Trump und sein Handelskrieg (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - vom September 2018)

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Trump und sein Handelskrieg
September 2018

Die jüngsten lautstarken Äußerungen von Donald Trump machen die Aussicht auf einen weltweiten Handelskrieg wahrscheinlicher. Trump wetterte gegen die chinesischen, europäischen und kanadischen Konkurrenten der US-Kapitalisten und bekräftigte seine Entschlossenheit, das US-Handelsdefizit zu verringern. Auf seine Entscheidung, eine Reihe von Importen zu besteuern, folgten bald Vergeltungsmaßnahmen in China und Europa. Erleben wir nun also eine Rückkehr zu Zollschranken, die den Welthandel behindern und zu einer wirtschaftlichen Rezession führen könnten?

Und wie sollte man Trumps ebenso brutale wie widersprüchliche Äußerungen interpretieren? Wie viel davon sind berechnende Lügen eines Pokerspielers, der für die amerikanische Bourgeoisie verhandelt? Wie viel davon ist Wahlkampfdemagogie eines US-Präsidenten, der für die Zwischenwahlen auf Stimmenfang geht, indem er dem amerikanischen Chauvinismus schmeichelt? Was hat sich durch die Wirtschaftskrise in den Beziehungen zwischen den großen Wirtschaftsmächten des Planeten verändert?

Kapitalismus ist Krieg

Seit den Anfängen des Kapitalismus besteht die Geschichte der Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen nationalen Bourgeoisien aus einer Reihe von wirtschaftlichen Auseinandersetzungen, die immer wieder in Kriege umschlagen - Kriege zur Eroberung von Kolonien, zur Sicherung von Rohstoffquellen, Waren und Kapital. Die imperialistische Rivalität zwischen den europäischen Supermächten, deren Kapital- und Produktionskapazitäten auf zu enge und zerstückelte Märkte stießen, führte schließlich zum Ersten Weltkrieg.

Seit mehr als einem Jahrhundert sind die Produktivkräfte reif für den Sozialismus. Das Niveau, das sie jetzt erreicht haben, erfordert eine rationelle und geplante Produktion, die die Bedürfnisse und Produktionskapazitäten auf der ganzen Welt berücksichtigen. Das Scheitern der revolutionären Welle von 1917-1923 hat dem Kapitalismus einen Aufschub gewährt. Die Menschheit hat dafür einen hohen Preis gezahlt. Das Überleben des Kapitalismus führte ab 1929 zu einer neuen, tiefgreifenden Weltwirtschaftskrise, die überall zu einer protektionistischen Politik der Nationalstaaten in großem Stil führte und zu einem neuen Weltkrieg, der zig Millionen Menschenleben kostete und zu nie da gewesenem Leid und materieller Zerstörung führte. Aus diesem Weltkrieg ging die USA als imperialistische Macht hervor, die den Planeten beherrscht - einer Herrschaft, von der zeitweise (bis zum Ende der UdSSR im Jahr 1991) die Länder ausgenommen waren, die unter der Führung der Sowjetbürokratie standen.

Die Vorherrschaft hat jedoch nie die Konkurrenz aufgehoben. Diese gab es permanent. Obwohl die Vorherrschaft der USA seit dem Zweiten Weltkrieg von einer weltweiten Freihandelspolitik begleitet wird, sind protektionistische Maßnahmen und Einfuhrzölle nie verschwunden.

So wurden zwar zwischen den achtziger Jahren und dem Jahr 200 verschiedene Freihandelsabkommen zwischen Staaten im Rahmen des GATT (allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) und später der WTO (Welthandelsorganisation) ausgehandelt. Doch die Gesundheits- und Qualitätsstandards wie auch die Landesverteidigung dienten als Vorwand, um zehntausende Ausnahmen vom Freihandel zu machen. Das Feilschen hörte nie auf, wie die stapelweisen Anhänge der verschiedenen unterzeichneten Verträge beweisen.

