Sudan: Drei Jahre Aufstand gegen die Militärdiktatur und gegen die imperialistische Ordnung

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Lutte de Classe Juli 2022
Juli 2022

Aus Lutte de Classe (Nr.225, Juli-August 2022)

Dieser Artikel ist auf Basis eines Vortrags entstanden, der auf dem Fest von Lutte Ouvrière in Presles am Sonntag, dem 30. Mai gehalten wurde.

Im Sudan kam es nach dem Aufstand von 2019 und dem Sturz des Diktators Omar al-Baschir zu einer Reihe von aufeinanderfolgenden Ereignissen. Wir haben nur einen begrenzten Einblick in die Lage dieses Landes. Aber es gibt mehrere Gründe, unseren Blick auf die Geschehnisse dort zu richten.

Seit 2019 kämpft die Bevölkerung dort gegen die Militärdiktatur. Diese hat es trotz heftiger Repression noch immer nicht geschafft, die Bevölkerung vollständig in die Knie zu zwingen. Es ist ein bewundernswertes Beispiel für die Kraft und Zähigkeit der Ausgebeuteten, wenn diese sich dazu entschließen, sich gegen ihre Unterdrücker zu erheben. Die Ereignisse dort werfen auch politische Probleme auf, mit denen viele Revolutionen in der Vergangenheit konfrontiert waren. Und sie werfen auch ein Licht auf die Aufstände, die in den letzten Jahren in anderen Ländern der Region wie Ägypten, Burkina Faso oder Algerien stattgefunden haben. Schließlich gehört auch der Sudan zu den Ländern, deren Schicksal seit langem von den Machenschaften der imperialistischen Mächte bestimmt wird.

Ein Staat unter imperialistischer Herrschaft

Die Karte des Sudan, seine mit dem Lineal gezogenen Grenzen – ohne Rücksicht auf die Bevölkerung und die Geografie – machen deutlich, was das Land war: ein aus dem Nichts geschaffener Pufferstaat zwischen den Einflussgebieten der rivalisierenden französischen und britischen Kolonialmächte. Der Sudan war dabei wegen seiner strategischen Lage von Bedeutung. Der Zugang zum Nil und zum Roten Meer machten den Sudan zu einem von den imperialistischen Mächten begehrten Gebiet – viel mehr als die wenigen Ressourcen dieses armen Landes, dessen Bevölkerung überwiegend ländlich und nomadisch lebte.

Der Sudan bestand seit seiner Gründung aus einem Mosaik von Ethnien, die sich durch ihre Kultur, Sprache und Religion unterschieden. Der britische Imperialismus, der das Land von 1898 bis 1956 beherrschte, verstand es von Anfang an, die auszunutzen. Um seine Herrschaft zu etablieren und zu festigen, scheute er sich nicht, die Ethnien gegeneinander aufzuhetzen. Er stützte sich vor allem auf die arabischen und muslimischen Bevölkerungsgruppen im Norden, um den Rest der Bevölkerung zu unterdrücken, insbesondere die schwarzen und nicht-muslimischen Bevölkerungsgruppen im Süden. Diese Politik hatte zur Folge, dass der Süden des Landes isoliert wurde.

Bei der Unabhängigkeit: ein durch den Bürgerkrieg gespaltenes Land unter Kontrolle des Militärs

Als der Sudan 1956 seine Unabhängigkeit erlangte, hinterließ der Imperialismus das vergiftete Geschenk der Spaltung, die bereits 1955 (also ein Jahr vor der Unabhängigkeit) in Form eines Bürgerkriegs zwischen dem Norden und dem Süden des Landes begann. Dieser Bürgerkrieg dauert bis heute an. Er war nur ein Mal einmal elf Jahre lang, zwischen 1972 und 1983 unterbrochen. Als der Südsudan 2011 seine Unabhängigkeit erlangte, ging dies mit einem weiteren Bürgerkrieg zwischen den Eliten des neuen Staates einher.

