, die chinesische Revolution, die Politik der Zugeständnisse und dann der Ausrottung der Kulaken).

Zinoview und Kamenew stoßen 25-26 zu Trotzki und verlassen ihn ein Jahr später wieder, so dass er 1928 wieder alleine dasteht. In der Linksopposition vereinigt sich zu dieser Zeit eine große Zahl an Aktivisten von Format, alte Bolschewiki, die die Oktoberrevolution mitgemacht hatten. Die Beerdigung von Joffe 1927 wird ihre letzte öffentliche Demonstration sein.

Zwei Jahre später, 1929, wird Trotzki aus der UdSSR ausgewiesen und ins Exil geschickt und Stalin lässt zum ersten Mal einen Sympathisanten der Opposition ermorden: Blumkin. Das Beispiel Blumkin zeigte den Trotzkisten der Sowjetunion in gewisser Weise die einzige Zukunft, die sie erwartete: der Genickschuss.

Die Entmutigung angesichts fehlender revolutionärer Perspektiven und die Möglichkeit, dem Sozialistischen Vaterland zu nutzen, werden dazu führen, dass sich viele Mitglieder der Opposition ergeben und kapitulieren.

1929 kapituliert Karl Radek, ein Aktivist der polnischen, deutschen und russischen Arbeiterbewegungen. Ihm folgt Iwan Nikititsch Smirnow, auch der Lenin von Sibirien genannt, der Besieger von Koltschak. Es folgen Sergei Mratschkowski, Oppositionsführer, Iwan Smilga, Anführer im Baltikum, Preobraschenski, mit Bucharin Koautor des ABC des Kommunismus. Und 1934 kapituliert Christian Rakowski, der mit Trotzki seit dem Ersten Weltkrieg verbunden war, wo sie gemeinsam die internationalistische russische Zeitung von Paris Nasche Slowo herausbrachten, und der später Vorsitzender des Rats der Volkskommissare der Ukraine wird.

Aber andere, wie Wladimir Smirnow, Leiter des Oktoberaufstandes in Moskau, oder Solnzew, weigern sich, sich dem stalinistischen Diktat zu beugen. Der erste erblindete in Folge der Entbehrungen der Isolationshaft und verschwand, ohne je kapituliert zu haben. Der zweite, ein junger Bolschewik, wird im Januar 1936 an Erschöpfung sterben.

Stalin aber bereitet die fürchterlichste Schlächterei vor, die die revolutionäre Bewegung je erlebt hat. Von 1936 bis 1938 wird er die gesamte alte bolschewistische Garde eliminieren, bei der finsteren Maskerade sozialistischer Justiz, "Moskauer Prozesse" genannt. Im August 1936 werden verurteilt und exekutiert: Sinowjew, Kamenew, Jewdokimow, Bakajew, I.N. Smirnow, Mratschkowski, Ter-Vaganian. Am 23. August begeht Tomski, der während des Prozesses in Frage gestellt wird, Selbstmord. Am 23. und 30. Januar 1937 werden Pjatakow und Muralow exekutiert. Am 2. und 13. März 1938 Bucharin, Rikow, Rakowski - und das sind nur die bekanntesten - alle gestehen "im Dienst der Imperialisten zu stehen und Stalin ermordet haben zu wollen". In Russland beginnt das Massaker. Tausende unbekannte Bolschewiki, deren Name die Geschichte nie behalten wird, werden eliminiert.

Selbstverständlich entgehen die Trotzkisten diesem Schicksal nicht. In Band III seiner Biografie über Trotzki beschreibt Deutscher das Ende der Trotzkisten im Lager von Workuta. Sie kamen in dem Bergwerk im Sommer 1936 an und weigerten sich, mehr als 8 Stunden am Tag zu arbeiten (die Lagerordnung verlangte 10 oder 12 Stunden). Sie organisierten Meetings und Demonstrationen während der Moskauer Prozesse. Sie ignorierten systematisch die Lagerordnung. Von März bis Mai 1938 wurden sie alle exekutiert.

Aber das Massaker traf nicht nur die russische Partei. Alle ausländischen Revolutionäre, die sich in Moskau befanden, wurden ebenfalls Opfer der Säuberungen. Wir wollen hier nur die Deutschen Neumann, Remmele, den Spartakisten Heckert nennen; die Polen Adolf Warski, Freund von Rosa Luxemburg und Gründer der polnischen Sozialdemokratie und Veteran der polnischen KP, Lenski und Bronski, Kämpfer der russischen Revolution, Wera Koszewa.