Die amerikanischen Regierungen haben die Interessen der amerikanischen Bourgeoisie überall auf der Welt verteidigt, mit allen notwendigen, einschließlich militärischen Mitteln. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es kein einziges Jahr ohne Krieg irgendwo auf dem Planeten, an dem imperialistische Mächte und allen voran die USA nicht beteiligt gewesen wären - sei es durch direkte militärische Intervention oder indirekt durch die Unterstützung von Armeen oder Milizen vor Ort. Und das gilt nicht nur für Afrika und den Nahen Osten. Vor nicht allzu langer Zeit haben die imperialistischen Absichten der USA in Bezug auf die Länder der ehemaligen Sowjetunion den Krieg in der Ukraine ausgelöst.

Der europäische Imperialismus spielt, obwohl er schwächer ist, dasselbe blutige Spiel. Vor fünfundzwanzig Jahren trugen die konkurrierenden Absichten Frankreichs und Deutschlands in Jugoslawien dazu bei, einen Krieg im Herzen Europas auszulösen.

Heute, wo der Kapitalismus immer weiter in der Krise versinkt, mit einem gesättigten Weltmarkt, sehr begrenzten produktiven Investitionen und eine Finanzialisierung bisher ungekannten Ausmaßes der Wirtschaft, verschärft sich der Wettbewerb zwischen den Kapitalisten und den Staaten, die ihre Interessen verteidigen. Noch mehr also als zu Zeiten des französischen Sozialisten Jaurès (1859-1914) "trägt der Kapitalismus den Krieg in sich wie die Gewitterwolke das Gewitter". Und diese Kriege werden nicht nur Handelskriege sein.

Die Macht des amerikanischen Imperialismus

Trumps Wahlslogan "Make America Great Again" bedeutet nicht, dass die US-Kapitalisten ihre Vorherrschaft verloren hätten. Trump hat die Senkung des Handelsdefizits zu seinem Schlachtruf gemacht, einem Defizit von rund 570 Milliarden Dollar pro Jahr, davon zwei Drittel gegenüber China. Aber die Tatsache, dass die USA mehr importieren als exportieren, ist für die US-amerikanische Bourgeoisie nicht unbedingt ein Zeichen wirtschaftlicher Schwäche.

Ein Teil dieser Importe stammt von US-amerikanischen Unternehmen im Ausland. Wenn Apple iPhones verkauft, die "Made in China" sind, gehen die Gewinne an die Apple-Aktionäre in den USA. In der heutigen Weltwirtschaft können sich hinter der Handelsbilanz eines Landes sehr komplexe Beziehungen verbergen. Michelin, Daimler, BMW und viele andere haben in den USA dutzende Fabriken, von denen aus ganz den ganzen amerikanischen Kontinent beliefern, also auch exportieren. Diese Exporte sind "Made in USA".

Umgekehrt haben Ford, General Electric und Carrier Fabriken in Europa aufgemacht oder aufgekauft. Die Produkte, die sie verkaufen, sind keine US-Exporte, aber die Gewinne gehen an die US-Aktionäre dieser Unternehmen. Die Einzelteile und Vorprodukte, die in den US-amerikanischen Fabriken verwendet werden, werden von Zulieferern hergestellt, die in einer Vielzahl von Ländern Produktionsstätten besitzen. Sie überqueren mehrmals Meere und Grenzen, bevor sie in einer Fertigungshalle zusammenkommen und zu einem neuen Produkt werden.

Da der Dollar die Währung des Welthandels ist, können die USA ihr Handelsdefizit dadurch finanzieren, dass sie dem gesamten Planeten Dollar leihen. Der US-Bundeshaushalt lebt von Krediten, indem er Staatsanleihen ausgibt, die Kapitalbesitzer auf der ganzen Welt zeichnen. Der chinesische Staat selbst hat einen Teil seines Handelsüberschusses in US-Staatsanleihen investiert. Die zentrale Rolle des Dollars im Welthandel ist für die USA eine wichtige politische Waffe.

