China: von Mao zur Entmaoisierung (Vortrag des Leo Trotzki-Zirkels (Paris) vom 23. November 1984)

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China: von Mao zur Entmaoisierung
November 1984

An einem Abend im Frühjahr 1949, am 21. April, kreuzte ein englisches Kanonenboot, die "Amethyst", auf dem großen Fluss, dem Jangtsekiang, der Nord- von Südchina voneinander trennt. Dabei wurde es von der Artillerie der chinesischen Kommunisten getroffen, die dabei war, sich auf die amerikanischen Kanonen einzuschießen, die sie von den Truppen der Kuomintang unter Chiang Kai-shek erbeutet hatten. Das englische Kanonenboot strandete auf einer Sandbank und war wahrscheinlich genauso von der Überraschung wie von den Kanoneneinschlägen selbst überrumpelt.

Die britische Admiralität wusste noch nicht, dass eine Million bewaffneter Bauern, die sich am Nordufer des Jangtsekiang sammelten, in dieser Nacht bereit waren, diesen zu überschreiten und ein Ende mit der Kanonenboot-Politik in China zu machen.

Dieser Fluss, der "Große Fluss" wie die Chinesen sagen, ist einer der größten der Welt. Über ein Jahrhundert konnten ihn westliche Kriegsschiffe befahren und so bis ins Innerste von China ihre Macht diktieren, ohne dass eine chinesische Regierung das hätte verhindern können und wollen.

Es begann 1840, als Söldner des britischen und dann französischen Imperialismus, das chinesische Reich unter Kanonenfeuer für den Opiumhandel öffneten, welches die Engländer in Indien produzierten.

Das chinesische Reich wurde im "Opiumkrieg" besiegt und in der Folge konnten - durch Vermittlung ihrer Militärmissionen vor Ort - die englischen, französischen, belgischen, russischen, deutschen, japanischen und amerikanischen Diplomaten sich China zu Untertan machen. So konnten westliche Wucherer dieses Land ausnehmen und aushungerten: das bevölkerungsreichste der Welt, so groß wie ein Kontinent und vielfältiger als ganz Europa, welches die europäischen Reisenden zur Zeit der französischen Revolution für das reichste, am besten organisierteste und zivilisierteste Land der Erde hielten.

Im Gegenzug beschützten die bewaffneten Kräfte der Koalition der imperialistischen Länder bis 1911 die jeweilige regierende Dynastie gegen verschiedene Volksaufstände, die während des Zeitraums von über 70 Jahren das Land immer wieder erschütterten. Zwei dieser Aufstände erschütterten China bis ins innerste Mark.

1845-1865: der Taiping-Aufstand

So kam es um 1840 dazu, dass eine immense Armee aufständischer Bauern im Süden aufbrach, das Regime der Mandarine anzugreifen. Daraus entstand die Revolte der Taipings. Die Taipings rebellierten im Namen eines "himmlischen Königs", der nach ihrer Überzeugung eine friedliche, gleichberechtigte und demokratische Gesellschaft auf Erden gründen würde. Die Hungernden hatten tatsächlich vom Christentum, welches durch die Jesuiten und Missionare in China eingeführt wurde, vor allem die Idee vom Himmelreich auf Erden, wie es das Evangelium für die Armen verkündet, für sich in Anspruch genommen.

Diese neue Geheimgesellschaft, von denen es in China schon immer unendlich viele gab, zog besonders die landlosen Bauern an, die Kulis, die Bergarbeiter, die arbeitslosen Schiffer aus dem Hinterland von Kanton. Die Taiping-Banden wuchsen durch Zehntausende besitzlose und rebellierende Bauern an und wurden eine wirkliche Armee.

Je weiter diese Armee von Bettlern mit ihrer Ideologie der Gleichheit auf ihren Märschen von Süden nach Zentralchina vorankamen, um so enthusiastischer wurden sie von der Landbevölkerung begrüßt, die damit aus dem Schweigen heraustraten und mit einem Jahrhunderte langen Terror der Reichen Schluss machten, diese töteten, ihre Archive, Darlehensverträge verbrannten, die administrativen Sitze zerstörten, die in China wie unzähligen Städte auf dem Lande sind.

Die Rebellenarmee mit ihren spartanischen Gebräuchen erwarb sich die Sympathie der Bevölkerung, indem sie ihr Sachen und Kleider gab, die sie den Reichen abgenommen hatte und sie kündigten einen Aufschub der Steuern an, versprachen das Ende der Ungleichheit und die Verteilung von Land.

Die Taipings schafften es, einen eigenen Staat im Süden des Jangtse zu gründen, mit Nanking als Hauptstadt, einen Staat, der sich über elf Jahre halten konnte.

Es dauerte letztendlich zwanzig Jahre, von 1845-1865, in denen sich die Taipings siegreich gegen die Angriffe der kaiserlichen Generäle verteidigen konnten. Um sie zu besiegen, brauchte es Frankreich und Großbritannien, die die kaiserlichen Truppen ausbildeten, bewaffneten, ihre eigenen Offizieren in die Führungspositionen brachte, eigene Dampfboote zum Truppentransport bereit stellten, und ihre Kanonenboote auf dem Jangtse einsetzten, um die Macht der Rebellen zu brechen und die Taipings mit Kanonenschüssen zu vernichten. Es gab 20 Millionen Tote, ohne dass die Verhungerten darin mitgezählt sind, die Vertreibung der Bevölkerung und das unendliche Elend, das damit einherging.

1900-1911: der Boxeraufstand und das Ende des Mandschu-Reichs

Im Jahr 1900 gab es für die westlichen Kanonenboote eine neue Gelegenheit für einen Einsatz. Es handelte sich dieses Mal um den Aufstand der Boxer, wie man sie hier in Europa nannte, eine von den Geheimgesellschaften oder "Bruderschaften" wie die Chinesen sagen, die es vielfach im Lande gab. Diese hier nannte sich "die gerechten Fäuste", man könnte auch sagen "die Fäuste der Bauern für die Gleichheit". Aber die englische Übersetzung "Boxer" behält selbstverständlich die Fäuste bei und lässt ganz nebenbei die Idee der Gerechtigkeit und Gleichheit fallen. Tatsache ist, dass die gerechten Boxer sich zuerst in der Provinz Schantung erhoben haben (Schantung ist eine ausgedehnte chinesische Halbinsel im Süden von Peking, die der Gelbe Fluss, der zweite große Fluss in China, immer wieder mit Überschwemmungen heimsuchte, wenn er über die Deiche trat). Die Boxer rebellierten, weil drei Katastrophen gleichzeitig eintrafen: die Überschwemmungen, die Hungersnot und die Deutschen, die sich als angemessene Entschädigung für den Tod von zwei Missionaren, die Provinz als ihr Einflussgebiet einverleibten, dazu Konzessionen für Minen und Eisenbahnlinien und enorme Entschädigungssummen bekamen.