Der Krieg wütete ab 1987 und später ab 1996 in der Region Darfur im Westen des Landes und im Süden. Er forderte Hunderttausende Tote, verurteilte Millionen Menschen zur Flucht und verwandelte ganze Landstriche in menschliche Wüsten. In diesem Krieg, in dem die Zentralregierung in Khartum gegen verschiedene Rebellenmilizen kämpfte, mischten die imperialistischen Mächte immer mit und scheuten sich nicht davor, Öl ins Feuer zu gießen. Ihre Beteiligung an dem Konflikt nahm zu, nachdem in den 1970er Jahren im Süden des Landes große Ölvorkommen entdeckt worden waren. Diese Ölvorkommen wurden zu einem der wichtigsten Knackpunkte in dem Krieg für die Regierung in Khartum und die Rebellen – und ebenso für die imperialistischen Mächte, die ihre Interessen verteidigten, indem sie wiederholt die eine Seite gegen die andere unterstützten.

Seit seiner Unabhängigkeit haben im Sudan fast ausschließlich Militärdiktaturen regiert. Diese Diktaturen folgten aufeinander und wurden mehrmals durch Aufstände gestürzt, insbesondere 1964 und 1985. Zivilregierungen waren nur ein kurzes Zwischenspiel. Im Jahr 1989 übernahm General Omar al-Baschir nach drei Jahren ziviler Herrschaft die Macht. Dann läutete der Aufstand von 2019 das Ende seiner dreißigjährigen Diktatur ein.

Das Regime von Omar al-Baschir

Das Regime von al-Baschir war eine grausame Diktatur, die sich von Anfang an auf die Islamisierung des Landes stützte. Als al-Baschir 1989 die Macht übernahm, wurde er von der Nationalen Islamischen Front, einer aus der Muslimbruderschaft hervorgegangenen Organisation, unterstützt. In den ersten Jahren seiner Macht führte al-Baschir Gesetze ein, die Frauen unter anderem zum Tragen des Schleiers verpflichteten, ihnen das Tragen von Hosen und das Tanzen untersagten. Frauen konnten auf öffentlichen Plätzen ausgepeitscht werden. Die regelmäßigen Verhaftungen von Frauen, die von der Polizei des Verstoßes gegen das islamische Gesetz beschuldigt und nur gegen Kaution freigelassen wurden (gegen Ende des Regimes etwa 50.000 Frauen pro Jahr), waren für die Machthaber ein wahrer Geldsegen.

Al-Baschir zeigte sich gnadenlos im Krieg gegen die Rebellen in Darfur und im Süden des Landes. Einer der bewaffneten Arme seiner Politik waren die Dschandschawid-Milizen, deren Name vom arabischen Wort für "Horde" abgeleitet ist. Die Mitglieder dieser Milizen wurden in den arabischen oder arabisierten Stämmen im Tschad und in Darfur rekrutiert und vom Regime in Khartum bewaffnet. Sie wurden zu dessen wichtigster Unterdrückungsmacht, als der Konflikt im Jahr 2003 eskalierte. Die Dschandschawid wurden dazu ermutigt, die Gebiete der Rebellen in Darfur anzugreifen und zurückzuerobern. Sie wandten dazu die Taktik der verbrannten Erde an, die überall mit Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung einherging: Massaker, Vergewaltigungen und Deportationen. Auf diese Milizen griff das Regime seitdem immer wieder zurück, wenn es sich in Gefahr wähnte. Aus den Dschandschawid-Milizen gingen die von General Hemetti geführten RSF (Rapid Support Forces) hervor, die in der Bewegung von 2019 eine Rolle spielten. Politische Unterdrückung war unter dem Regime al-Baschir im ganzen Land an der Tagesordnung. Das Regime stützte sich dabei auf die politische Polizei des Landes: den NISS (National Intelligence and Security Service).