Diese Waffe hat kürzlich große europäische Unternehmen dazu gezwungen, den Iran zu verlassen, nachdem Trump beschlossen hatte, das iranische Atomabkommen anzuprangern und das Embargo wiedereinzuführen. Wer sich nicht an das Embargo hält, dem drohen Strafen und insbesondere, dass ihm den Zugang zum US-Markt verweigert wird.

Wie Patrick Pouyanné, Vorstandsvorsitzender von Total, am 30. August 2018 gegenüber der Zeitung Le Monde erklärte: "Der Großteil des weltweiten Kapitals und des Finanzsystems liegt in den Händen amerikanischer Investoren und Bankiers: Das ist die Stärke des amerikanischen Kapitalismus. Ein Weltkonzern wie Total kann nicht das Risiko eingehen, dass ihm der Zugang zu diesen finanziellen Ressourcen verweigert wird. Es ist bedauerlich, dass die USA die Kraft ihres Systems nutzen, um ihren Willen durchzusetzen. Doch das ist die Realität unserer globalisierten Welt." Mit anderen Worten: Auch Pouyanné muss zugeben, dass das Recht des Stärkeren regiert und er sich dem beugen muss.

Die Vorherrschaft der USA ist zwar weiterhin in allen Bereichen unumstritten, in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht. Dennoch muss ihre Führungsrolle ständig verteidigt und durch deutliche Demonstrationen ihrer Stärke bekräftigt werden. Genau dies tut Trump im gegenwärtigen wirtschaftlichen Kontext, mit seinem persönlichen brutalen Stil und den politischen Visionen eines Immobilienmoguls, der nicht die gesamte US-amerikanische Bourgeoisie hinter sich hat.

China und die Vereinigten Staaten: Ungleiche Beziehungen

Trumps erstes Ziel war China. Er beschuldigte das Land des unfairen Wettbewerbs. Chinesische Unternehmen würden Waren zu Dumpingpreisen exportieren und dabei vom Staat Subventionen erhalten. Sie würden sich nicht an die Regeln der WHO halten, würden Technologietransfers erzwingen und den Zugang ausländischer Unternehmen zum chinesischen Markt beschränken. In Wirklichkeit wurde eine Vielzahl von Exportgütern aus China mit Zöllen belegt, nachdem das Land 2001 der WHO beigetreten war - insbesondere Stahl, der schon vor Trump von den Vereinigten Staaten und Europa mit hohen Zöllen belegt wurde. Die Mehrheit der amerikanischen Anti-Dumpingzölle gegen chinesischen Stahl wurde 2015 und 2016 unter Obama eingeführt. Aufgrund dieser seit längerem bestehenden Zölle gibt es jetzt schon beinahe keine chinesischen Stahlexporte in die Vereinigten Staaten.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde China wieder in den internationalen Handel integriert, jedoch in untergeordneter Position. Aufgrund der Geschichte des chinesischen Staates und des Kampfes des maoistischen Regimes um die Wiederherstellung der nationalen Unabhängigkeit zugunsten der chinesischen Bourgeoisie spielte der Staat eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von großen Unternehmen. Die entscheidende Rolle des Staates hat es den chinesischen Konzernen ermöglicht, sich einen Platz auf dem Weltmarkt zu erobern. Auch wenn sie oft auf die Rolle von Zulieferern beschränkt bleiben und von bestimmten Märkten ausgeschlossen werden, sind sie zu echten Konkurrenten ihrer westlichen Pendants in zahlreichen Wirtschaftsbereichen geworden. Die politischen Führer Chinas haben übrigens einen Plan mit dem Titel "Made in China 2025" veröffentlicht, in dem sie ihren Ehrgeiz bekräftigen, in verschiedenen technologischen Bereichen die Führung zu übernehmen.