Um nicht schlechter als die Deutschen weg zu kommen, erreichte der französische Klerus vom chinesischen Kaiserhaus ebenbürtige Privilegien. So konnte man auf den Ausweisen der französischen Bischöfe und Priester folgenden Vermerk lesen: "Dieser Abgesandte des Großen Frankreichs darf in China residieren, um sich ganz allgemein den Angelegenheiten des französischen Reichs zu widmen und erhält damit den Status eines bevollmächtigten Ministers." Die Vollmacht endete mit den Worten: "Gehorcht zitternd diesen Worten." Aber im Gegensatz zum ausdrücklichen Befehl der Mandarine in ihrem unnachahmlichen Stil wurden die westlichen Zivilisationsmissionen ganz unerschrocken empfangen: Die Bauern in Schantung banden sich ein knallrotes Tuch um den Kopf und zogen mit ihren Schwertern und Lanzen in den Kampf. Einige Missionare verloren ihr Leben. Die Europäer im Viertel der Gesandten in Peking fühlten sich bedroht.

Die Vergeltungsmaßnahmen waren unendlich schlimmer als die von den Boxern verübten Massaker. Peking, die traumhafte Hauptstadt, die im Fernost war, was Paris in Europa war, wurde also von den europäischen und japanischen Heeren geplündert. In der Stadt gab es 50.000 Toten. Der Rekord der 30 000 Getöteten während der "Blutwoche" der Pariser Kommune wurde gebrochen. Französische, englische und deutsche Soldaten liefen durch die Stadt durch, die Frauen vergewaltigend, die Kinder mit dem Bajonett tötend. Einige junge Männer der Gesandtschaftsviertel, mit Jagdgewehren bewaffnet, nahmen die Bauern als Zielscheibe. Militante Missionare rühmten sich der Zahl der getöteten Bauern, nachdem sie sie getauft hatten. Ein deutscher Offizier freute sich nachher so öffentlich, in Peking sich eine schöne Zeit gemacht zu haben: "Wenn ich den Fasan jage, töte ich die Männchen, schone ich die Weibchen, und lasse ich die Jungen im Leben; wenn ich die Chinesen jage, töte ich alles: Männer, Weiber, Kinder, Junge und Alte". (Diese Ereignisse des Boxeraufstandes sind in dem Buch von Han Suyin "Der große Traum" erzählt. Dieses Buch ist autobiographisch und beruht auf den Zeugnissen einiger seiner chinesischen Familienmitglieder und gibt damit ein genaues und engagiertes Bild von China zu Beginn des Jahrhunderts wieder)

Das Kaiserreich musste 500 Millionen Dollar Entschädigung für die getöteten Europäer zahlen. Neue Häfen und Städte wurden für den Westen geöffnet. Eine ständige Garnison wurde in Peking und in den Städten entlang der Eisenbahnlinien durch das Land eingerichtet. Die westlichen Diplomaten profitieren davon und konnten sich aufs Neue Stücke Chinas unter den Nagel reißen. Die Dynastie jedoch erhob sich nicht dagegen. 1911 wird in Nanking die Republik ausgerufen, durch einen Nationalisten namens Sun Yat-sen, aber weder er, noch seine Partei, die Kuomintang, werden die Macht in der neuen Republik

1919-1927: revolutionäre Situationen und weißer Terror

Der Zusammenbruch der Dynastie machte den Weg frei für eine Reihe von Militärcliquen, die in Peking nun aufeinander folgten. Die "Einheit Chinas" war mehr als je zuvor eine Fiktion. Zwischen 1917 und 1927 verwüsteten mehr als 1.500 Militärchefs, größere oder kleinere Kriegsherren, das Land.

Die Westler passten sich der jeweiligen Situation an, bei jeder neuen revolutionären Erhebung, bei jeder Erschütterung der aktuellen Machthaber blockierten die westlichen Kanonenboote die Häfen, entsandten ihre Truppen, ließen die widerständischen Studenten oder die Streikenden erschießen, wenn sie die Erschießungen nicht sogar selbst ausführten. Unterdessen schlossen sie mit der nächsten Clique Verträge, bis diese den Platz der alten einnehmen konnte.

Aber ab 1923 wuchsen - großenteils als Auswirkung der siegreichen Revolution in Russland - die bürgerliche Nationalbewegung und die proletarische Bewegung mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und sich gegenseitig beflügelnd an. Es gab keinen Zweifel: Eine vergleichbare Revolution wie 1917 in Russland begann heranzureifen.

Und 1926 stellte die Kuomintang, die von Sun Yat-sen gegründete Nationalpartei, eine Armee in Kanton auf, der größten Stadt im Süden. Diese Armee, gut trainiert und von chinesischen Kommunisten und Sowjeträten durchdrungen, aber von Chiang Kai-shek geführt, begann ihren Marsch nach Norden und zur Macht.

Die chinesische Bourgeoisie und das Kleinbürgertum, je nachdem, ob sie sich fortschrittlich oder konservativ gaben, warteten mit Hoffnung oder Angst darauf, dass die neue Armee die gerade herrschenden Kriegsherren in der Hauptstadt entthronen würde.

Namen der Köpfe der Kuomintang brachten die unterschiedlichsten Gefühle und Einstellungen zutage. Chiang Kai-shek versetzte einige der wohlhabenden Familien in Angst. Hatte er nicht in Moskau gelernt, was es heißt eine Revolution zu machen? Die Studenten sprachen auch von einem ganz jungen Mann, Zhou Enlai, der junge Offiziere in Kanton ausbildete. Er verbrachte auch eine gewisse Zeit in Frankreich, und man wusste, dass er in Paris den Kommunismus studiert hatte. Diese Studenten und die gesamte radikale Intelligenz in Peking hatten die Vorräte an rotem Tuch von Peking geleert. Sie bereiteten rote Fahnen zum Empfang Chiang Kai-scheks in der Hauptstadt vor. Manifestationen der Studenten weiteten sich aus und die Polizei, die Soldaten der Kriegsherren oder die ausländischen Truppen griffen sie an. Die Studenten setzten nichtsdestotrotz ihre Demonstrationen fort, sangen ihre Lieder und starben im Kugelhagel.

Sie demonstrierten auch 1926, als die Britten in Shanghai auf die Arbeitenden im Generalstreik schossen. Wie immer gab es unzählige Verhaftungen, Leute die verschleppt wurden und irgendwo in dunklen Winkeln ermordet wurden.