Unter al-Baschir blieb der Sudan eines der ärmsten Länder der Welt. Ende der 1990er Jahre nahm das Land aufgrund der Hungersnot im Süden einen traurigen Platz in den Nachrichten ein. Die Fernsehsender zeigten damals regelmäßig unerträgliche Bilder von verhungernden Kindern, abgemagerten Erwachsenen und Menschenmassen, die sich auf Lebensmittel stürzten, die mit Fallschirmen abgeworfen wurden. Der Ölreichtum kam nur ausländischen multinationalen Konzernen und den Machthabern zugute. Die Industrie blieb weitgehend unentwickelt, das Land überwiegend ländlich und weidewirtschaftlich geprägt. In den Städten lebten die Menschen von Gelegenheitsjobs und schlugen sich irgendwie durch. Das Elend des Landes wurde noch erheblich verstärkt, als die Großmächte Sanktionen gegen das Regime von al-Baschir setzten, das auf der schwarzen Liste der Regime stand, die den islamistischen Terrorismus unterstützen. Im Jahr 1997 verhängte US-Präsident George W. Bush ein Embargo, das bis 2017 andauerte. Die 2011 ausgerufene Unabhängigkeit des Südsudans schnitt den Sudan von drei Vierteln seiner Ölvorkommen ab. Dies verstärkte die Wirtschaftskrise, in der sich das Land befand. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) schätzte, dass 2019 fast 20 Millionen Menschen im Sudan unterhalb der Armutsgrenze leben würden, was fast der Hälfte der Bevölkerung entspricht.

Im Jahr 2013 führte diese soziale Misere zu einer Revolte, die einen Vorgeschmack auf die Bewegung von 2019 gab. In der Stadt Khartum und anderen Städten des Landes kam es zu Hungerrevolten, die vor allem mit dem drastischen Anstieg der Ölpreise zusammenhingen. Die Demonstrationen wurden von al-Baschir und seiner Armee gewaltsam niedergeschlagen. Fast 200 Demonstranten wurden getötet, fast 1.000 verletzt und 3.000 festgenommen. Der Aufstand von 2013 nährte die Kritik im Inneren des Regimes. Mehrere Würdenträger des Regimes forderten Reformen. In den Städten bildete sich eine demokratische Oppositionsbewegung, insbesondere im gebildeten Kleinbürgertum: Ärzte, Anwälte, Akademiker und Studenten. Einige von ihnen gingen in den folgenden Jahren ins Exil, unterstützten allerdings die Opposition vom Ausland aus weiter. In den fünf Jahren vor der Bewegung von 2019 gab es im Sudan fünf verschiedene Revolten – jedes Mal als Reaktion auf steigende Preise – die systematisch niedergeschlagen wurden.

Der Aufstand von 2019

Man sieht also, dass der Aufstand, der 2019 das Land in Brand setzte, seine Wurzeln in einer dramatischen Situation hat, die nicht erst seit gestern besteht. Das Pulverfass wartete nur auf einen neuen Funken, um zu explodieren.

Dieser Funke wurde die Ankündigung der Regierung in Khartum, den Brotpreis am 1. Dezember 2018 zu verdreifachen. Diese Maßnahme war Teil eines umfassenden, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten Sparplans, der auf das Ende der Subventionierung von Grundnahrungsmitteln drängte, durch die ein Teil der Bevölkerung bis dahin noch immer dem Hunger entgehen konnte. Die Verdreifachung des Brotpreises war der Tropfen, der Fass zum Überlaufen brachte. Mit den geplanten Erhöhungen wurde der Bevölkerung, die bereits ihrer Lebensgrundlage beraubt war, endgültig die Luft abgedreht. Es gab kein Benzin mehr, kein Geld mehr in den Banken und selbst das Brot wurde in den Bäckereien knapp. Die Preise für Medikamente stiegen innerhalb weniger Monate um 50%, und die Inflation lag offiziell bei 70%. In Wirklichkeit war sie viel höher.