Am 17. Dezember 1936 kündigt die Prawda an, dass "die Säuberung der trotzkistischen und anarchosyndikalistischen Elemente in Spanien begonnen hat und bis zum Schluss mit der gleichen Energie wie in der UdSSR betrieben wird". Am 17. Mai 1937 beginnt die Repression gegen die Anarchisten, die Trotzkisten und die Aktivisten der POUM.

Wie Trotzki in der Broschüre vom 20. Februar 1938 schrieb, die er dem Gedenken an seinen von der GPU ermordeten Sohn Leo Sedow gewidmet hatte: "Alle Mitglieder der früher geborenen Generation, in deren Reihe wir Ende letzten Jahrhunderts eingetreten sind, auf dem Wege zur Revolution, sind jetzt von der Bühne des historischen Geschehens weggefegt worden. Was die Strafkolonien des Zaren, die strenge Deportation, all die notdürftigen Jahre der Emigration, was der Bürgerkrieg und die Krankheiten nicht geschafft haben, das hat Stalin, die schädlichste Plage der Revolution, in den letzten Jahre vollbracht. Nach der älteren Generation wurde der beste Teil der mittleren, die mit der Welle der von 1917 entstanden ist und ihre Ausbildung in den 24 Armeen an der revolutionären Front bekommen hat, auch zerstört."

So ließ Stalin mit einer blutigen Raserei, die ihm einen Ehrenplatz im Pantheon der Arbeiter-Massenmörder einbringt, die Thiers, Dollfuss, Hitlers und anderen Francos weit hinter sich. Er ließ tausende revolutionäre Sozialisten verschwinden, die noch einige Jahre vorher das Bürgertum aller Länder zum Zittern brachten. Er brachte damit die Angst der russischen Bürokratie vor jeder Revolution zum Ausdruck. Es ist gut, sich heute daran zu erinnern, wo einige es wagen, sich Revolutionäre zu nennen und sich dabei auf Stalin berufen, der - bevor er das Väterchen der Völker wurde - zuerst einmal ihr Schlächter war.

Von Anfang seines Exils an hofft Trotzki, dass Stalin andere Aktivisten der Opposition ins Exil schickt. Aber seine Hoffnung wird enttäuscht. Er ist allein, verdammt allein. Aber nach dem Massaker an der alten Garde bleibt er das einzige Kettenglied, das das Erbe des Oktobers an die neuen Generationen weitergeben kann.

Die Aufgabe, die er unternimmt, ist beeindruckend. Er versucht, die Revolutionäre wieder zu versammeln, um den Kampf für die Revolution fortführen zu können. Aber gegen diese Handvoll Aktivisten erheben sich nicht nur die Bourgeoisie und ihr Repressionsapparat, sondern auch die stalinistische Clique, ihr Repressionsapparat und ihre Komplizen in den verschiedenen Kommunistischen Parteien.

Sehr schnell infiltrieren stalinistische Agenten und Provokateure die trotzkistische Bewegung, schüren mit dem Verrat überall Misstrauen und Unruhe, wenn sie nicht morden. Das beste Beispiel ist Mark Zborowski, Étienne genannt, stalinistischer Agent und Provokateur, der beste Freund und - wie man später erfuhr - der Mörder von Sedow, Trotzkis Sohn. Nach Sedows Tod leitete er das Bulletin der russischen Opposition und vertritt die russische Sektion beim Gründungskongress der IV. Internationale 1938.

Acht politische Sekretäre Trotzkis wurden nacheinander ermordet und in Spanien wurden alle Trotzkisten massakriert. Hinzu kommt, dass der enorme Apparat der Komintern sich seiner Tausenden Zeitungen bedient, um Kübel an Verleumdungen über sie auszuschütten.

Trotz der Folter, den Ermordungen, den Verleumdungen, den Denunziationen, trotz der fürchterlichen Bedingungen, unter denen sie leben und kämpfen, halten die trotzkistischen Aktivisten durch und beweisen einen bewundernswerten Mut.

Aber von allen trotzkistischen Aktivisten haben nur diejenigen aus der Sowjetunion eine wirkliche bolschewistische Ausbildung erhalten.

