Protektionismus: eine Waffe der Kapitalisten im Konkurrenzkampf, eine Falle für die Arbeitenden

Drucken
April 2018

Protektionismus: eine Waffe der Kapitalisten im Konkurrenzkampf, eine Falle für die Arbeitenden

Der folgende Artikel ist die Übersetzung eines Artikels aus der Zeitschrift Lutte de Classe (April 2018). Der Artikel erschien Ende März 2018. Zu diesem Zeitpunkt hatte Trump die Drohung ausgesprochen, Zölle von 25 Prozent auf Stahl und von 10 Prozent auf Aluminium zu erheben sowie in größerem Umfang chinesische Importe in die Vereinigten Staaten zu besteuern. Zu diesem Zeitpunkt waren die möglichen Folgen dieser Ankündigungen noch ein Szenario der Zukunft. Seitdem ist der Handelskrieg zu einer Realität geworden, hat an Schärfe gewonnen und bereits merkliche Auswirkungen auf die Bevölkerungen in China, in der Türkei ...

Trumps Ankündigung hat in Frankreich eine Kontroverse über den Protektionismus ausgelöst. In Wirtschafts- oder Unternehmerkreisen waren einige beunruhigt wegen der drohenden Gefahr eines Handelskrieges und forderten Vergeltungsmaßnahmen der Europäischen Union.

Auf der anderen Seite hat auch der Protektionismus viele Anhänger in Frankreich, und dies nicht nur in den konservativen und rechtsextremen Parteien. Politische Strömungen, die vorgeben, die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten, von der Kommunistischen Partei bis zur Bewegung "Unbeugsames Frankreich" (von Mélenchon), aber auch zahlreiche Gewerkschaftsvertreter fordern protektionistische Maßnahmen.

Sie verteidigen die Idee, dass protektionistische Maßnahmen die Arbeitsplätze in Frankreich schützen würden. Sie sagen damit im Grunde, dass es im Rahmen des Kapitalismus eine Wirtschaftspolitik geben könne, die für die Arbeiter vorteilhaft sei und ihnen einen Ausweg aus der Krise bieten könne, und dass die Arbeiter sich daher für eine solche kapitalistische Wirtschaftspolitik einsetzten sollten - was in Wahrheit bedeutet, die Arbeiterklasse vor den Karren des Bürgertums zu spannen.

Freihandel und Protektionismus: zwei sich ergänzende Waffen der Kapitalisten

Je nach Situation, Kräfteverhältnis, Machtverhältnissen, Branche und Land können Kapitalisten Anhänger des freien Handels oder des Protektionismus, sein. In der Regel sind Kapitalisten für den freien Warenverkehr, wenn sie mächtig sind oder in der Lage, billiger zu produzieren als ihre Konkurrenten. Wenn sie hingegen schwächer und weniger wettbewerbsfähig sind, versuchen sie ihren Binnenmarkt durch Zollschranken und Einfuhrzölle zu schützen.

Die meiste Zeit des 19. Jahrhunderts hatten die britischen Industriellen die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt und waren daher gegenüber ihren französischen und vor allem deutschen und amerikanischen Konkurrenten Anhänger des Freihandels. Diese Zollpolitik war das Ergebnis eines langen Machtkampfes zwischen den Industriellen aus Manchester (die Anhänger des Freihandels waren) und den Großgrundbesitzern (die Getreideimporte verhindern wollten, um ihr Monopol auf dem heimischen Markt nicht zu verlieren).

Wie immer versuchte jede Fraktion des Bürgertums, ihre Interessen als die Interessen der Allgemeinheit zu verkaufen. Die freihändlerischen Industriellen taten so, als sorgten sie sich um die Kaufkraft der Arbeiter, während die Protektionisten - schon damals - erzählten, die Zölle würden die Arbeitsplätze schützen. Die junge Arbeiterbewegung, die von den Chartisten verkörpert wurde, nutzte diese politische Aufregung, um Propaganda für die Klasseninteressen der Arbeiter zu machen, ohne sich dabei vor den Karren eines der beiden bürgerlichen Lager spannen zu lassen. In dieser Debatte verteidigte Marx nicht den Protektionismus, sondern versuchte an die Zukunft zu denken und herauszufinden, was die Arbeiterklasse zahlenmäßig und politisch stärken würde. Und so erklärte er im Januar 1848: "Im allgemeinen ist heutzutage das Schutzzollsystem konservativ, während das Freihandelssystem zerstörend wirkt. Es zersetzt die bisherigen Nationalitäten und treibt den Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie auf die Spitze. Mit einem Wort, das System der Handelsfreiheit beschleunigt die soziale Revolution. Und nur in diesem revolutionären Sinne, meine Herren, stimme ich für den Freihandel." (Rede über die Frage des Freihandels).