Ab dem 19. Dezember kam es im ganzen Land zu spontanen Demonstrationen. In der Stadt Omdurman in der Nähe von Khartum brach der Zorn der Bevölkerung nach einem Fußballspiel aus und es kam zu einer Demonstration. Im Gegensatz zu früheren Bewegungen begann die Revolte nicht zuerst in der Hauptstadt, sondern formierte sich in den Städten im äußersten Norden des Landes und breitete sich dann wie ein Lauffeuer über das ganze Land aus. Dies traf die Machthaber unvorbereitet. Sie waren gewohnt, ihre Streitkräfte in Khartum zu konzentrieren und mussten sie nun an einer Vielzahl von Fronten im ganzen Land einsetzen.

Auf Losungen gegen die hohen Lebenshaltungskosten folgten schnell politische Slogans. Am meisten verbreitet waren "Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit" und "Die Revolution ist die Wahl des Volkes". Bald war die Parole, die sich durch alle Demonstrationen zog, die Forderung nach der Absetzung des Diktators Omar al-Baschir, zusammengefasst in der Losung: "Dein Sturz! Nichts anderes". Am 25. Dezember fand in der Hauptstadt Khartum die größte Demonstration seit 1989 statt. Mehrere Parteigebäude des Nationalkongresses, der Partei von al-Baschir, wurden in Brand gesetzt.

Demonstrationen fanden in kleinen wie großen Städten statt. Die Teilnehmer der Demonstrationszüge waren sozial sehr verschiedenartig, doch zwei ihrer Merkmale zeugen von der Tiefe der Bewegung: die große Zahl an Frauen, die manchmal die Mehrheit in den Demonstrationszügen bildeten, und die große Zahl an Jugendlichen.

Die Machthaber zeigten sich schnell von den Protesten überfordert. Der sudanesische Geheimdienstchef sah in den Protesten eine ausländische Verschwörung und prangerte die Machenschaften von Personen an, die angeblich mit Israel in Verbindung standen. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen und die Armee eingesetzt. Auch das Internet wurde an mehreren Orten abgeschaltet. Sofort ging das Regime brutal gegen die Demonstranten vor. Bereits in den ersten Tagen gab es Dutzende Tote. Die Menschen ließen sich davon jedoch nicht entmutigen und strömten in immer größerer Zahl auf die Straße. Die Jugendlichen bewiesen bei den Zusammenstößen mit den Streitkräften Mut. In einer Arte-Dokumentation, die am 1. August 2019 ausgestrahlt wurde, lassen die Journalisten eine junge Frau zu Wort kommen. Sie war durch ein in den sozialen Netzwerken verbreitetes Video berühmt geworden, in dem zu sehen ist, wie sie als einzige Frau inmitten einer Gruppe von Männern Tränengas-Granaten auf die Polizei wirft. Sie erzählt, dass sie sechsmal festgenommen wurde, wobei sie einmal aus dem Jeep der Sicherheitskräfte sprang und floh. Sie berichtet auch von dem Moment, als ein Polizist eine Gruppe von Demonstranten, zu der sie gehörte, vertreiben wollte. Stattdessen wurde er von ihnen gepackt und verprügelt, während die anderen Polizisten mit Steinwürfen zurückgedrängt wurden.

Obwohl die Dezember-Revolte weitgehend spontan war, entwickelte sich bald eine politische Führung: die Sudanese Professionals Association (SPA). Diese war nicht aus den Demonstranten selbst hervorgegangen, sondern wurde von den Vertretern von acht kleinbürgerlichen Berufsgruppen gebildet, die sich nach den Unruhen 2013 zusammengeschlossen hatten: Ingenieure, Anwälte, Ärzte und Hochschullehrer. Es war ihnen gelungen, sich zu organisieren und im Untergrund oder im Ausland zu überleben. Sehr bald war es die SPA, die die Aufrufe zur Fortsetzung der Bewegung veröffentlichte und von der Bevölkerung unterstützt wurde.