Barrikaden wurden um das Gesandtschaftsviertel herum errichtet, wohin sich die Europäer flüchteten, wenn sie Unruhen fürchteten, und die Japaner bildeten einen Ring von Truppen.

So wuchs die Armee von 50.000 Mann, die Kanton verließ, um nach Norden zu marschieren, das Land zu befreien und zu vereinigen, immer stärker an, je weiter sie vorankamen. In Peking, wie auch in anderen großen Städten, fürchteten die europäischen Beamten und die Bourgeois um ihr Eigentum. Die Zeitungen, die Pfaffen in den Schulen sprachen von Massakern, die die Roten der Kuomintang anrichteten, die Soldaten würden sich die Frauen aufteilen, die Kinder als Rote umgemodelt, bis sie bereit wären, ihre Mütter umzubringen. Die gute Gesellschaft von Peking hatte eine Heidenangst vor Chiang Kai-schek und seinen roten Banditen.

Und dann war 1927 plötzlich Schluss mit allem. Das Gespenst der sowjetischen Revolution war wie weggezaubert. Die Stacheldrahtzäune um das Gesandtschaftsviertel wurden weggeräumt. Alle, die Chiang Kai-shek für einen roten Banditen hielten, mussten in wenigen Tagen erkennen, dass es sich um einen wirklich vorzüglichen Mann handelte, ihr Chiang Kai-shek.

Das muss man sich mal vorstellen! Als er auf dem Marsch nach Shanghai war, haben sich die Arbeitenden in den Städten erhoben und gekämpft, um ihn zu unterstützen (ihre kommunistischen Führer sagten nun, dass man die Revolution verbreitern müsse, um sie später zu vertiefen), aber derselbe Chiang Kai-shek hatte die Situation urplötzlich herumgerissen. Mit den englischen, amerikanischen und französischen Bankiers und Geschäftsleuten von Shanghai hatte er eine Abmachung getroffen, und so ließ er Tausende Arbeiter erschießen, um dem Kommunismus ein Ende zu machen. So war er also kein Kommunist, wie man zuerst glaubte. Man konnte ihn also empfangen und er würde keine Revolution machen!

Und vom Südosten des Landes aus, von Kanton über Shanghai bis zu den großen Städten am Jangtse in Zentralchina konnte die Armee Chiang Kai-sheks, mit dem weißen Terror im Hintergrund, ihren Marsch nach Norden fortsetzen. Dieses Mal begleitete sie weder der Enthusiasmus noch die Erhebung der armen Bauern, den sie gegen ihren Willen geweckt hatten, sondern der reine Terror und Massaker an den roten Bauern, die von den Feudalherren, arrogant wie nie zuvor, denunziert wurden.

Die ausländischen Mächte hatten so auch ihren starken Mann gefunden, einen Militärchef, der keine eigenen Ideen hatte, sondern sie von allen anderen auslieh. Zu Beginn kommunistisch angehaucht, dann sich als Demokraten darstellend, spielte er auch mal den Christen und übernimmt letztendlich die faschistische Pose wie in Europa.

Ein Jahr später, 1928, wurde er mit riesigem Triumph in Peking empfangen. Und es war das blaue Banner mit der weißen Sonne der Kuomintang, welche die Kleinbürger schwenkten, während die Studenten, die im letzten Jahr die roten Fahnen angefertigt hatten, sich verkriechen mussten.

Und die alle passten sich dieser Wendung an. So wie die hohen Beamten der Kuomintang die Hemden mit dem Stehkragen von Sun Yat-sen trugen, tat es Chiang Kai-shek ihnen beflissentlich nach, genauso wie die alten und neuen Nationalisten sich dieser Mode anpassten. (Dieses Kleidungsstück von Sun Yat-sen, die Kleidung der Nationalisten, wird heute im Westen für den "Mao-Anzug" gehalten.)

So sehr man vor 1927 Angst vor den Roten hatte, so sehr konnte man sich jetzt gegenseitig versichern, dass die Gefahr vorüber war. Zwar konnte man sich noch darüber beschweren, dass Schulen und Universitäten noch einige Kommunisten hervorbrachten, aber der allgemeinen Meinung nach musste das schnell vorüber gehen. Eine kommunistische Gefahr? Was sie denken! In Peking ging man davon aus, dass nur noch ein paar Räuber in der Provinz Hunan, südlich des Jangtse übrig geblieben war. Der eine davon hieß Zhu De, der andere Mao Tse-tung.

Dieser Zhu De und der Mao waren Banditen von untergeordneter Bedeutung, die man schnell erledigen würde. Das waren höchstens ein paar Hundert Räuber, weniger als die Räuberbanden, die sich gewöhnlich im Norden herumtrieben.

1928-1937: Schicksalswenden der "roten Stützpunkte" und der kommunistischen Armeen gegen die Armeen von Chiang Kai-shek und den Kriegsherren

Die reaktionären Kleinbürger von Peking hatten da nicht ganz Unrecht.

Nach dem Scheitern der Arbeiter- und dann der Bauernaufstände im Jahre 1927 und dem weißen Terror, der sich daran anschloss, war die kommunistische Bewegung in den Städten, die die chinesische Bourgeoisie so erschreckt hatte, auf wenige, kleine Gruppen reduziert und dabei sich aufzulösen.

Und 1928 wurden die übrig gebliebenen bewaffneten Banden, wie die von Zhu De oder andere im Süden des Landes, oder im Westen in Setschuan, oder noch weiter entlegene, wohin die Armee der Regierung nicht hätte gelangen können, von der Landbevölkerung als "eine Armee mehr, die hier bei uns vorbei zieht", angesehen.

Die Heldengeschichte von Mao und seinen Weggefährten, wie sie als kleiner Trupp von Bergpartisanen im Süden von Hunan 1927 losgezogen waren, bis zum Heranwachsen zu der Millionenarmee im Jahr 1949 ist weitläufig bekannt. Sie hat allerdings auch ihre eigene Legende und ihren Mythos.

Nach dieser Legende hatte über 22 Jahre die "Strategie des Volkskrieges" oder, wie man auch sagte, des "Verlängerten Volkskrieges", es einer Handvoll durch den weißen Terror verfolgter Kommunisten erlaubt, statt eine Basis bei den Arbeitern in den Städten wieder aufzubauen, eine Basis unter den Bauern zu gewinnen. Das führte zum fortschreitenden Heranreifen einer Bauernrevolution und im Laufe der Jahre übernahm die Volksarmee auch die Macht in den Städten, im Sinne der unausweichlichen Taktik, die Städte durch die aufständischen Bauern einzukreisen. Das Schema hat sicher eine gewisse Logik. Leider entspringt sie eher der maoistischen oder der Dritte-Welt-Mythologie, als der historischen Wahrheit.