Die Vereinigten Staaten waren lange Zeit protektionistisch, um der sich entwickelnden amerikanischen Industrie de facto ein Monopol auf ihrem riesigen Binnenmarkt zu sichern und sich damit vor der Konkurrenz der europäischen Industriellen zu schützen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen waren die Vereinigten Staaten unbestritten zur größten imperialistischen Macht geworden. Und nun wurden auf einmal sie zu den großen Verfechtern des Freihandels - im Gegensatz zu den europäischen Bourgeoisien ein, die auf dem gesamten europäischen Kontinent Zölle oder Importquoten eingeführt hatten und die versuchten, ihre kolonialen Absatzmärkte für sich allein zu behalten. Die USA verlangten nicht nur freien Zugang zu allen bislang geschützten Märkten Europas. Sie drängten die europäischen Länder auch dazu, ihre technischen und Hygienestandards zu vereinheitlichen, damit sie (die USA) ihre Waren auf einem etwas einheitlicheren Markt verkaufen konnten. Dieser amerikanische Druck, die zentrale Rolle des Dollars im Welthandel und insbesondere die enorme Entwicklung des internationalen Handels nun, da die 1930er Jahre mit ihrer nationalen Abschottung und der Zweite Weltkrieg mit seinen Zerstörungen vorbei waren, beschleunigten die Einrichtung von Freihandelszonen, unter anderem der EU. Der Aufbau dieser Freihandelszonen war immer Gegenstand endloser Feilschereien, bei denen die Lobbyisten im Dienste dieser oder jener Kapitalistengruppe endlos taktierten.

In Wahrheit haben die Staaten stets beide Handelspolitiken gleichzeitig verfolgt. Mal die eine, mal die andere, je nach Wirtschaftszweig und Handelspartner. Protektionistische Maßnahmen und Handelsabkommen sind zwei einander ergänzende Waffen. Die Staaten setzen sie beide ein in dem ständigen Handelskrieg zwischen den Kapitalisten, deren Interessen sie verteidigen. Internationale Verträge wie TTIP oder CETA, die die Befürworter des Protektionismus zu Unrecht für Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung verantwortlich machen, sind nichts als der vertragliche Ausdruck eines zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Kräfteverhältnisses zwischen verschiedenen Kapitalgruppen. Trotz jahrzehntelanger mühsam ausgehandelter Handelsabkommen zwischen Staaten oder Staatengruppen hat der Protektionismus nie aufgehört und nimmt viele Formen an. Der Handel ist weder frei noch fair, in ihm herrscht das Recht des Stärkeren wie im gesamten Kapitalismus.

Im internationalen Handel gilt das Recht des Stärkeren

So sind die europäischen Kapitalisten seit Monaten von Trumps Entscheidung abhängig, ob dieser das iranische Atomabkommen verlängert oder nicht. Der vielversprechende iranische Markt mit seinen 80 Millionen Einwohnern ist verlockend für Airbus, Renault, PSA und BNP. Doch ihre geschäftlichen Aktivitäten werden eingeschränkt durch die latente Gefahr, im Fall einer Verletzung des Embargos mit Vergeltungsmaßnahmen der USA rechnen zu müssen. 2014 musste (die Bank) BNP-Paribas an das US-Finanzministerium eine Geldstrafe von 9 Milliarden Dollar zahlen, weil sie das Embargo gegen den Iran nicht eingehalten hatte, während sie gleichzeitig in den USA Geschäfte machte. Die europäischen Unternehmen wollen nicht vom amerikanischen Markt ausgeschlossen werden. Außerdem sind sie vom Dollar und vom internationalen Bankensystem abhängig, das im internationalen Handel unumgänglich ist. Daher können sie die politischen oder diplomatischen Entscheidungen der USA nicht ignorieren. Umgekehrt jedoch kann die US-Regierung jederzeit beschließen, das Embargo für Boeing oder andere US-Unternehmen vorübergehend aufzuheben. Eben weil die Vereinigten Staaten die Weltwirtschaft beherrschen und Weltpolizist sind, verfügen sie über protektionistische Waffen, die ihre Konkurrenten nicht haben.