Die APS erschien als Garant für die Einheit der Bewegung – ganz besonders, nachdem sie am 1. Januar 2019 zusammen mit den wichtigsten politischen Parteien des Landes die Allianz für Freiheit und Wandel (FFC) gründete. Die Gründungserklärung dieser Allianz forderte den Rücktritt von Omar al-Baschir und die Ernennung einer Übergangsregierung für vier Jahre, bevor Wahlen stattfinden sollten. Das Programm sah fortschrittliche Maßnahmen vor, darunter den Kampf gegen die Diskriminierung und Verfolgung von Frauen. In Bezug auf wirtschaftliche Forderungen hieß es jedoch lediglich, dass "die wirtschaftliche Verschlechterung gestoppt und das Leben der Bürger in allen Bereichen verbessert" werden solle, ohne dass konkrete Maßnahmen genannt wurden.

Neben der APS gehörten zu den Hauptunterzeichnern der FFC: die Umma-Partei (eine islamische politische Partei, deren Führer Sadek al-Mahdi 1986 die kurzlebige, von al-Baschir gestürzte Zivilregierung angeführt hatte), eine Koalition aus regimefeindlichen bewaffneten Gruppen und die Sudanesische Kommunistische Partei (SCP). Die Aktivisten der SCP kamen aus dem Gefängnis und brachten ihre organisatorischen Fähigkeiten vor Ort in die Bewegung ein. Mit der Unterzeichnung des Textes bestätigte die SCP jedoch, dass sie auf eine unabhängige Politik für die Arbeitenden verzichtete. Sie weigerte sich sogar, die lebenswichtigen Forderungen, die den Aufstand ausgelöst hatten, in den Vordergrund zu stellen. Das war leider nichts Neues für diese Partei, die im Laufe ihrer Geschichte immer wieder an solchen Einheitsfronten teilgenommen hatte.

Die Demonstrationen gingen trotz Ausnahmezustand und Unterdrückung im ganzen Land weiter und erreichten am 6. April ihren Höhepunkt, als die FFC dazu aufrief, zum Hauptquartier des Generalstabs in Khartum zu ziehen, um dort Tag und Nacht eine permanente Versammlung abzuhalten. Die Bilder dieses riesigen Sit-ins erinnerten an den Aufstand auf dem Tahrir-Platz in Ägypten, der 2011 zum Sturz des Diktators Mubarak geführt hatte. Tag und Nacht skandierten die Demonstranten Slogans und diskutierten und überlegten, wie sie die Gesellschaft radikal verändern könnten. Die Frauen sprachen über die Aufhebung der Geschlechtertrennung, den Zugang zu Bildung für Mädchen und das Ende der Diskriminierung. Eine Handvoll zeigte ihren Willen, keinen Schleier zu tragen, und widersetzte sich den Männern, die sie zurechtwiesen. Die Studenten verließen ihre Universitäten, um zu diskutieren und das in Frage zu stellen, was ihnen immer eingetrichtert worden war: religiöse Gebote und die Trennung nach Ethnien. Ein Zeichen dafür, dass die tiefsten Gräben in der Gesellschaft in Frage gestellt wurden, war die Ankunft von Bussen mit Demonstranten aus Darfur, die mit dem Slogan begrüßt wurden: "Darfur, vergib uns für all das vergossene Blut."

Da sie nicht fähig waren, die Lage zu beruhigen, zwangen die Militärführer Omar al-Baschir fünf Tage später zum Rücktritt. Sie bildeten einen militärischen Übergangsrat, der seinen Platz einnahm.

Nach dem Sturz von al-Baschir

Nachdem Omar al-Baschir aus dem Amt verjagt worden war, beschränkte sich die Politik der FFC und der SPA auf den Versuch, Druck auf den Militärischen Übergangsrat auszuüben. Sie forderten die Demonstranten auf, ihre Präsenz vor dem Hauptquartier des Generalstabs aufrechtzuerhalten und hielten die Illusion aufrecht, dass sie den Militärischen Übergangsrat zu einer Einigung bewegen könnten. Die SPA, die zur Führung der Bewegung wurde, dachte nie daran, die Bevölkerung auf die unvermeidliche Konfrontation mit der Armee vorzubereiten.