Im Ausland sind die Gruppen, die Trotzki unterstützen, hauptsächlich von mutigen Menschen gegründet worden, brillanten Intellektuellen, der Sache der Revolution vollkommen ergeben. Aber sie ähneln wenig den bolschewistischen Aktivisten, die sich ihrerseits im Laufe vieler Jahre der Repression ausgebildet haben, die durch das Feuer zweier Revolutionen und eines Bürgerkriegs gegangen waren. Sie wissen nichts von dem, was die bolschewistische Disziplin und die Arbeit in der Arbeiterklasse bedeutet. Aber ihre Schwäche ist letztlich die der III. Internationale. Von der bolschewistischen Partei auf einer programmatischen Grundlage gegründet, versammelt die Kommunistische Internationale eine gewisse Anzahl an Organisationen, einige von ihnen revolutionär, andere mehr oder weniger opportunistisch. Und die 21 Bedingungen, die eine Schranke gegen die Opportunisten aufrichten sollten, wurden leicht umgangen. In Frankreich stimmt beim Kongress von Tours die Mehrheit der Sozialistischen Partei für den Beitritt zur III. Internationale. Diese Leute hatten nicht nur keine bolschewistische Ausbildung erhalten, mehr noch: Viele von ihnen waren notorische Reformisten.

Auch die Aktivisten, die von der trotzkistischen Bewegung gewonnen werden, kommen entweder aus der II. oder aus der III. Internationale in der Zeit ihres Niedergangs - und damit aus mehr als schlechten Schulen für die Ausbildung von revolutionären Aktivisten. Von dieser Zeit an werden die kommunistischen Aktivisten nicht mehr tiefgehend ausgebildet und überhaupt nicht mehr bolschewistisch. Die Trotzkisten sind obendrein von der Arbeiterklasse isoliert, weil die Kommunistischen Parteien, die sich auf die russische Revolution berufen, in den Augen tausender Arbeiter als revolutionäre Parteien erscheinen.

Denn wenn die trotzkistische Bewegung in ihren Reihen auch Aktivisten und Sympathisanten von großem Wert zählt, wie Trotzki selber, Rosmer, Cannon in den USA, der Italiener Blasco, so hat sie keine mittleren Kader, die mit den Massen verbunden sind und in der Lage sind, das Skelett einer revolutionären Partei zu bilden.

Durch den Stalinismus aus der Arbeiterbewegung verjagt, rekrutiert die trotzkistische Bewegung vor allem bei den Intellektuellen. "Das Übergewicht der Intellektuellen in einer [revolutionären] Organisation, schreibt Trotzki, ist in der ersten Phase ihrer Entwicklung kaum zu vermeiden." Aber diese Intellektuellen hatten in den Jahren 1928 - 1933 nicht die Möglichkeit, in den Arbeiterkämpfen aktiv zu sein und hatten weder eine Ausbildung noch wirkliche kommunistische Traditionen.

All dies führt dazu, dass die trotzkistische Bewegung einen kleinbürgerlichen Charakter bekommt, die jede weitere Entwicklung der IV. Internationale zufällig macht. Wenn auch das Übergewicht von Intellektuellen in der ersten Zeit ihrer Entwicklung zwangsläufig ist - dauert dieser Zustand an, so führt dies zwangsläufig zu politischen und organisatorischen Deformationen. Wir werden versuchen, die Folgen aufzuzeigen, die der Einfluss des kleinbürgerlichen Milieus und seiner Ideologie in den Reihen der Revolutionäre der IV. Internationale hatte.

Bei der Verkündung der IV. Internationale 1938 war ein ganzer Teil der Trotzkisten der Auffassung, dass diese Entscheidung verfrüht und willkürlich sei. Einige trotzkistische Gruppen weigerten sich daher, zu einer IV. Internationale aufzurufen und kämpfen weiterhin "Für eine IV. Internationale".

War die Verkündung der IV. Internationale verfrüht? Nein, wir denken nicht. Selbstverständlich dachte Trotzki damals nicht, dass man vor dem kurz bevorstehenden Krieg wirklich die IV. Internationale aufbauen könnte. Sie existierte zwar, mit Sektionen in vielen Ländern. Aber fast nirgendwo waren diese Sektionen zahlenmäßig stark, was nicht sehr schlimm war, aber nirgendwo waren sie mit den Massen verbunden, und das war schlimmer.

Man musste sie trotzdem gründen. Das war kein Fehler, denn es war notwendig, vor den Augen aller Arbeiter angesichts des nationalistischen und chauvinistischen Verrats der stalinistischen und sozialdemokratischen Parteien die Werte des Internationalismus laut zu verkünden.

Der Weltkrieg musste irgendwann eine revolutionäre Situation, eine revolutionäre Krise hervorrufen. Es war notwendig, dass die Massen eine internationalistische Fahne hatten, um die sie sich versammeln konnten. In Zimmerwald und Kiental hatten die Internationalisten während des Ersten Weltkrieges bereits die Pflöcke einer zukünftigen Internationale eingeschlagen.

Hier nahmen sich die Aktivisten der IV. Internationale dieser Aufgabe mit Vorsprung an, und sie mussten dies tun!