Aber sie sind nicht die einzigen, die protektionistische Maßnahmen anwenden. Seit der Krise von 2008 hat die Organisation Global Trade Alert 2.500 protektionistische Maßnahmen identifiziert. Über verschiedene Wege (Steuern, Subventionen, Quoten, Hygienestandards) schützt Frankreich mehr als hundert Produkte. In den Vereinigten Staaten führte Obama - lange vor Trumps Wahl und seiner Rhetorik - eine 520%ige Steuer auf chinesischen Walzstahl ein. Die EU steht dem in Nichts nach, mit 47 protektionistischen Maßnahmen gegen chinesischen Stahl. Dabei ist China 2001 der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten, was ihm eigentlich freien Zugang zum Weltmarkt mit begrenzten Zöllen garantiert. Es bedarf einer gehörigen Portion Heuchelei seitens der Wortführer der imperialistischen Mächte, nicht nur des unberechenbaren Trump, um China "unlauteren Wettbewerb" oder seine angeblichen Verletzungen des geistigen Eigentums vorzuwerfen. Seit der Wiedereingliederung Chinas in den Weltmarkt Anfang der achtziger Jahre befindet das Land sich in einer untergeordneten Position. Die mächtigen westlichen Industriekonzerne nutzten chinesische Arbeiter aus, um iPhones und andere Produkte für den westlichen Markt zusammenzubauen. Ein erheblicher Teil der chinesischen Waren, die in die Vereinigten Staaten exportiert und die für das amerikanische Handelsdefizit verantwortlich gemacht werden, werden in Wahrheit von Tochtergesellschaften oder Subunternehmern japanischer, koreanischer, aber auch amerikanischer Firmen mit Sitz in China hergestellt. Andererseits verkaufen westliche Kapitalisten seit etwa zwanzig Jahren ihre Autos, Hochgeschwindigkeitszüge oder Flugzeuge auf dem boomenden chinesischen Markt - und zwar lange Zeit ohne ernstzunehmende heimische, also chinesische Konkurrenz. Die unternehmerfreundliche Presse empört sich immer wieder darüber, das über die Jointventures technologisches Wissen in die Hände Chinas gelangen. Doch diese Technologietransfers sind letztlich nichts als eine kleine Wiedergutmachung für den Mehrwert, den die westlichen Kapitalisten aus den chinesischen Arbeitern herausgepresst und geraubt haben.

Und was die Subventionen betrifft, die der chinesische Staat seinen Stahlkonzernen zahlt und die die westlichen Kapitalisten immer als "unlauteren Wettbewerb" anprangern, da kann man nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Als ob die westlichen Konzerne nicht jedes Jahr von ihren jeweiligen Staaten hunderte Milliarden an Steuergutschriften oder Forschungssubventionen bekommen würden!