Von 1927 bis 1946, das heißt in über 20 Jahre, haben sich die Bauern in den Gegenden, in denen Maos Armee durchzog oder die er kontrollierte, niemals während ihres Durchzugs rebelliert. Es gab die "roten Stützpunkte", wo kommunistische Guerilleros als kleine Banden von Partisanen isoliert blieben. Über quasi zwei Jahrzehnte traten sie wie Ehrenbanditen im Schutz der Berge auf und die chinesischen Bauern waren daran gewöhnt. So war es unter anderem in Kwantung, der Provinz von Kanton. Und dann gab es Regionen, wo die Partisanengruppen anwuchsen, bis sie eine richtige Armee darstellten. Das war der Fall in sehr bevölkerungsschwachen Regionen am Rande abweisender Gebirge und meistens in Grenzregionen zwischen dem Einflussgebiet eines Kriegsherren und der Regierungsarmee.

In den 30er Jahren schlossen sich Deserteure, die gewaltsam zum Dienst in der nationalen Armee oder in die Truppen der Kriegsherren eingezogen worden waren, und Verfolgte des weißen Terrors den roten Stützpunkten in der Provinz südlich von Kiangsi an, damit vergrößerte sich die Truppe, bis sie unter Führung der kommunistischen Chefs wirkliche professionelle Armeen darstellten.

Eine solche Armee konnte natürlich ein viel größeres Territorium kontrollieren, als die roten Stützpunkte. Und so hatte die rote Armee ein Gebiet, so groß wie Belgien unter sich, auf dem fünf bis sechs Millionen Bauern lebten.

Die rote Armee fand sich in der Situation roter Kriegsherren wieder, ohne jedoch bei der ansässigen Bevölkerung zu sehr als Parasiten aufzutreten. Die feudalen Kriegsherren hielten schmarotzende Armeen, die die Bevölkerung maximal terrorisierten, um in kürzester Zeit so viel wie möglich zu ihrem Unterhalt zu erpressen.

Die Chefs der roten Armee hielten es eher mit der spartanischen Tradition der Taipings und anderer Vorgänger dieser Art, die versuchten ihre Anwesenheit so erträglich wie möglich zu gestalten, um von der lokalen Bevölkerung so lange wie möglich geduldet zu werden.

Aber, und das ist nur scheinbar paradox, als die Rote Armee der "sowjetischen Republik Kiangsi" in China 1934 auf dem Höhepunkt ihres Wachstums und ihrer Erfolge war, befand sie sich gleichzeitig in einer prekären Situation. Militärisch zu groß, um auf unbestimmte Zeit von der Regierungsarmee geduldet zu werden und zu zahlreich, um von den lokalen Bauern weiter durchgefüttert zu werden, entschieden sich die kommunistischen Generäle eiligst, die "sowjetischen Stützpunkte" zu verlassen. Darin unterschieden sie sich in nichts von den gewöhnlichen chinesischen Kriegsherren, die letztendlich ihrer Armee verpflichtet waren und diese in ein neues Gebiet führten, sobald sich in dem alten die militärischen und versorgungstechnischen Möglichkeiten erschöpften. So fing also die lange Flucht der Roten Armee an, die Regierungstruppen immer dicht auf ihren Fersen, die man in der Folge den Langen Marsch nannte.

Die lange Flucht erwies sich dabei länger als vorhergesehen. Sie dauerte ein Jahr. Man musste weite Umwege machen, über die hohen Gebirge im Westen und die mongolischen Sümpfe, und zögernd, wohin man sich in dem weiten China wenden sollte, entnahm Mao zufällig, sagt man, aus einer Zeitung der Kuomintang, dass es im Norden des Landes einen von der Vorhersehung bestimmte roten Stützpunkt gab, ganz in der Nähe der UdSSR, in der Hand eines unbekannten roten Kriegsherren, dem er sich im Oktober 1935 mit sieben Tausend Mann zugesellte. Und so begann in dieser mehr oder weniger öden Region im Norden von Zentralchina ein ähnliches Abenteuer wie 1931-1934 in Kiangsi.

Mit dem Unterschied, dass die kommunistischen Chefs diesmal versuchten, ihre Armee so autark wie möglich zu führen. Dafür errichteten sie ihre eigene Verwaltung, produzierten ihre Lebensmittel selbst ebenso wie die nötigen Verbrauchsgüter in eigenen Handwerksstätten. So etablierten sie gute Beziehungen zu der Bevölkerung, mit der sie zusammen lebten. Und der Fakt, dass die Region an sich öde und schwächer bevölkert war, als die vorhergehende Provinz, vereinfachte die ganze Sache. Indem die Armee zur produktiven Arbeit herangezogen wurde, verwandelten sich die Soldaten in Bauern und Handwerker, die sich selbst ernähren und versorgen konnten, das verstärkte die spartanische Moral und es wurde auch nicht mit den ersten Kampagnen zur Umerziehung im Verhalten der kommunistischen Kader gespart, begleitet von Säuberungswellen zur Beseitigung von reellen und potentiellen Gegnern, Kampagnen, die später nach der Machtergreifung 1949, ein Instrument der Regierung werden sollten.

Alles ging also ohne größere Probleme in dem neuen kommunistischen Stützpunkt im Norden ab, wo sich die maoistische Regierung in den Felsgrotten oberhalb der Stadt Yanan einrichtete, die dann ein bevorzugter Anlaufpunkt für den internationalen politischen Tourismus wurde, ein beliebtes Sujet der Neugierde für amerikanische Journalisten.

Alles lief solange gut, wie die benachbarten Kriegsherren die neuen roten Stützpunkte mehr oder weniger tolerierten und Chiang Kai-shek hatte zu der Zeit noch nicht die Möglichkeit eine größere Militäroffensive zu starten. Aber auf lange Sicht konnte die Angelegenheit nur auf der Basis eines politischen und militärischen Einverständnisses verbleiben, einer Art Status quo mit der nationalistischen chinesischen Regierung.

1937-1945: Maos politische Einigung mit Chiang Kai-shek im Namen des nationalen Kampfes gegen die japanische Besatzungsmacht

Es ist eine Tatsache, dass seit der Invasion der Japaner in Nordchina im Juli 1937, ein Abkommen zwischen der Regierung Maos und Chiang Kai-sheks existierte. Zhou Enlai wurde so etwas wie ein ständiger Botschafter in der Kuomintang. Gegenseitige Besuche zwischen der Regierungszone und der roten Zone fanden statt, auch Militärmissionen, auf denen die Frage der Integration der "roten" Truppen in die nationalistische Armee diskutiert wurde. Moskau unterzeichnete im Übrigen einen Nichtangriffspakt mit der Regierung in Nanking.