Jahr für Jahr wachsen die chinesischen Exporte in die USA schneller als die US-Exporte nach China. Nach Angaben der Weltbank stieg das Handelsdefizit der USA gegenüber China von 80 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf 202 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 und 367 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016. China ist mit einem Marktanteil von 14% der größte Exporteur der Welt und liegt weit vor den Vereinigten Staaten (9 %) und Deutschland (8%).

Hinter diesem Handelsdefizit verbirgt sich Chinas Rolle als "Werkbank der Welt". China exportiert Schuhe, Möbel und Spielwaren, die zu geringen Kosten hergestellt werden, aber auch viele Maschinen und Elektrogeräte. Letztere stellen sie teilweise als Zulieferer für oder als Joint-Venture mit US-amerikanischen Konzernen her. An diesem ungleichen Handel will die US-Seite selbstverständlich nichts ändern. Anders jedoch bei den chinesischen Produkten, die direkt mit US-amerikanischen Produkten konkurrieren. Daher Trumps Zorn und seine "Kriegserklärung" an China - wobei er mit Krieg einen Handelskrieg meint.

Im Januar 2018 belegte Trump einseitig Solarkollektoren und Waschmaschinen mit Zöllen, im März dann Stahl und Aluminium. Damit wollte er Druck auf die Neuverhandlung von Handelsverträgen mit der chinesischen Führung und anderen Handelspartnern der USA ausüben. Von Woche zu Woche wurden auf beiden Seiten die Listen der zu verzollenden Waren oder nur noch in begrenzten Kontingenten einzuführenden Produkten länger, vor allem auf der US-amerikanischen Seite.

Ende August kündigte die US-Regierung Zölle in Höhe von 25% für eine Reihe chinesischer Importprodukte an, was etwa 50 Milliarden US-Dollar an Zolleinnahmen entspricht. Im September drohte sie mit einer Ausweitung dieser Zölle, um die Zolleinnahmen auf 200 Milliarden US-Dollar zu steigern. Laut Trumps Handelsbeauftragten, Robert Lighthizer, richtet sich die Liste gegen "Produkte, die Chinas Industriepolitik unterstützen, wobei die Folgen für die US-Wirtschaft möglichst gering bleiben sollen." Gleichzeitig hat der US-Kongress im August ein Gesetz verabschiedet, dass es den Bundesbehörden verbietet, Telekommunikationsprodukte der chinesischen Konzerne ZTE und Huawei zu benutzen. Fusionen oder Übernahmen von Elektronikunternehmen wurden verboten unter dem Vorwand, sie würden China nutzen.

Es überrascht nicht, dass Chinas führende Politiker als Vergeltungsmaßnahme US-Produkte mit Zöllen belegt haben. Sie haben sich auf landwirtschaftliche Produkte, Obst, Schweinefleisch und Soja konzentriert, die amerikanische Landwirte massenhaft nach China verkaufen. Durch diese Ausrichtung auf die landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten der USA, die mehrheitlich Trump-Anhänger sind, üben die chinesischen Führer einen gewissen politischen Druck aus. Ihr Handlungsspielraum ist jedoch geringer als bei Trump - weil sie weniger aus den Vereinigten Staaten importieren als sie exportieren, und weil ihr Binnenmarkt zu wenig Kaufkraft hat, um die von den Vereinigten Staaten mit Zöllen belegten Produkte selber zu absorbieren.

Durch Erpressung und "vollendete Tatsachen" will die Regierung Trump die Handelsbedingungen mit China neu aushandeln, anders als seine Vorgänger, die lange Verhandlungen in der WHO geführt hatten. Aber das Ziel ist dasselbe: die Interessen der US-Kapitalisten zu verteidigen.