Die großen Konzerne passen sich immer den Gegebenheiten an

Der angebliche unlautere Wettbewerb Chinas oder anderer Länder wie Russland wird von den Kapitalisten ständig beschworen, um neue Hilfen von der EU oder ihren nationalen Regierungen zu erhalten. Wenn man die Bosse der Stahl- oder Aluminiumkonzerne reden hört, dann könnte man meinen, sie wären die größten Gegner des unbegrenzten Sozialdumpings und wie kein anderer um den Erhalt der Arbeitsplätze bemüht. Im Jahr 2013 kam Lakshmi Mittal (der Boss des Stahlkonzerns ArcelorMittal) in die französische Nationalversammlung, um "Maßnahmen gegen den Import von Billigstahl" zu fordern, "wie sie die Vereinigten Staaten mit ihrem Buy American Act ergriffen haben". Er wurde erhört. Derselbe Konzern ist einer der größten Stahlproduzenten in den USA, seit er 2004 die Stahlwerke von Wilbur Ross gekauft hat, dem derzeitigen Handelsminister von Trump. In den USA wird Mittal zukünftig von den protektionistischen Maßnahmen profitieren, die Trump eingeführt hat - während der Konzern in Europa über den "unlauteren Wettbewerb" jammern wird, um weiteren Stellenabbau zu rechtfertigen und den Arbeitern Opfer abzuverlangen... und dabei gleichzeitig Subventionen zu fordern.

Die großen Konzerne wie ArcelorMittal sind in vielen Ländern präsent. Sie können sich bei der Verteidigung ihrer Interessen uneingeschränkt auf ihren Heimatstaat verlassen. Doch darüber hinaus passen sie sich schlicht an die jeweiligen Gegebenheiten an und nutzen alle günstigen Umstände aus. Michelin, der größte französische Autoreifenhersteller, besitzt 68 Werke in siebzehn Ländern, darunter fünfzehn in den Vereinigten Staaten und eines in Mexiko. Kurz nach der Wahl von Trump, der versprochen hatte, aus Mexiko importierte Produkte mit 35 % Importzoll zu besteuern, erklärte Dominique Sénart, Vorstandsvorsitzender von Michelin: "Wenn wir diese Reifen nicht mehr in den Vereinigten Staaten verkaufen können, dann verkaufen wir sie eben in Mexiko und Lateinamerika!" Derselbe Mann antwortete auf die Frage nach den Folgen des Brexits für seine schottische Fabrik: "Der Kursverlust des Pfund Sterling hat uns dazu gebracht, schnell zu reagieren und unsere Preise zu erhöhen. Für unser Werk in Schottland war der Kursverlust ein sehr wettbewerbsfördernder Faktor. Der Brexit bereitet Michelin also keine größeren Sorgen." Für schottische Arbeiter bedeutet der Brexit schlechtere Arbeitsbedingungen, für die Verbraucher höhere Preise. Aber für Michelin ist der Brexit ein guter Vorwand, um seine Produktivität und seinen Gewinn weiter zu steigern.

Die Verteidigung des Protektionismus: eine gefährliche Falle für die Arbeiter

Die Arbeiter können nur verlieren, wenn sie sich hinter die Forderungen ihrer Unternehmer stellen. 2016 riefen 20 europäische Gewerkschaften, darunter die CFDT und die IG Metall, zu einer Demonstration in Brüssel auf, an der 10.000 Metaller teilnahmen. Die Gewerkschaften forderten dort "wirksame Maßnahmen zum Schutz des Handels, eine vorausschauende Industriepolitik, die die Stahlindustrie fördert, mehr und bessere Arbeitsplätze und höhere Stahlproduktionskapazitäten".

Die Europäische Kommission hat sie erhört, zur großen Freude der in Europa ansässigen Stahlkonzerne wie ArcelorMittal, Riva oder ThyssenKrupp. Zwei Jahre, nachdem sie erklärt hatten, sie würden am Boden liegen, vermelden alle diese Konzerne, dass sie dank der Anti-Dumping-Maßnahmen der EU, der steigenden Verkaufszahlen und Stahlpreise Rekordgewinne erzielt haben - allein ArcelorMittal zum Beispiel 4,6 Milliarden Euro. Bei den Arbeitern gingen Kurzarbeit, Werksschließungen und Stellenabbau weiter. Mittal hat mehrere Werke in Lothringen geschlossen. In der europäischen Stahlindustrie wurden in den letzten zehn Jahren 100.000 Arbeitsplätze vernichtet. In der Stahlindustrie ist es wie in allen anderen Branchen: Die Gewinne der Kapitalisten gehen Hand in Hand mit Ausbeutung, erhöhter Produktivität, Flexibilität und niedrigen Löhnen.