Alles andere hätte bedeutet, vor der Verantwortung der Stunde zu desertieren. Es musste getan werden unabhängig von dem kurzfristig erwarteten Erfolg. Denn für Trotzki und seine Genossen musste man sich den Aufgaben der Stunde stellen und nicht bessere Tage abwarten, um seine Pflicht gegenüber seiner Klasse zu erfüllen.

Wenn Trotzki nicht die IV. Internationale gegründet hätte, dann hätte Isaac Deutscher ihm sicher zugestimmt, aber weder wir noch ihr wärt heute hier.

Die Ermordung von Leo Trotzki zwei Jahre später war ein irreparabler Schaden für die Arbeiterbewegung im Allgemeinen und für die IV. Internationale im Besonderen.

Zu seinen Lebzeiten schaffte es Trotzki, in der trotzkistischen Bewegung auf politischer Ebene eine - sehr relative - Kohäsion zu erhalten. Er alleine verkörperte die theoretischen Errungenschaften eines halben Jahrhunderts an Arbeiterkämpfen und der Revolution. Er war, ohne jemanden beleidigen zu wollen, der einzige theoretische Kopf der IV. Internationale und ihre Führung.

Und seine Person verdeckte den mehr oder weniger latenten Opportunismus der Sektionen.

Und jetzt?

Die IV. Internationale hat während des Krieges und nach dem Krieg keine entscheidende Rolle gespielt. Vor 15 Jahren ist sie vollkommen zusammengebrochen. Heute beruft sich eine Vielzahl von Gruppen auf die IV. Internationale, mit mehr oder weniger Recht.

In Frankreich behaupten zwei Gruppen von sich, Tendenzen der IV. Internationale zu vertreten und zwei weitere behaupten, die IV. Internationale zu sein.

Da ist zunächst die PCI, die Internationalistische Kommunistische Partei (Französische Sektion der IV. Internationale), deren Sekretär der Genosse Pierre Frank ist. Wir haben mit diesen Genossen eine Vielzahl von politischen Meinungsverschiedenheiten. Wir haben unterschiedliche Einschätzungen zum Stalinismus, zu den Ländern der Dritten Welt (Kuba, Algerien) und zu taktischen Fragen, die sich daraus ableiten, wie zum Beispiel unsere Arbeit in den Betrieben.

Außerdem schmücken sich diese Genossen mit dem Mythos einer Internationale, die nur noch in ihren Köpfen existiert, und ihrer 30 Sektionen, die selbstverständlich von Weltkongress zu Weltkongress immer stärker werden und deren theoretisches Niveau und Reife sich selbstverständlich ständig verbessern.

Dies könnte als eine harmlose Marotte durchgehen, wenn diese Genossen nicht im Namen einer Phantom-Internationale den Gruppen, die sich ihr anschließen oder sich ihr anschließen wollen, eine Disziplin auferlegen, die ihrerseits sehr real ist. Die Meinungsverschiedenheiten sind also zu tiefgreifend und nehmen beständig zu, so dass eine gemeinsame Arbeit nicht denkbar ist.

Aus dieser Gruppe sind zwei weitere Tendenzen hervorgegangen.

Die erste ist die PCR(t) - IV. Internationale - die dem ehemaligen lateinamerikanischen Büro der IV. Internationale angeschlossen ist und deren bekanntester Aktivist Posadas ist. Er hat mit der Tendenz von Frank im Jahr 1962 gebrochen. Es fällt uns sehr schwer, diese Genossen einzuschätzen. Denn wenn wir auch über eine gewisse Anzahl an Texten verfügen, von denen wir sicher sind, dass sie von der PCR(t) stammen, so erinnern andere sehr stark an Zeitungsenten und schlechte Scherze, und für die letzteren wären wir gezwungen, das Gebiet der politischen Analyse zu verlassen, um uns mitten hinein in das heikle Feld der Psychoanalyse zu begeben. Nehmen wir zum Beispiel die letzte Broschüre, die man dem Genossen Posadas zuschreibt: "Die Rolle der anti-imperialistischen Soldaten, und die Revolutionäre, die Rolle der Trotzkisten, das Programm und die Aufgaben während und nach dem Atomkrieg." Der Titel an sich ist schon ein ganzes Programm. Unbestreitbar ist der Genosse sehr weitsichtig. Die Probleme des Atomkriegs scheinen ihm vertraut zu sei. Der Atomkrieg, so sagt er im Grunde, wird für das Bürgertum nachteilig sein, nicht nur weil es schon 14 Arbeiterstaaten gibt, sondern weil 9 weitere dabei sind, sich zu bilden: Sansibar, Algerien, Irak, Ägypten, Mali, Guinea, Kambodscha, Laos, Birma. Er hätte auch noch die Grafschaft von Monaco, die freie Kommune von Montmartre und die Ile de Ré hinzufügen können, und wenn er dies nicht getan hat, dann kann es nur aus Vergesslichkeit sein.