Zunächst schien das Militär Zugeständnisse zu machen, um Zeit zu gewinnen. So setzten sie unter dem Druck der Demonstrationen den Vize-Präsidenten Omar al-Baschirs, General Ibn Auf ab. Seine Ernennung zum Vorsitzenden des Militärischen Übergangsrates war zu dreist und versetzte die Menge in Rage. Später konnte man auf den Demonstrationen die Feststellung hören: "In zwei Tagen haben wir es geschafft, zwei Präsidenten zu stürzen."

Ibn Auf wurde durch den weniger bekannten General Al- Burhan ersetzt, der jedoch wie alle hohen sudanesischen Offiziere an den Massenmorden in Darfur und im Süden des Landes beteiligt war. Nummer zwei der Militärjunta blieb der als Anführer der Dschandschawid-Milizen und der Rapid Support Forces (RSF) berüchtigte General Hemetti.

Der Militärische Übergangsrat nahm auch endlose Verhandlungen mit der FFC auf und gestand ihr auf dem Papier die Schaffung gemeinsamer Gremien zu, in denen Militärs und Zivilisten das Land führen sollten. Es wurde jedoch schnell klar, dass das Militär die Zügel in der Hand behielt und in diesen Gremien weiterhin die Mehrheit und die entscheidenden Positionen innehatte.

Die FFC rief für Donnerstag, den 3. Mai, zu einer Massendemonstration in Khartum auf, um zu versuchen, das Militär zum Einlenken zu bewegen, und dann noch einmal für den 28. und 29. Mai. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Generalstab jedoch bereits entschieden, dass die Bewegung beendet werden sollte.

Das Militär übernimmt wieder die Kontrolle (31. Mai 2020 - 2. Januar 2022)

Am Freitag, dem 31. Mai, organisierte der Generalstab eine Gegendemonstration, bei der Tausende von Landbewohnern nach Khartum gebracht wurden, um dort Slogans wie „Die Macht dem Militär" oder „Die Macht dem Islam“ zu skandieren. Die Streitkräfte versammelten sich um den Generalstab und am 3. Juni stürmten Hemettis Rapid Support Forces, Angehörige des Sicherheitsdienstes und Handlanger der fundamentalistischen Parteien das Lager der Oppositionellen, lösten ihre Versammlung auf und begingen zahlreiche Gräueltaten. Die Zelte wurden angezündet, die Demonstranten mit Stöcken geschlagen und auf sie geschossen. Es gab mehrere Dutzend Tote.

Die SPA reagierte nur begrenzt auf die erneute Machtübernahme durch das Militär. Sie rief die Bevölkerung zu zivilem Ungehorsam auf, beteiligte sich aber weiterhin an der Komödie der Gespräche mit dem Militär über eine geteilte Macht. Diese Gespräche führten dazu, dass am 21. August 2019 ein elfköpfiger Souveräner Rat gegründet wurde. Er bestand aus fünf Zivilisten und sechs Angehörigen des Militärs und wurde von Premierminister Abdalla Hamdok angeführt, einem in Europa ausgebildeten Ökonomen, der in der Gunst des IWF stand. Unter den Militärangehörigen in diesem Rat befand sich nach wie vor der verhasste Hemetti, der Chef der Rapid Support Forces. Diese neue Regierung hat das Schicksal der Bevölkerung nicht verbessert. Die Preise stiegen weiter ins Unermessliche, insbesondere der Preis für Brot schoss in die Höhe. Arme Familien ersetzten das Brot durch Linsen und verzichteten auf Milch und Zucker, deren Preis sich verdoppelt hatte. Der Preisanstieg wurde durch die Politik des Militärs angeheizt, das die Notenpresse anwarf und Geld druckte, was die verstärkte. Die Lage war so schlecht, dass einige Arbeiter monatelang auf ihren Lohn warteten. Premierminister Hamdok bemühte sich, dem IWF zu gefallen, der ihn aufforderte, den Sparkurs fortzusetzen, die Privatisierung staatlicher Unternehmen zu beschleunigen und die Subventionen für Grundnahrungsmittel zu streichen. Diese Politik machte ihn zunehmend unbeliebt.