Wer wie die Abgeordneten des "Unbeugsamen Frankreichs" (der Bewegung von Mélenchon) und der Kommunistischen Partei Frankreichs oder - auf der anderen Seite des politischen Spektrums - Le Pen oder Asselineau Freihandels- oder EU-Verträge zur Hauptursache für den Abbau von Arbeitsplätzen machen und "Grenzabgaben, Zollschranken, Importquoten" fordern, fesseln die Arbeiter mit schweren Ketten an ihre Ausbeuter. Eine protektionistische Politik an Stelle des Freihandels zu fordern bedeutet die Idee zu verbreiten, dass es ein "nationales" Interesse gibt und dass die Arbeiter durch eine richtige Politik der Regierung gerettet werden könnten. Es verschleiert die soziale Natur des Staates, es verbirgt, dass er im Dienste der besitzenden Klassen steht, die ihn zu ihrem Werkzeug gemacht haben. In den Köpfen der Arbeiter soll die Vorstellung verankert werden, dass Mittal, Michelin, Bolloré usw. die gleichen Interessen hätten wie die Arbeiter, die von ihnen ausgebeutet werden. Es verbreitet das Gift der Spaltung unter den Arbeitern, indem man ihnen Sündenböcke präsentiert - die über polnische Subfirmen zum Arbeiten entsandten Arbeiter, die afrikanischen Migranten, die chinesischen Arbeiter - an Stelle der wahren Verantwortlichen für Arbeitslosigkeit und Sozialdumping, die Kapitalisten. Und warum nicht morgen die Arbeiter gegen die Arbeitslosen ausspielen, denen Macron die Leistungen streicht und die einen unterbezahlten Job annehmen müssen, um zu überleben? Sollte außerdem die Weltwirtschaft wieder in großem Stil zu protektionistische Maßnahmen greifen, würden die Preise aller Waren steigen und die einfache Bevölkerung würde dies bezahlen.

Zum Internationalismus und den kommunistischen Perspektiven zurückfinden

Die Globalisierung der Wirtschaft und der Kapitalismus sind eins. Es war die frühe Globalisierung des Handelskapitalismus mit ihrer Plünderung und Ausbeutung, die die ursprüngliche Akkumulation von Kapital und die industrielle Revolution ermöglichte. Zyklische Krisen, Massenarbeitslosigkeit und Konkurrenz zwischen den Arbeitern sind so alt wie die industrielle Revolution. Die Unternehmer haben immer Unterschiede zwischen Arbeitern zur Spaltung genutzt. So haben sie die hungerleidenden irischen katholischen Migranten gegen die englischen protestantischen Facharbeiter ausgespielt.

Aber unter dem Einfluss sozialistischer Aktivisten war die Antwort der Arbeiterbewegung weder nationale Abschottung noch Protektionismus. Eine solche Abschottung erschien ihnen sogar unvorstellbar, so sehr hatten die Entwicklung der Produktivkräfte, die Suche nach Märkten und Rohstoffen von Anfang an den Weltmarkt erfordert. Für Marxisten war die Globalisierung der Wirtschaft keine Bedrohung, sondern im Gegenteil die wirtschaftliche Basis, die die Vergesellschaftung der Produktion und damit die Befriedigung der Bedürfnisse der gesamten Menschheit möglich macht. Mit anderen Worten, die wirtschaftliche Basis einer kommunistischen Gesellschaft ist in einem einzigen Land absolut undenkbar!

Bereits 1848 bemerkten Marx und Engels: "Die Bourgeoisie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen." Damals waren diese Zeilen eine Vorwegnahme eines unumkehrbaren Prozesses, der sich vor ihren Augen abspielte. Aber im Jahr 2018 ist es keine Vorwegnahme mehr, sondern eine offensichtliche Tatsache. Der Airbus A380, der in Toulouse zusammengebaut wird und als Flaggschiff der europäischen, wenn nicht gar der französischen Technologie präsentiert wird, enthält drei Millionen Teile aus 77 verschiedenen Ländern. Zwei so grundlegende Elemente wie die Triebwerke und die Reifen kommen aus den USA, der Heimat des Konkurrenten Boeing. Dies ist nur eins von tausenden Beispielen dafür, wie absurd die Idee ist, "französisch produzieren" oder "französisch kaufen" zu wollen. Die Globalisierung ist ein unumkehrbarer Prozess. Es ist nicht die Globalisierung, die wir bekämpfen müssen, sondern den Kapitalismus! Nicht zurück müssen wir gehen, sondern nach vorne!