Die Kommunistische Partei Chinas verzichtete offiziell darauf, die Kuomintang gewaltsam zu stürzen und setzte sich dafür ein, mit den gewaltsamen Konfiszierungen von Land bei den Großgrundbesitzern aufzuhören(soweit sie denn bisher wirklich konfisziert wurden). Sie schaffte ab, dass die Rote Armee als solche benannt wurde, als auch deren Abzeichen, reorganisierte sie als eine nationale revolutionäre Armee und unterstellte sie der direkten Kontrolle der regionalen Kommandos der Kuomintang unter dem Namen: "Achte Feldarmee".

In diesen Jahren einer relativen politischen Idylle standen Mao und Chiang in Briefkontakt, dessen Ton - zumindest von Maos Seite - über die diplomatische Höflichkeit hinausging. Hier ein Auszug aus einem Brief Maos an Chiang, Ende 1938:

"In Yanan zurückgekommen, würdigten Zhou Enlai und andere Genossen ihre Freundlichkeit, die ich tief bewundere. Alle unsere Landgenossen respektieren Ihre Aktion am Kopf unseres Landes in diesem Krieg ohne Präzedenzfall, für die Befreiung und die nationale Revolution (...) In diesen Umständen haben die Kuomintang und die Kommunistische Partei Chinas ihre Anstrengungen nach einem gemeinsamen Ziel vereinigt (...) Wir werden von dieser Nation eine Großmacht in Ostasien tun. Ich denke, dass Ihr meine Meinungen in diese Hinsicht teilen. Ich wünsche Ihnen Gesundheit und ich grüße die Nationale Revolution". (Zitiert von Dick Wilson in seiner Mao-Biographie, 1980)

Mao schien tatsächlich bereit zu sein, alle nationalistischen Gefühle Chiangs zu teilen, obwohl letzterer ihm das ziemlich schlecht heimzahlte.

So kam es, dass die japanische Besetzung in Nordchina es Mao erlaubte, seinen Einfluss in den von den Japanern besetzten Zonen und den von den nationalistischen Truppen aufgegeben Gebieten zu erweitern.

Man muss dazu sagen, dass die nationalistischen Truppen den japanischen Truppen kaum Widerstand boten. Die Generäle Chiangs verstanden sich eher darauf, unbewaffnete Bauern hinzumetzeln, als sich einer modernen Armee entgegen zu stellen. Und die japanische Besetzung Nordchinas eröffnete Mao und seinen Anhängern die Gelegenheit, den Widerstand gegen die japanischen Besatzer zu organisieren. Im Endeffekt wurden in den Zonen, wo die höheren Beamten und die Mehrheit der Lokalbehörden mit der nationalistischen Armee geflohen waren, Milizen von Lehrern und Erziehern organisiert. Hinter dem Rücken der japanischen Autoritäten (und ohne deren Wissen), formierten sich lokale Regierungen unter der Leitung von angesehenen Patrioten, zusammengesetzt aus Studenten, einigen Geheimagenten der Kommunistischen Partei Chinas, Liberalen, die wenig später die Regierung in den Grenzregionen übernahmen, den so genannten "befreiten" Gebieten, die von der Roten Armee kontrolliert wurden. Als die kommunistische Berufsarmee Ende 1937 ankam, fand sie einen guten Empfang bei der Bevölkerung, die angenehm überrascht war, chinesische Soldaten zu sehen, die nicht vor der japanischen Front flohen.

Die Studenten, Würdenträger, Patrioten, die Bauern empfingen mit Freude ihre Kameraden aus der 8. Armee und boten den alten Soldaten unter den Chefs der Roten Armee wichtige Posten in ihren Banden an, so dass Köche und Maultiertreiber, Überlebende des Langen Marsches, Kompaniechefs in den patriotischen Milizen wurden. Die patriotischen Studenten folgten mit Enthusiasmus den Direktiven der Roten Armee und wurden bald politische Leiter der Guerilla-Organisation unter maoistischer Führung.

Während dieser acht Jahre zwischen 1937 und 1945 (Ende des Zweiten Weltkrieges) erlaubte es der Kampf gegen die japanische Besatzung, die sozialen Widersprüche zu maskieren. Aber mit dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Kapitulation der Japaner August 1941 wird sich das ändern. Die Kommunistische Partei Chinas wird mit der sozialen Revolution auf dem Lande konfrontiert werden.

1945-1948: der Bauernaufstand

1945, am Ende des zweiten Weltkrieges, waren die Weltmächte stark darauf bedacht, in den industriellen Hochburgen des Kapitals die Gefahr einer Revolution nicht aufflammen zu lassen. So kam es ihnen nicht in den Sinn, dass das revolutionäre Feuer auf die Kolonien übergreifen könnte, die ruiniert, ausgebeutet, künstlich in der halbfeudalen Barbarei gehalten, danieder lagen. Und im Hinblick auf China fühlten sie sich in Ruhe gewiegt.

Im August 1945 hielt Chiang Kai-shek einen triumphalen Einzug in Nanking, seit 1928 die neue Hauptstadt. Dank Präsident Roosevelt gelang China der fünfte Rang in der Liste der Großmächte, und der Name Chiang Kai-sheks erschien hinter Roosevelt, Churchill, de Gaulle und Stalin. Diplomaten und amerikanische Offiziere tanzten in den wieder eroberten Nachtklubs von Shanghai und Nanking. Ihre Verbündeten in der Kuomintang betrogen, handelten mit Opium und Mädchen, spekulierten, und ergriffen so Besitz von China. Im Umkreis der Fabriken und in den Vororten starb man Hungers. Auf dem Lande aßen die Bauern Unkraut. Aber im Viertel Mac Arthur in Tokio oder in den Luxusbüros der amerikanischen Militärräte war man sich seiner Sache gewiss. Sicher, es gab kommunistische Soldaten in China. Aber Mao verlangte nur, sich in Chiangs Regime einfügen zu dürfen, er hatte das während der japanischen Besetzung bewiesen. Und Stalin wies ihn auch in diese Richtung und Mao schien das zu befolgen. Und außerdem hatte Chiang Kai-shek von einer derart schlecht ausgerüsteten Armee kommunistischer Soldaten, ohne Luftwaffe und Panzer nichts zu befürchten. Munition in ausreichender Anzahl für ein paar Kanonen, die von den Japanern erbeutet wurden, hätte die nicht fabrizieren können. Auf der anderen Seite stand Chiang Kai-sheks Armee mit drei bis vier Millionen nationalistischer Soldaten, Hunderten von Panzern, Tausenden von Kanonen und die USA hatten 500 Flugzeuge geschickt.