Ein anderes Problem größter Wichtigkeit, das der Atomkrieg stellen werde: der Tausch. "Eines der wesentlichen Probleme, die sich im Atomkrieg stellen wird, ist die Frage, wie man tauschen wird? Auf welcher Grundlage? Derjenige, der Schuhe möchte, wird sagen: Warum sollte man mir Geld geben, wenn ich damit nichts kaufen kann?" Und um mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, endet er mit Ratschlägen an die Aktivisten. Man muss "versuchen, sich im Vorfeld und während des Krieges mit allem zu versorgen, mit dem man die radioaktive Strahlung bekämpfen kann (aber nicht denen folgen, die uns sagen, dass man sich in einem Keller verstecken sollen - nein, diejenigen werden wir in einen Keller stecken!)." Als Minimalprogramm schlüge er also quasi einen Lehrgang über Radioaktivität vor. Ich werde hier mit den Zitaten aufhören und hoffen, dass die Genossen begreifen, wie gering die Möglichkeit ist, mit den wirklichen oder vermuteten Mitgliedern der PCR(t) zusammenzuarbeiten.

Die dritte Gruppe ist diejenige, die vom ehemaligen afrikanischen Büro der IV. Internationale gebildet worden ist und die sich heute "Revolutionär-Marxistische Tendenz der IV. Internationale" nennt. Ihr Anführer ist Michel Pablo. Er war lange Zeit der Theoretiker und einer der führenden Mitglieder der IV. Internationale. Er wurde letztes Jahr ausgeschlossen.

Es scheint uns, dass diese Genossen immer mehr den Marxismus verlassen. Das Zentrum der Revolution hat sich für sie in Richtung der Dritte-Welt-Länder verschoben und die Bauernmassen nehmen den Platz des Proletariats ein, um dessen historische Rolle zu erfüllen. Und im Namen eines Anti-Dogmatismus, eines durchdringenden dialektischen Blicks auf die moderne Welt, schreiben sie in ihren Thesen mit dem Titel "Marxismus und unsere Zeit" vom Juni 1965: "Wie der Erste Weltkrieg die Ära der Sozialdemokratie abgeschlossen und die Ära der Entfaltung der bolschewistischen Denk- und Handlungsweise eröffnet hat, so hat der letzte Weltkrieg die Ära des Marxismus geschlossen, die hauptsächlich von den Erfahrungen des Bolschewismus genährt wurde."

Und weiter unten: "Die Zukunft der revolutionär-marxistischen Kräfte der IV. Internationale liegt in ihrer möglichen Fusion mit neuen revolutionären Kräften, die sie mit Hartnäckigkeit suchen müssen und die vor allem in der kolonialen Revolution und dem Entstalinisierungs-Prozess der Arbeiterstaaten und der Kommunistischen Parteien entstehen können."

Wir werden diese Genossen - ohne ihnen zu folgen - den Bolschewismus über Bord werfen lassen und sie mit Hartnäckigkeit ein Bündnis mit dem kolonialen Kleinbürgertum und den liberalen Stalinisten (die eine andere Variante von Kleinbürgern sind) suchen lassen. Was uns betrifft, so werden wir, getreu Lenin und Trotzkis, weiterhin auf dem Gebiet der Arbeiterklasse kämpfen.

Die vierte Gruppe - wir entschuldigen uns für diese mühsame Aufzählung, die wir selber als erste bedauern - ist die französische Sektion des Internationalen Komitees, die La Vérité und Informations Ouvrières herausbringt. Sie sind von allen trotzkistischen Genossen diejenigen, die uns am nahsten stehen. In vielen Fragen treffen wir die gleichen Analysen (Kuba, der Stalinismus, Algerien).

Dennoch bestehen Meinungsverschiedenheiten nicht nur in Bezug auf wesentliche politische Fragen (zum Beispiel den Charakter des Arbeiterstaates in den Ostblockländern und in China), sondern auch - und dies ist schwerwiegender in Anbetracht der Aufgabe, die wir uns gemeinsam gestellt haben, bezüglich der Einschätzung der Gründe, die zur Zerstörung der IV. Internationale geführt haben. Aber wir denken, dass sich diese Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer gemeinsamen internationalen Organisation regeln lassen.