Die US-Kapitalbesitzer sind sich jedoch keineswegs einig und stellen sich nicht geschlossen hinter Trump. Als im März die ersten protektionistischen Maßnahmen angekündigt wurden, haben sich viele Unternehmen an Washington gewandt, um Ausnahmegenehmigungen zu verlangen oder gegen diese Politik zu protestieren. Nach Angaben der US-Presse lehnten Konzerne wie IBM und General Electric die Beschränkung von Joint Ventures ab, und Banken wie Goldman Sachs und Carlyle äußerten Besorgnis über die Beschränkung von Investitionen in China. Die Stahlhersteller in den USA mochten vielleicht die protektionistischen Maßnahmen von Trump, aber die Besteuerung von ausländischem Stahl und Aluminium ließ die Preise in die Höhe schießen. Der Aluminiumpreis stieg zwischen März und Juni um 30% an, zum Ärger der amerikanischen Automobilhersteller.

Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten

Im vergangenen April ist der französische Präsident Macron vor Trump regelrecht auf die Knie gefallen. Doch Trump ist mit ihm und anderen europäischen Staatschefs genauso brutal umgesprungen wie mit den chinesischen.

US-Schulkinder lernen, dass die USA der historische Verbündete Europas sind. Ihre Beziehungen basierten jedoch immer auf Rivalität und Konkurrenz. Vor zwei Jahrhunderten verteidigte Präsident James Monroe (1817-1825) die Interessen der US-amerikanischen Kapitalisten mit der Losung "Amerika gehört den Amerikanern". Dann wechselten die USA von der Verteidigung zum Angriff, und kurz nach dem Ersten Weltkrieg schrieb Trotzki: Die USA wollen "das kapitalistische Europa "auf Ration" setzen." "Das bedeutet, dass man Europa gestatten will, innerhalb bestimmter, im Voraus festgesetzter Grenzen zu gesunden, wozu Europa bestimmte, fest umrissene Parzellen des Weltmarktes eingeräumt werden." (Aussichten der Weltentwicklung, Juli 1924).

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA den Marshall-Plan auf den Weg gebracht und die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Vorläufer der Europäischen Union) gefördert, um die US-Exporte anzukurbeln, die durch die Zersplitterung Europas in zahlreiche Einzelstaaten behindert und begrenzt wurden.

Auch wenn die europäischen Kapitalisten die Vorherrschaft der US-Wirtschaft nicht gefährden, sind sie wieder zu ernsthaften Konkurrenten geworden. Das Handelsdefizit der USA gegenüber Europa beträgt seit Jahren rund 100 Milliarden Euro pro Jahr. Die USA sind der wichtigste Kunde der EU, nach China aber auch der zweitgrößte Lieferant der EU.

Wenn Trump sich darüber beklagt, dass es "in New York zu viele Mercedes-Benz und in Berlin nicht genug Chevrolets gibt", drückt er die Besorgnis von GM über die deutschen Automobilhersteller aus, die 8% des US-Marktes beherrschen. Wenn er Deutschland dafür kritisiert, russisches Gas zu kaufen und den Bau einer zweiten Gaspipeline über die Ostsee zu unterstützen (die es Russland erlaubt, seine Exporte nach Europa zu erhöhen), verteidigt er nur die Interessen der US-Ölkonzerne, die ihr verflüssigtes Schiefergas nach Europa verkaufen möchten. Als er mitten auf dem NATO-Gipfel am 11. Juli in Brüssel twitterte, dass "die Vereinigten Staaten für den Schutz Europas zahlen und dann Milliarden beim Handel verlieren", sagt Trump nur unverblümt, was seine Vorgänger in diplomatischer Sprache sagten: Die US-Militärmacht ist dazu da, um die Interessen der US-Bourgeoisie zu verteidigen.

In ihrem Wettbewerb mit den amerikanischen Kapitalisten sind die europäischen Kapitalisten durch ihre Rivalitäten untereinander behindert. Im Gegensatz zu den USA hat die EU keinen eigenen Staat. Es ist eine reine Freihandelszone, die ständig den widersprüchlichen Interessen ihrer Mitgliedstaaten unterworfen ist, von denen jeder die Interessen seiner eigenen Bourgeoisie verteidigt.