Mac Arthur hatte an alle japanischen Kommandanten die Instruktion gegeben, auf keinen Fall den Roten Waffen zu überlassen und Widerstand zu leisten, bis die Truppen der Kuomintang in den Nord-Osten vorstoßen würden, bevor sie die Kapitulation anböten. In aller Eile stellten die 7. Flotte und die Luftwaffe der USA eine gigantische Luftbrücke her, um die Truppen Chiang Kai-sheks vom Zentrum Chinas Tausende Kilometer weit in die Mandschurei zu transportieren, die die Vortruppen Maos aufhalten sollten. Trotz aller Hoffnungen hatten die chinesischen Kommunisten 1945 von der UdSSR weder Waffen, noch Munition und Ausbilder bekommen. Und als im Dezember 1945 die russische Armee die Städte in der Mandschurei evakuieren musste, waren es Chiang Kai-sheks Luftwaffen-Divisionen, denen sie die Macht überließ und nicht den Truppen Maos. Die Jalta-Verträge wurden respektiert.

Und während die Führer der Kommunistischen Partei Chinas immer noch hofften, dass eine Regierung der nationalen Einheit mit der Kuomintang zustande kommt, vermied einerseits Chiang Kai-shek auf jeden Fall eine Einigung mit ihnen, ging sogar zum Angriff über. Aber auf der anderen Seite entwickelte sich in den Gebieten der nördlichen Ebene, die gerade von der japanischen Besetzung aufgegeben worden waren eine Revolution der Bauern.

Wie kam es dazu?

Tatsache ist, dass die japanische Besetzung im Norden Chinas für die Bauern furchtbar war. In Tausenden von abgelegenen, auf sich selbst gestellten Dörfern, weit entfernt von der Front und den Gebieten, wo Guerillatruppen kämpften, hatten sich die Grundherren zu den Werkzeugen der Japaner gemacht, zuerst von den japanischen Erpressungen erschrocken, wurden sie dann zu deren Komplizen und Handlagern. Die Bauern bezahlten die Rechnung dieser Machtüberlagerung. Zitternd vor den "japanischen Teufeln", wurden die Herren gegenüber den Dorfbewohnern immer unerbittlicher. Bis sie schließlich mehr verlangten, als von ihnen verlangt wurde. Solange der Krieg dauerte, krümmten die Bauern den Rücken, und in ihrem Inneren gärte eine furchtbare Rache.

Bis 1946 hält Mao ein moderates landwirtschaftliches Programm aufrecht, um es sich nicht mit den patriotischen gesinnten Herren zu verscherzen

Und dann, trotz des Vertrauens in die roten Partisanen, die die Bauern respektierten und die ihnen die Selbstverteidigung gegen die Besatzer beibrachten, erzeugte das zurückhaltende Landwirtschaftsprogramm der Kommunisten, welches nicht über eine Reduzierung der Pacht für das Land und eine Steuererleichterung hinaus ging, (um letztendlich die patriotischen Großgrundbesitzer in der patriotischen Front einzureihen) das Misstrauen der armen Bauern, Pächter und Landarbeiter. Als die Kommunisten die Landaufteilung fallen ließen und den Bauern ankündigten, dass sie die Herren vergessen und gegen die Japaner kämpfen sollten, wurden diese misstrauisch. Als ein kommunistischer Kader zu ihnen kam, um ihnen gut zuzureden, murmelten einige leise: "Fang kuo pi" (Hundewinde) und sie gingen ihres Wegs. Sie hatten schon andere gesehen, Intellektuelle, die gekommen waren, sie zu belehren, wo es lang gehen solle. Jedenfalls ist es das, was der amerikanische Journalist Jack Belden berichtete, der wie John Reed 1917 in Russland, 1947 nach China an der Seite der Roten kam und zu verstehen suchte, wie die chinesische Revolution ablief. Er schrieb ein ebenso außergewöhnliches und gut berichtendes Buch wie John Reed, von welchem er sogar Teile des Titel übernahm: "China erschüttert die Welt".

Im Allgemeinen hatten die kommunistischen Kader die Bauern an der Hand, solange die japanische Gefahr spürbar war. Jedoch nach der Kapitulation der Japaner konnte man die Bauern nicht mehr nur mit Worten abspeisen. Die Forderung nach Boden verbreitete und verstärkte sich schnell, bis hin zu einem unüberhörbaren, drohendem Ruf! Das zwischenzeitliche Verschwinden jeglicher Macht in den von Japanern befreiten Gebieten gab jedem Dorf die Chance, die Situation zu verändern. Die Bauern sprachen zwar nicht davon, die Macht im Dorfe zu übernehmen, auch nicht von einer Landreform oder einer Aufteilung des Bodens. Aber sie nahmen die Gelegenheit wahr, mit den Landesverrätern abzurechnen, die dann nebenbei größere Grundbesitzer waren, denn der Krieg ließ die armen Bauern noch stärker verarmen. Die Bedürftigsten fanden sich an erster Stelle bei der Abrechnung.

Es gab Versammlungen, anfänglich von den kommunistischen Kadern organisiert, auf denen abgerechnet wurde, die dann jedoch eine merkwürdig radikale Wendung nahmen. Die Verräter mussten alles herausrücken, nicht einen geklauten Cent durften sie behalten.

Und die Schulden der Verräter waren beträchtlich, sie hatten so viel gestohlen, Korn versteckt in Zeiten des Hungers, um damit zu spekulieren, dass dann all ihre Güter nicht ausreichten, um die Armen zufrieden zu stellen, die Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verlangten.

Die Gutsbesitzer und ihre Verwalter wurden vor Wägen gespannt, weil sie die Bauern wie Vieh behandelt hatten. Einige kamen mit Beleidigungen davon, andere starben unter Stockschlägen, wurden gehängt oder gesteinigt. Die Kader und Soldaten, die das einzudämmen versuchten, wurden nicht gehört oder sogar selbst verprügelt. Seit den ersten Monaten des Jahres 1946 machte sich eine solche Bewegung in ganz Nordostchina breit.

Diese revolutionäre Explosion auf dem Lande war weder gewollt, noch unterstützt und geplant von der Kommunistischen Partei Chinas. Diese wollte nicht die Angst vor den Roten bei der Bourgeoisie und den Kleinbürger auf dem Lande und in den Städten hervorrufen.