Die IV. Internationale aufbauen ... aber ernsthaft

Denn wie gesagt ist eine revolutionäre Internationale mehr denn je notwendig. Auch die Tatsache, dass diese Genossen keinerlei Vorbedingungen stellen und die Tatsache, dass es sich nicht um den formellen Beitritt zu einem Teil der IV. Internationale handelt, der sich zur einzigen, wahren, authentischen revolutionären Führung des Proletariats erklärt, sondern dass es darum geht, zusammenzuarbeiten, ohne sich über die Größe unserer eigenen Kräfte zu täuschen, sind wichtige Gründe, warum wir an dieser Konferenz teilnehmen wollen.

Aber auch wenn diese Konferenz einen ersten Schritt nach vorne auf dem Weg zu einem Zusammenschluss der revolutionären Organisationen darstellt, garantiert er in keinem Fall den Erfolg dieses Versuchs. Denn die Organisationen des Internationalen Komitees scheinen eine Reihe Probleme auf falsche Art anzugehen, und diese Fehler drohen schwerwiegend die Zukunft zu kompromittieren. Wir haben daher die Absicht, bei der Konferenz unserer Verantwortung gerecht zu werden und dafür zu kämpfen, dass das Internationale Komitee seine Schwächen bekämpfen und sich - besser gewappnet - entschlossen die Aufgabe angeht, die es sich gestellt hat.

Wie werden wir auf der Konferenz eingreifen?

1°) Auf theoretischer Ebene ist es notwendig, die moderne Welt im Licht der marxistischen Theorie neu zu analysieren. Es geht uns dabei nicht darum, die Analyse des Charakters der Sowjetunion in Frage zu stellen. Die Analyse, die uns Trotzki gegeben hat, ist die vollständigste, die bis her gemacht wurde und ihr Wert scheint uns bislang vollkommen zu sein! Aber das Internationale Komitee hat eine gewisse Zahl an Analysen der IV. Internationale geerbt, die uns vollkommen falsch scheinen. Und auf theoretischer Ebene führt dies die Genossen zu unauflöslichen Widersprüche. Zum Beispiel sprechen diese Genossen vom chinesischen Arbeiterstaat und vom kubanischen bürgerlichen Staat. Wenn man jedoch den Vorgang analysiert, der zur Gründung dieser beiden Staaten geführt hat, dann sehen wir keinerlei grundlegende Unterschiede zwischen beiden. Aber während ihre Analyse des kubanischen Staates nach ihrem Bruch mit dem Pablismus entstanden ist, ist ihre Analyse Chinas diejenige, die sie direkt - und ohne eine Zeile an ihr zu ändern - von der so genannten pablistischen Internationale geerbt haben. Und die Tatsache, dass sie zwei Auffassungen zu ein und demselben Phänomen nebeneinander bestehen lassen können, zeigt einen gewissen Mangel an Ernsthaftigkeit und Strenge bei der Anwendung der marxistischen Analysemethoden und beweist, dass diese Genossen trotz ihrer Beteuerungen der Theorie nicht genug Aufmerksamkeit schenken.

Und noch lange nach ihrem Bruch mit Pablo verteidigen diese Genossen noch die Theorie der entarteten oder deformierten Arbeiterstaaten für den Ostblock. Dieser Ausdruck steht in der Resolution, die das Internationale Komitee herausgegeben hat.

2°) Dann ist es von größter Wichtigkeit, sehr klar die Ursachen zu analysieren, die zum Scheitern der IV. Internationale geführt haben. Dies ist die Bedingung sine qua non um nicht dieselben Fehler zu begehen und ebenfalls zu scheitern. Die Analyse, die uns diesbezüglich das Internationale Komitee vorweist, zeugt ebenfalls von einer gewissen theoretischen Unzulänglichkeit. Wir lesen unter anderem in dem Text des Internationalen Komitees: "Der kleinbürgerliche Opportunismus hat sich als revisionistische Tendenz herauskristallisiert und alle Sektionen der trotzkistischen Bewegung durchdrungen. Dies hat die IV. Internationale zerstört..." (S.9). Und weiter unten: "Ein solches Zentrum [das heißt das Internationale Sekretariat von Pablo] diskutierte nicht über die lebendigen Erfahrungen der Sektionen während der Entwicklung des Programms und der marxistischen Theorie, sondern sie ließen die Sektionen entweder ohne Führung oder griffen bürokratisch (auf der Grundlage der ,bolschewistischsten' Statuten) ein, um den Sektionen eine internationale Linie aufzuzwingen." (S.17)