Die Antwort der Marxisten auf die Tatsache, dass die Arbeiter gegeneinander ausgespielt werden, war nicht Protektionismus, sondern die internationale Organisierung der Arbeiter zur Bekämpfung der Ausbeutung und letztlich zur Eroberung der Kontrolle über die Gesellschaft. Ihre Antwort lautete: "Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!"

Auf internationaler wie auf nationaler Ebene stärkte die Ausweitung des Kapitalismus das Proletariat: Seine Zahl wuchs, seine zentrale Rolle in der Produktion von Reichtum und damit gleichzeitig seien revolutionären Möglichkeiten. So ermöglichten westliche Kapitalisten durch ihre Investitionen in riesige neue Fabriken in Petrograd oder die Ölquellen von Baku um 1900 die Konzentration eines jungen Proletariats in Russland. Eben diese Verlagerungen machten die revolutionäre Explosion von 1917 möglich. Damals schlug die Arbeiterbewegung nicht vor, "in Frankreich zu produzieren", widersetzte sich nicht den Kapitalisten, die Kapital im Ausland investierten. Sie konstatierten und begrüßten im Gegenteil die gegenseitigen Abhängigkeiten aller Völker und die überholte Enge der Nationalstaaten.

Kapitalismus bedeutet Konkurrenz, Rivalitäten und Krieg - Handelskrieg, aber auch militärischen Krieg um Märkte und Absatzmärkte. Auf der anderen Seite planen die großen Konzerne innerhalb ihres Unternehmens in allen Bereichen die Produktion, rationalisieren sie und erzielen spektakuläre Kosteneinsparungen. Sie tun dies einzig zum Nutzen ihrer Aktionäre und damit unter völliger Missachtung der Völker, der Arbeiter, Verbrauchern und der Umwelt. Um aus dem Widerspruch herauszukommen, müssen wir diese Aktionäre, die die multinationalen Konzerne und die Banken besitzen, enteignen, um sie in den Dienst der gesamten Gesellschaft zu stellen. Mit anderen Worten, wir brauchen eine soziale Revolution. Der Kapitalismus hat den Planeten in eine einzige wirtschaftliche Einheit verwandelt, in der alle Regionen voneinander abhängig sind. Es ist ein unumkehrbarer Prozess. Der einzige Ausweg besteht darin, vorwärts zu schreiten, den in der Gesellschaft vorhandenen Reichtum sowie die Mittel ihn zu produzieren und zu verteilen zu vergesellschaften. Jede andere Politik bedeutet, die Kapitalisten weiterhin den Planeten verwüsteten und Arbeiter auf der ganzen Welt ausbeuten zu lassen.

Der einzige Weg, um nicht in den Abgrund zu stürzen, in den uns die kapitalistische Wirtschaft und ihre vielfältigen Widersprüche zu reißen drohen, ist wieder zum proletarischen Internationalismus zurückzufinden, das heißt zu der Idee, dass die Arbeiter keine Heimat haben. Dieser Internationalismus ist nicht nur ein Slogan. Er muss ein Kompass und ein Programm sein. Dem Liberalismus müssen wir den Kommunismus entgegensetzen, nicht den Protektionismus. Junge Leute, Intellektuelle und Aktivisten müssen sich darum bemühen, marxistische Ideen und Denkweise in der Arbeiterklasse zu verankern. Nur so werden die kollektiven Kämpfe, die unvermeidlich kommen werden, es den Arbeitern ermöglichen zu verstehen, dass sie gemeinsame Interessen haben jenseits ihres Unternehmens, ihrer Herkunft, ihrer Religion, jenseits des Landes, in dem sie leben; zu verstehen, dass ihnen gegenüber eine einzige besitzende Klasse steht, die ihre Macht fest in den Händen hält, aber denen man die Herrschaft über die Produktionsmittel entreißen muss.

27. März 2018