Als sich die EU mit Vergeltungsmaßnahmen für Trumps Zölle auf europäischen Stahl rächte, schlug Angela Merkel zum Beispiel vor, stattdessen alle Zölle auf den Import von Autos nach Europa abzuschaffen - eine Idee, die bei den französischen Automobilherstellern nicht gut ankam. Trump fällt es nicht schwer, die zahlreichen Konflikte innerhalb der EU anzuheizen, indem er fremdenfeindliche Nationalisten wie Orban in Ungarn und Salvini in Italien unterstützt oder einen "harten Brexit" zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich befürwortet.

Trump schwankt stets zwischen Feindseligkeit und Gutmütigkeit. Nach einem Austausch von Drohungen gaben Trump und der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker im Juli bekannt, dass sie eine Vereinbarung getroffen hätten, die friedliche Handelsbeziehungen garantiere. Abgesehen von der Tatsache, dass sich beide Seiten bereits vor der Veröffentlichung der Vereinbarung über deren Interpretation gestritten hatten, verstärken Trumps Äußerungen die Spannungen, die Instabilität und die Spaltungstendenzen innerhalb der EU.

Zahlreiche Präzedenzfälle

Trump ist nicht der erste US-Präsident, der für eine protektionistische Politik eintritt. Im Jahr 2002 setzte sich George W. Bush über die Regeln der WHO hinweg und führte hohe Zölle auf europäischen Stahl ein. Die EU reagierte, indem sie US-Produkte im Wert von vier Milliarden Euro besteuerte. Die Geschichte der EU ist eine Folge rücksichtsloser Verhandlungen unter Gaunern, die versuchen, Standards zu setzen, um ihren Binnenmarkt vor ausländischen Konkurrenten zu schützen. Die zahllosen Diskussionen um Hygienevorschriften oder "kulturellen" Besonderheiten, beispielsweise beim Anbau von Bananen, der Herstellung von Käse oder dem Behandeln von geschlachteten Hühnern mit Chlor, sind nichts als versteckte Konkurrenzkämpfe zwischen den Kapitalisten der jeweiligen Länder.

In den achtziger Jahren hat Ronald Reagan, der sich für Wirtschaftsliberalismus in anderen Ländern eingesetzt hat, starke protektionistische Maßnahmen gegen japanische Automobilimporte ergriffen. Der Verkauf von US-Autos brach damals aufgrund der Ölkrise massiv und schnell ein. Reagan hingegen beschuldigte die japanischen Automobilhersteller, die damals die bösen Konkurrenten waren, weil sie Kleinwagen in die USA exportierten, Schuld am massiven Stellenabbau in der amerikanischen Automobilindustrie zu sein. Er führte daraufhin strenge Einfuhrquoten ein, eine Maßnahme, die natürlich nicht den amerikanischen Arbeitern, dafür aber den amerikanischen und japanischen Kapitalisten zugutekam.

In einem Artikel, der am 27. Juli in der französischen Wirtschaftszeitung Les Echos veröffentlicht wurde, erklärte ein Journalist, wie japanische Hersteller "anfangs gehorchten, aber bald damit begannen, Fabriken in den Vereinigten Staaten zu bauen, nicht in Detroit, sondern in den Südstaaten, die keine Gewerkschaftstradition hatten..." Mit dem Ergebnis, "dass japanische Autos, auf die fast 40% des Umsatzes in den USA entfallen, heute überwiegend in den USA hergestellt werden."