Am 25. Oktober 2021 beschloss das Militär, die Fiktion einer zivilen Macht zu beenden. Es putschte und verhaftete die Zivilisten der neuen Regierung. Premierminister Hamdok wurde von den Putschisten in seinem Haus festgehalten, um ihn zu zwingen, eine Erklärung zur Unterstützung des Staatsstreichs zu unterzeichnen. Als er sich weigerte, wurde er mit unbekanntem Ziel abgeführt. Unter dem Druck der Proteste und eines Teils der internationalen Gemeinschaft erklärte sich das Militärregime am 21. November bereit, Abdalla Hamdok nach einem Monat Hausarrest wieder als Premierminister einzusetzen. Am 2. Januar 2022 trat er jedoch offiziell von seinem Amt zurück.

Das Ziel der Militärjunta ist seitdem klar: Sie will die im April 2019 aus dem Amt gejagte Diktatur wieder einsetzen. Dabei setzt sie auf die Unterstützung islamistischer Kräfte und ehemaliger Unterstützer des Regimes von al-Baschir, von denen einige von der Armee aus dem Gefängnis geholt wurden. Die Führer der islamistischen Bewegung versuchten nun, die verschiedenen islamistischen Gruppen in einem Bündnis zu vereinen, um die vom Militär für 2024 versprochenen Wahlen zu gewinnen. Dieser Ausgang wird vom Militär favorisiert, da er es ihnen ermöglichen würde, eine zivile Scheinregierung zu errichten, die ihnen entgegenkommen würde. Die Vereinbarung mit den Islamisten ist klar: Wir geben euch euer Geld zurück und lassen euch aus dem Gefängnis frei, wenn ihr uns unterstützt. Eine solche zivile Scheinregierung hätte den Vorteil, dass man damit den Forderungen der Weltbank und des IWF nachkommen würde, die dem Land gewährte Hilfen eingefroren haben. Die Verurteilung der militärischen Unterdrückung durch die Großmächte ist in Wahrheit natürlich nichts als heuchlerische Augenwischerei. In vielerlei Hinsicht hoffen die imperialistischen Mächte darauf, dass ein Volksaufstand, der sich (wie beim Arabischen Frühling) auf den Rest der Region ausbreiten könnte, eingedämmt wird. Sie würden zwar eine zivile Regierung bevorzugen. Doch das Beispiel Ägyptens zeigt, dass sie auch die Errichtung einer Militärdiktatur wohlwollend begleiten. Das Militär konnte sich im Sudan auch dank der aktiven Unterstützung Ägyptens und der Vereinigten Arabischen Emirate an der Macht halten, die Verbündete der Westmächte sind.