Die Abrechnungen, die zur Vernichtung der Feudalherren führte, passten den Kommunisten gar nicht. Wenn sie den Bauern zu ihrem Recht verhalfen, konnten es sich die Kommunisten mit manchen anti-japanischen Kriegsherren verscherzen, der Chef in einer Gebietsregierung war und mit der Roten Armee marschierte. Schlimmer noch, sie konnten die Sympathie der Liberalen in der Kuomintang verlieren.

Sommer 1946: Um der Offensive Chiang Kai-sheks zu begegnen, setzt sich die Kommunistische Partei Chinas in die Spitze der Bauernaufstände

Die Zeit verstrich. Die Friedensverhandlungen mit der Kuomintang waren quasi abgebrochen. Gestärkt durch die Waffen der Amerikaner und durch das neue Kraftverhältnis nach dem Abzug der Japaner, trat Chiang Kai-shek Anfang 1946 die Offensive gegen die Rote Armee an. Die Situation der Armee Maos war bedroht. Dass die Armee Maos den Bürgerkrieg gegen die Kuomintang wieder aufnehmen musste, wurde trotz aller Anstrengungen Maos sehr wahrscheinlich. Er musste wählen. Den Unmut aller Seiten, außer dem der armen Bauern und der Landarbeiter zu riskieren, fiel den chinesischen Kommunisten schwer. Aber den Angriff der Kuomintang nur militärisch abzuwehren, ohne die Unterstützung der erzürnten Bauern, das war ganz und gar unmöglich.

Jack Belden berichtete so: "Die Kommunistische Partei zögerte... Der Herbst 1945 ging vorüber. Die Forderungen der Bauern wurden immer dringender. Der Winter 1945/1946 kam und ging. Es fiel keine Entscheidung. Der Frühling kam. Die Zeit der Aussaat kam heran. Eine Entscheidung musste fallen. Die Kommunisten zögerten immer noch (....) Ein Schritt zurück: der Frieden mit den Grundbesitzern; ein Schritt nach vorn: der Krieg gegen das feudale Regime. Ganz sicher, eine schreckliche Entscheidung war zu treffen." Und dann letztendlich: "Im Laufe des Sommers 1946 brachten Boten den Kreiskommissaren den Befehl: ,Teilt den Boden auf!' Die Würfel waren gefallen. Die Kommunistische Partei Chinas hatte ihre Wahl getroffen. Sie hatten ihren Rubikon überquert."

Zum ersten Male seit 22 Jahren hatte sich die KP Chinas tatsächlich für die Seite der Bauern entschieden und diese zu ihrer Basis gemacht, als sie sich an die Spitze des ausbrechenden Bauernaufstandes stellten.

Der Bürgerkrieg zwischen den beiden Chinas vermischte sich mit dem Kampf um den Boden. Und der Bauernaufstand entwickelte sich auf der einen Seite der Front ganz anders als auf der anderen.

Hinter den Linien der Roten hatten die Grundbesitzer keine Chance, sich gegen die Aufteilung des Bodens zu wehren. Hinter den Linien der Nationalisten warfen sich die Bauern mit aller Macht und zu allem entschlossen in einen Guerillakampf gegen die Kuomintang und die Banden der Grundbesitzer, die wiederum nicht zögerten mit Waffengewalt gegen alle Verdächtigen vorzugehen und sogar Leute bei lebendigem Leib eingruben, vor den Augen der Dorfbewohner, die mit Gewalt gezwungen wurden zuzusehen.

1947: Die Bourgeoisie und das Kleinbürgertum lassen Chiang Kai-shek fallen

Ende 1947 war im Norden vom Jangtse das Hinterland der Front der Nationalisten von der Guerilla belagert. Nicht eine Transporttruppe konnte sicher vorankommen. Parallel dazu verfielen in den Städten die Bourgeoisie und das Kleinbürgertum, die soziale Basis der Kuomintang. Die chinesische Bourgeoisie selbst gab die Kuomintang auf. Die Polizei Chiang Kai-sheks übernahm es, ihr die letzten Illusionen einer nationalen Einigung zu rauben.

In den großen Städten demonstrierten die Studenten und die Kleinbürger mit pazifistischen und antiimperialistischen Slogans. Die Kuomintang attackierte sie darauf mit Gewehr- und Granatenschüssen. Hunderte von Akademikern wurden eingesperrt, in die Flüsse geworfen und ertränkt, lebendig eingegraben, in den Gefängnissen gefoltert. Tausende Studenten und Hunderte Professoren verschwanden in Gefängnissen und Konzentrationslagern der Kuomintang.

Die liberale Friedenspartei verschwand. Jedoch mehrere Zehntausend Studenten flohen in die befreiten Regionen, um sich vor den Verfolgungen zu schützen. Ihnen folgten bald Hunderttausende von Kleinbürgern und alle möglichen Arten von Beamten, die durch Diebstahl, Spekulation und Erpressungen durch Würdenträger der Kuomintang ruiniert worden waren. Und die aufständischen Bauern fanden in den Studenten die intellektuellen Führungskräfte, die ihnen fehlten.

Dazu kam, dass sich die Armee, letzte Stütze des Regimes, selbst auflöste. Die Generäle und Offiziere stellten sich die Frage, ob es nicht an der Zeit sei, das Lager zu wechseln. Und 1948 konnte die Rote Armee mit der Unterstützung der Bourgeoisie, ihres Staatsapparats und ihrer Armee rechnen, um die Kontrolle in den Städten zu übernehmen.

1948: Die Kommunistische Partei Chinas bremst die Agrarrevolution aus, um die städtischen Mittelklassen für das rote China zu gewinnen

Als letzten Akt vor der Machtübernahme hatte die Kommunistische Partei sich mit der chinesischen Bourgeoisie geeinigt und garantierte, dass sie nichts zu befürchten habe, ebenso wie die Würdenträger in den Städten, die auf vielfältigste Weise mit den Grundeigentümern und Landherren verbunden waren.

Die Angst vor den Roten überkam sie 1946 und 1947 wieder, als die Bauern an ihnen Rache übten. Also mussten sie aufs Neue beruhigt werden, diese patriotischen Bourgeois. Und wie Ende 1947 - das Kräfteverhältnis der Militärkräfte zwischen der Kuomintang und der KP hatte sich zugunsten der Letzteren verändert und nur deshalb war es möglich, das Land militärisch zu erobern - war es Zeit, mit den überbordenden Landaufständen Schluss zu machen.