Als die US-amerikanischen Automobilhersteller einen Teil ihrer Produktion in die gleichen südlichen Bundesstaaten verlegten, wurden in Michigan ganze Fabriken mit zehntausenden Arbeitern geschlossen. Die Arbeiter sind die großen Verlierer. Unabhängig davon, ob sie nun von US-amerikanischen oder japanischen Unternehmen ausgebeutet werden, hat das Arbeitstempo enorm zugenommen und die Sozialleistungen und Löhne der Arbeiter wurden gekürzt. Ganz zu schweigen davon, dass zehntausende Jobs ganz weggefallen sind.

Ein Krieg gegen die Arbeiter

Ob unter Trump oder Reagan, ob in den USA, in Europa oder China: Wenn die Arbeiter auf die protektionistischen und chauvinistischen Reden solcher bürgerlichen Politiker hereinfallen, werden sie hierfür einen hohen Preis zahlen. Und sie werden ebenfalls dafür bezahlen, wenn sie sich vor den Karren der Verfechter des Freihandels wie Macron oder Merkel spannen lassen, die ebenfalls unerbittlich die Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter angreifen.

Trump behauptet, dass er einen Handelskrieg führt, um Arbeitsplätze in den USA zu erhalten. Die USA haben in dreißig Jahren 5,5 Millionen Arbeitsplätze verloren, das sind 30% aller Industriearbeitsplätze. Im gleichen Zeitraum ist die Industrieproduktion in den USA jedoch um 60% gestiegen! Mit anderen Worten, die US-amerikanischen Unternehmen zerstörten diese Arbeitsplätze nicht so sehr wegen der Konkurrenz, sondern weil sie die Produktivität steigern konnten und wollten ... um den Profitdurst der Aktionäre zu befriedigen.

Mit den steigenden Preisen fangen die Arbeiter bereits an, für die Politik von Trump zu zahlen. 2018 stieg der Preis für Lebensmittel und Waschmaschinen. Die Automobilhersteller erhöhen ihre Preise, mit dem Argument, dass Aluminium und Stahl für sie teurer geworden sind. In China wird die dortige Bevölkerung auf die ein oder andere Weise den Boykott oder die Besteuerung amerikanischer Schweine und Sojabohnen wie auch die anderen Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen Regierung bezahlen.

Aber die Arbeiter werden es vor allem politisch bezahlen, wenn sie nicht ihre eigenen politischen Interessen vertreten, wenn sie sich von Politikern überzeugen lassen, dass ausländische Arbeiter ihre Gegner sind, dass sie Konkurrenten sind und nicht Teil einer gemeinsamen Arbeiterklasse. In Europa sind der Aufstieg von fremdenfeindlichen, rassistischen Parteien und ihre Beteiligung an der Regierung in mehreren Ländern bereits eine ernsthafte Bedrohung für die Arbeiterklasse. Dasselbe gilt für die USA.

Provokative Erklärungen in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität

Im Moment scheint die Rückkehr zum Protektionismus nicht die erste Wahl der US-Bourgeoisie. Die Demokraten prangern Trumps Politik zwar vor allem deshalb an, weil sie politische Rivalen der Republikaner sind. Doch sie vertreten damit ebenso die Interessen der amerikanischen Bourgeoisie wie die Republikaner. Dies bedeutet nicht, dass ein echter Handelskrieg unmöglich wäre: Eine provokante Aussage könnte zur nächsten führen, zu Vergeltungsmaßnahmen und einer Spirale der Eskalation.

Die europäische Bourgeoisie hätte in einem Handelskrieg mehr zu verlieren als die Bourgeoisie in den USA - obwohl auch US-Kapitalisten dabei etwas verlieren könnten. In der EU haben bürgerliche Ökonomen und offizielle Wirtschaftsorganisationen Dutzende von Berichten über die schädlichen Auswirkungen eines allgemeinen Handelskrieges vorgelegt. Seine Folgen wären in einer Weltwirtschaft, die noch viel stärker miteinander verwoben ist als 1929, katastrophal.