Doch woher kam diese revisionistische Tendenz? Wie hat sie sich nicht nur entwickeln können, sondern sich sogar in der Internationale durchsetzen können? Wir finden nirgendwo eine zufriedenstellende Erklärung für dieses Phänomen. Die bürokratischen Methoden Pablos erklären nichts. Ein Teil der Gruppen des Internationalen Komitees, die mit Pablo 1953 politisch und organisatorisch gebrochen hat, haben sich ihm 10 Jahre später ohne möglichen bürokratischen Druck wieder angeschlossen. Genauso wenig zufriedenstellend ist eine andere Erklärung, die erklärt: "dass die revisionistische Entartung im Inneren der IV. Internationale ein internationales Klassenphänomen ist, das einher geht mit den Bedürfnissen des Imperialismus in der höchsten Phase seiner extremen Widersprüche und der Abhängigkeit seines Überlebens von der stalinistischen Bürokratie, von der Sozialdemokratie und den nationalistischen Führern." (S.16)

Aus der objektiven Lage (der Krise des Imperialismus) eine der Gründe für die Zerstörung der IV. Internationale zu machen, bedeutet letztlich die eigene Verantwortung für diese "Lage" zu minimieren. Wenn die objektive Lage auch das Entstehen einer kleinbürgerlichen Tendenz in der IV. Internationale erklären kann, so erklärt es absolut nicht, warum sich die Mehrheit der Sektionen dieser Tendenz angeschlossen hat.

Denn weit davon entfernt, im Pablismus einen Fremdkörper zu sehen, der die IV. Internationale durchdringt, hat die große Mehrheit der Sektionen in Pablo ihr eigenes Bild erkannt. Ein kleinbürgerliches Bild, sicher, ein opportunistisches Bild, sicher, aber eben weil die IV. Internationale seit dem Tod Trotzkis eine opportunistische und kleinbürgerliche Organisation geworden war.

Zu behaupten, dass die IV. Internationale wegen Pablo gescheitert wäre, wegen seiner organisatorischen Methoden und seiner Politik, das hieße seine Bedeutung größer darzustellen, als sie ist. Das hieße, aus ihm eine Art genialen politischen Betrüger zu machen, dem es nicht nur gelungen wäre, hunderte revolutionäre Aktivisten zu verklären, sondern dem es auch gelungen wäre, dass diese sich durch ein "Hinüberwachsen sui generis" in opportunistische Kleinbürger verwandeln, in das linke Feigenblatt der Bürokratie und Flanke des Bürgertums.

Diese Genossen sehen die wirklichen Probleme nicht, weil sie sich ein Tuch vor die Augen binden. Und dieses Tuch heißt Pablo. Aber wenn man mit verbundenen Augen läuft, droht man zu stürzen. Und wenn die Blindheit dieser Genossen anhält, dann droht der Sturz unser gemeinsames Unternehmen zum Scheitern zu bringen.

Unser Beitrag in diesem Versuch einer Vereinigung wird also darin bestehen, zu versuchen diese Genossen dahin zu bringen, die Ursachen der Entartung der IV. Internationale korrekt zu analysieren.

Das heißt, dass wir nicht nur unsere Analyse, die ich soeben vorgetragen habe, verteidigen werden, sondern - was damit zusammenhängt - dass wir auch die organisatorischen Methoden verteidigen werden, mit denen man die kleinbürgerlichen und opportunistischen Elemente von den trotzkistischen Organisationen fernhalten kann.

Als am Vorabend des Krieges in der amerikanischen Sektion SWP eine kleinbürgerliche Tendenz aufkam, da riet Trotzki - dem wohl niemand vorwerfen wird, die Wichtigkeit der theoretischen und politischen Erarbeitung zu unterschätzen - den amerikanischen Genossen entschlossen zu einer Reihe von organisatorischen Maßnahmen, um die Aktivisten aus dem kleinbürgerlichen Milieu auf die Probe zu stellen.

Diese Sorge, sich vor den kleinbürgerlichen Elementen zu schützen, taucht nirgendwo im Text des Internationalen Komitees auf, und das nicht ohne Grund. Mehr noch, auf politischer Ebene zeugen diese Genossen von opportunistischen Handlungsweisen, die uns große Sorgen in Bezug auf das Gelingen unseres gemeinsamen Unternehmens machen.

3°) In der Tat führt die Tatsache, dass sie nicht korrekt die Ursachen des Scheiterns der IV. Internationale analysieren, sie logischerweise dazu, die Symptome dieser Krankheit zu vernachlässigen, die die IV. Internationale hat sterben lassen und die ihre eigenen Organisationen aufweisen können. Wir werden hier alle Vorwürfe und Kritiken beiseitelassen, die polemisch scheinen könnten, und nur ein Beispiel nennen.