Das Spiel ist für das Militär jedoch noch nicht ganz gewonnen. Trotz der Repression hat sich die sudanesische Bevölkerung nicht unterworfen und die Demonstrationen haben bereits am Tag nach der Übernahme der Macht durch das Militär wieder begonnen. Nach drei Jahren der Proteste geht die Bewegung von 2019 weiter. Soweit man die Ereignisse im Sudan beobachten kann, steht fest, dass die Bevölkerung aus den drei Jahren des Kampfes um wichtige politische Erfahrungen reicher hervorgeht. Die Bewegung von 2019 hat gezeigt, dass eine Diktatur, die sich dreißig Jahre lang fest im Sattel halten konnte, durch die Mobilisierung der Massen mit einem Handstreich hinweggefegt werden kann. Von Dezember 2018 bis heute haben die sudanesischen Demonstranten großen Mut und Entschlossenheit bewiesen. Sie haben auch gelernt, sich zu organisieren. Die Demonstrationen können nur deshalb fortgesetzt werden, weil die Menschen gelernt haben, Aufrufe auch dann weiterzuleiten, wenn das Internet ausfällt, oder sich zusammenzuschließen und Blockaden zu errichten, um sich der Polizei entgegenzustellen. Im Zuge der Bewegung haben sich anscheinend in verschiedenen Teilen des Landes Nachbarschaftskomitees gebildet, die in Widerstandskomitees gegen die Macht des Militärs umbenannt wurden. Es ist schwierig zu bestimmen, was diese Widerstandskomitees wirklich sind, da sie wohl von Ort zu Ort wohl sehr verschieden sind. Beispiele für Aktionen, die von diesen Komitees durchgeführt wurden, sind die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern. Auch die Ausstellung von Geburts-, Sterbe- und Arbeitsbescheinigungen, um die Versäumnisse der Verwaltung auszugleichen, gehört dazu. Offenbar organisierten sich diese Komitees auch während des Ausbruchs der Corona-Epidemie, um Häuser zu desinfizieren und Nachbarn aufzufordern, sich nicht zu versammeln. Diese Komitees beanspruchen also, dort zu handeln, wo der Staat sich als unfähig erwiesen hat. Diese Komitees offenbaren den Beginn einer Selbstorganisation der Bevölkerung zur Lösung grundlegender materieller Probleme, aber auch den Willen, sich politisch zu organisieren. Auf politischer Ebene fordern sie das Ende der Militärmacht, die Errichtung einer zivilen Regierung und die Verhaftung und Verurteilung der Putschisten. Bisher scheinen diese Komitees im Einklang mit den politischen Kräften der FFC und an ihrer Seite zu agieren. Mehrere dieser Komitees werden von Aktivisten der FFC-Parteien geleitet. Werden die sudanesischen Arbeitenden einen Weg finden, sich politisch unabhängig zu organisieren? Diese Frage bleibt offen. Die Alternative, vor der der Sudan steht, ist jedenfalls klar: entweder der Sieg der Reaktion mit der vollständigen Wiederherstellung der Militärdiktatur oder die Revolution der arbeitenden Klasse, die sich organisiert, um ihre eigenen Interessen und die der gesamten armen Bevölkerung zu verteidigen.

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Der Aufstand im Sudan ist eine weitere Demonstration der Stärke der Ausgebeuteten, wenn diese zu kämpfen anfangen. Er zeigt aber auch, was passiert, wenn das Proletariat in einer Revolution nicht für seine eigene Politik eintritt, sondern anderen Klassen hinterher trabt. Da es keine revolutionäre kommunistische Partei gab, setzte sich die kleinbürgerliche Führung der SPA durch. Deren Politik aber entwaffnete die Massen gegenüber dem Militär, das seinerseits alle notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Die Armee hat gezeigt, dass ihr jedes Mittel recht ist, um an der Macht zu bleiben. Was im Sudan passiert, macht einmal mehr deutlich, dass das aufständische Proletariat vom Staat der herrschenden Klasse nur eines zu erwarten hat: einen gnadenlosen Kampf, der nur mit dem Sieg der einen oder der anderen Seite enden kann. Dies ist eine weitere Illustration der Lehre, die der Revolutionär Auguste Blanqui nach der Niederschlagung der Revolution von 1848 formulierte:

„Waffen und Organisation, das ist das entscheidende Element des Fortschritts, das ernsthafte Mittel, um dem Elend ein Ende zu setzen. Wer Eisen hat, hat Brot. Wir verbeugen uns vor den Bajonetten, wir fegen die unbewaffneten Kohorten weg. In der Gegenwart bewaffneter Proletarier werden alle Hindernisse, Widerstände und Unmöglichkeiten verschwinden. Aber für die Proletarier, die sich durch lächerliche Spaziergänge durch die Straßen, durch das Pflanzen von Freiheitsbäumen, durch klangvolle Phrasen eines Anwalts unterhalten lassen, wird es zuerst Weihwasser, dann Schmähungen, schließlich Maschinengewehrfeuer und immer Elend geben.“

170 Jahre später und mehrere tausend Kilometer entfernt stehen diese Worte perfekt im Einklang mit der noch immer nicht beendeten Revolte der sudanesischen Arbeiter.

23. Juni 2022