Der französische Wirtschafts- und Sozialrat schrieb in einem im Juli veröffentlichten Bericht: "Nach unseren Schätzungen würde sich [ein solcher Krieg] hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf dauerhaft ungefähr in gleicher Weise auf alle drei großen Weltmächte (EU, USA und China) auswirken: Ihr BIP würde um etwa 3 oder 4% fallen. Die Auswirkungen wären vergleichbar mit denen der großen Rezession von 2008-2009. Und in den kleinen Ländern wären sie noch viel schwerwiegender."

Die Krise von 2008, von der sich die Weltwirtschaft noch nicht erholt hat, hat weltweit zig Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Nach diesem Bericht würde ein allgemeiner Handelskrieg für jeden Europäer einen durchschnittlichen Verlust von 1.250 Euro pro Jahr zur Folge haben. Diese Berichte geben weniger Aufschluss über das, was wirklich passieren wird, als vielmehr über die Ängste der kapitalistischen Ökonomen, die sich der Zerbrechlichkeit der Weltwirtschaft und ihrer Instabilität bewusst sind.

Es hat keinen Sinn, über Trumps Absichten zu spekulieren. Auch nicht darüber, wie viel in seinen Äußerungen nur Bluff ist, um Wähler zu verführen und ob er möglicherweise verantwortungslos handelt, wie es ihm einige führende Köpfe im Weißen Haus bereits vorwerfen. Sicher jedoch ist, dass all diese Äußerungen in einer von der Finanzwirtschaft dominierten, kranken Weltwirtschaft zwangsläufig Auswirkungen haben. Die Weltwirtschaft ist wie ein Kartenhaus. Es ruht auf einem Meer schwimmender Dollar und schwankt je nachdem, wohin sich die nächste Spekulation entwickeln wird. Die geringste Unsicherheit, die geringste Krise kann sich so auf unvorhergesehene Weise verstärken und spekulative Angriffe auf den Wechselkurs von Währungen, auf den Wert von Aktien oder Staatsanleihen nach sich ziehen.

Während sich an den Beziehungen zwischen den USA und der Türkei nichts grundlegend geändert hat und sie weiter Partner innerhalb der NATO sind, reichte in dem Kontext der allgemeinen wirtschaftlichen Verschlechterung Trumps Ankündigung, die Zölle auf türkischen Stahl und Aluminium zu verdoppeln, um Angst unter den "Investoren" (das heißt Kapitalisten, Bankiers und Hedgefonds) zu schüren. Sie zogen ihr Geld aus dem Land ab, was zum Absturz der türkischen Lira und zu einer katastrophalen Inflation führte. An den Finanzmärkten sind die Aussagen von Staatschefs oder Chefs der Zentralbanken zu Wirtschaftsindikatoren mit vergleichbarem Einfluss wie die Arbeitslosenquoten und die Wachstumsraten des BIPs geworden. Unabhängig davon, ob Trumps Politik tatsächlich zu einem Handelskrieg (von größerem oder geringerem Ausmaß) zwischen den USA, der EU und China führt, birgt sie daher für alle viele schwerwiegende Risiken.

Trump, seine Berater und die amerikanischen Kapitalisten, die Einfuhrquoten und Zölle auf Importe als Möglichkeit sehen, viel Geld zu verdienen, sind sich der Gefahr voll bewusst. Aber es ist ihnen egal. Was ihnen wichtig ist, ist der kurzfristige schnelle Profit - was zählt ist heute, völlig egal welche Folgen ihr Handeln für morgen bedeutet. Diejenigen, die heute einen Handelskrieg lieber vermeiden würden und die Politik von Trump kritisieren, werden Zollschranken befürworten, sobald sie glauben, von ihnen profitieren zu können. Die Kapitalistenklasse ist ihrem Wesen nach unverantwortlich. Die einzige Möglichkeit für die Arbeiter, sich vor dieser Zukunft zu schützen, besteht darin, die Kapitalisten weltweit zu stürzen und sie zu enteignen.