Offensichtlich ist in der Resolution des Internationalen Komitees eine gewisse Zahl Sätzen und Aussagen das Ergebnis einer Politik des politischen Kompromisses. Wir würden sogar sagen eines theoretischen Kompromisses, insbesondere eben in Bezug auf die Analyse des Charakters der Ostblockstaaten. Dass innerhalb des Internationalen Komitees und sogar innerhalb der Organisationen, die ihm angehören, Meinungsverschiedenheiten existieren, ist normal. Aber dass ein Orientierungstext halb Fisch, halb Fleisch ist, um niemanden zu schockieren, ist doch eine wenig ernsthafte Art und Weise, die schwerwiegende Folgen für die Zukunft haben kann, und zwar auf zwei verschiedenen Ebenen.

Zunächst einmal ist eine solche Art von Kompromiss ein Zeichen dafür, wie politische Probleme gestellt oder besser gesagt nicht gestellt werden. Man kann sich viele Kompromisse vorstellen, aber ganz sicher keine auf der Ebene der Ideen. Hier muss man klar seine Gemeinsamkeiten und Unstimmigkeiten formulieren, aber nicht einen Text schreiben, der weder die Position der einen, noch die der anderen wiederspiegelt und der einzig dazu dient, eine recht erbärmliche Fassade der Einheit zu errichten. Und wen will man, wen hofft man damit zu täuschen?

Und zweitens ist dies von gravierender Bedeutung für die Zukunft, weil es in theoretischer und organisatorischer Hinsicht die internationale Führung in Verruf bringt, die wir wieder aufbauen wollen. Nur mit viel Strenge und keinem Kompromiss dieser Art kann die zukünftige IV. Internationale das politische Vertrauen gewinnen kann, das alle seine Sektionen brauchen. Diese Internationale muss der Anziehungspunkt werden, ein revolutionärer Führer der gesamten Welt.

Die Resolution des Internationalen Komitees lässt hierfür nichts Gutes ahnen. Und um das Vertrauen aller zu gewinnen und zu verdienen, müssen diese Genossen auch Anstrengungen unternehmen, aus ihrer Methodologie die politischen Praktiken zu verbannen, die weder marxistisch, noch bolschewistisch, noch trotzkistisch sind.

Unsere Kritik auf diesem Gebiet wird freundschaftlich sein und so weit wie möglich konstruktiv, denn wir sind die ersten, die hoffen, dass die revolutionäre Internationale wiedergeboren wird. Aber sie wird entschlossen sein müssen. Keiner braucht auf uns zählen, wenn es darum geht, einen Kompromiss dieser Art zu akzeptieren - oder auch nur ihn zu sehen und ihn trotzdem nicht anzuprangern.

4°) Dies sind die wesentlichen Punkte unserer Beteiligung an der Diskussion. Wir machen uns jedoch wenige Illusionen über die Schwierigkeiten eines solchen Wiederaufbaus. Es kann sein, dass die Genossen des Internationalen Komitees sich sehr einfach unsere Analyse zu Eigen machen. Viel schwieriger wird es sein, das tägliche Handeln in Einklang mit dieser Analyse zu bringen.

Die verschiedenen Gruppen der IV. Internationale sind nicht immer wirklich in der Arbeiterklasse verankert. Der Druck des kleinbürgerlichen Umfeldes ist immer noch genauso spürbar wie in der Vergangenheit. Sich von diesem Umfeld abzugrenzen ist eine sehr schwere Angelegenheit, vor allem wenn die politischen Ereignisse dafür sorgen, dass unsere Ideen mehr Erfolg im intellektuellen Milieu haben als in dem Milieu der Industriearbeiter. Selbst rigorose politische und organisatorische Handlungsweisen schützen uns nicht immer vor diesem Druck und seinen politischen Auswirkungen. Wir erleben dies selbst jeden Tag.

Aber eine Sache ist sicher, und wir können dies leider mit derselben Gewissheit wie 1944 sagen: Wenn die Aktivisten und die Organisationen des Internationalen Komitees sich nicht sofort mit diesen Fragen auseinandersetzen und sich die moralischen und materiellen Mittel geben, sie zu lösen, dann wird ihr Versuch und damit auch der unsere, da wir solidarisch sind - erneut scheitern.

Wir werden noch mehrere Jahre warten müssen, bis neue Generationen vielleicht unter anderen Bedingungen zum Trotzkismus kommen und wirklich eine revolutionäre Internationale aufbauen werden - eine Internationale, die man dann ganz sicher V. Internationale nennen wird, weil sie die endgültige Niederlage einer ganzen Generation von Aktivisten bestätigen wird.

Wir wünschen uns dies nicht. Wir hoffen, ernsthaft genug dafür zu kämpfen, dass dieser Versuch der richtige sein wird.