Und so sah man nochmals die Führung der Kommunistischen Partei Chinas in der Landfrage eine Kehrtwendung machen, diesmal jedoch in die entgegen gesetzte Richtung von 1946, diesmal um zur alten Allianz-Politik mit den patriotischen Herren zurück zu kommen. Ende 1947 entschloss sich die Führung der Kommunistischen Partei Chinas Schluss mit den Auswüchsen der Bauernaufstände zu machen. Die Unterscheidung zwischen den feudalen Grundherren auf der einen Seite und den reichen Bauern und dem Bürgertum auf dem Lande auf der anderen Seite wurde wieder aufgenommen und mit feinen Nuancen präzisiert und man forderte die armen Bauern auf, diese subtilen Unterschiede zu beachten. Der Kampf der Kommunistischen Partei, die Bauernrevolution zu kontrollieren und abzuschwächen, brachte also den Zusammenschluss mit den städtischen Mittelklassen und dem roten China voran.

1917 in Russland schlossen sich die Armen in den Städten mit den Armen auf dem Lande zusammen. 1948 und 1949 in China überließen die kommunistischen Führer die Armen auf dem Lande sich selbst, um sich des Zusammenschlusses mit den Reichen der Städte zu versichern. Das ist der ganze Unterschied zwischen einer proletarischen Revolution und einer nationalistischen, selbst wenn sie populär zu sein scheint.

Der Brand der Bauernrevolution wurde Ende 1947 auf halbem Wege erstickt (nur ungefähr die Hälfte Chinas war erreicht worden), weil Mao zu diesem Zeitpunkt die Bauernaufstände nicht mehr brauchte. So kam es, dass die Vorausschauenden unter den Offizieren der Kuomintang heimlich Kontakt zum Feind aufnahmen, um die Bedingungen ihrer Kapitulation auszuhandeln, das heißt, ihre Integration in den militärischen Apparat der Roten.

1948-49: die militärische Eroberung des Landes und die Übergabe der Macht in den Städten

1948 und 1949 liefen die großen Schlachten, die von der Roten Armee gewonnen wurden, in ihrer Mehrzahl ohne Kampf ab. Die Offiziere und Kommandanten der Kuomintang (KMT) liefen mit ihren Truppen einfach auf die andere Seite über. Und der neue Lange Marsch der Roten Armee, diesmal siegreich, in Richtung Süden, endete einfach in einem Amalgam und einer Fusion des roten Offizierskorps mit dem nationalistischen Offizierskorps, das ankam, um direkt in der neuen Hierarchie Platz zu nehmen.

Seit dem Winter 1948/49 stießen die Eliteeinheiten von Lin Piao, unterstützt von Flugzeugstaffeln und den im Norden neu eroberten gepanzerten Kolonnen, in Richtung Jangtse vor. Der nationalistische Kommandant der Region von Peking und Tientsin, der sich umzingelt sah, hatte seit Dezember Kontakt zu Lin Piao aufgenommen, um die Bedingungen der Übergabe, d. h. die Absicherung, dass er selbst und seine Offiziere mit all ihren Dienstgraden in die Rote Armee aufgenommen würden, zu verhandeln. Am 22. Januar übergab er all seine Machtbefugnisse an Lin Piao, der auf diese Weise Peking erobert hatte ohne einen Schuss abzugeben. Am 1. Februar 1949 war praktisch ganz Nordchina im Machtbereich der Armee Maos. Sie war um 600.000 stationierte Regierungssoldaten des Nordens gewachsen.

Damals, als im April 1949 die kommunistischen Truppen um fast ebenso viele nationalistische Truppen sich vergrößerten und am Ufer des Jangtse ankamen, war der Krieg so gut wie beendet. Die drei großen Städte des Jangtse, Nanking, Wuhan, Schanghai, kapitulierten wenige Tage nacheinander ohne Kampf und es brauchte nur einige Monate, um Südchina militärisch zu erobern.

Die Generäle von Sezuan und Junan im Süden schlossen sich mit Waffen und Gepäck der Regierung der Volksrepublik an, die am 1. Oktober in Peking ausgerufen worden war. Volkschina hatte von nun an seine offizielle Flagge: auf rotem Grund fünf goldene Sterne, von denen der Größte die KPCh symbolisiert. Die vier anderen repräsentieren die vier Klassen des neuen Chinas: die Arbeiter, die Bauern, das Kleinbürgertum und die patriotischen Kapitalisten.

Die Rote Armee ist auf einer Welle von riesigen Bauernrevolten und durch den Zusammenbruch eines diktatorischen Regimes an die Macht getragen worden, welches es geschafft hatte, von allen gehasst zu werden, den Bourgeois und dem Kleinbürgertum eingeschlossen, jenen Händlern und Kompradoren, die es 1927 zum Preis des Arbeiterblutes an die Macht gebracht hatten. In den Städten hatten die Beamten, der gesamte Justizapparat und die Verwaltung der KMT, die selbst repressiv waren, das Regime fallen gelassen. Der ganze chinesische Staatsapparat bis hin zur Armee stand der Roten Armee Maos offen gegenüber.

Allein die chinesische Arbeiterklasse hatte sich nicht von ihrem Kollaps seit dem immensen weißen Terror der Jahre 1927/28 erholt und blieb an dem Regimewechsel unbeteiligt.

1946 durch eine unkontrollierbare Explosion eines Bauernaufstandes begonnen, wurde die chinesische Revolution drei Jahre später durch eine reguläre Armee in Form einer militärischen Eroberung beendet.

In allen großen Industriezentren beschränkte sich die Revolution auf eine einfache Machtübergabe.

Als die Kämpfe ihr Ende fanden, erbte die Volksrepublik einige zig Millionen Beamte des alten Regimes. Als sie sich erfolgreich im Regierungspalast von Peking eingerichtet hatten, fanden sich die Veteranen des revolutionären Guerillakrieges inmitten einer fremden Gesellschaft wieder: Ihr grausamster Gegner der KMT saß jetzt an ihrer Seite. Im obersten nationalen Verteidigungsrat setzten sich 20 ehemalige Generäle der KMT an die Seite der roten Generäle. Unter diesen Überläufern der letzten Stunde fanden sich Männer, die 1927 das Gemetzel an Arbeitern und Bauern organisiert und angeführt hatten. Von 16 Richtern des Obersten Volksgerichts der zentralen und südlichen Provinzen kamen 13 der höheren Verwaltung, die unter dem alten Regime ihren Aufstieg ihrer Diensteifrigkeit zu verdanken hatten. Die Polizei, die politische Polizei eingeschlossen, welche Jahrzehnte lang die Aktivisten der KPCh mit einer selten gesehenen Grausamkeit verfolgte, wurde fast in ihrer Gesamtheit von der politischen Polizei Maos, der chinesischen GPU, absorbiert.

All dies geschah, als wenn die KPCh vor allem die geringste Unruhe der Bevölkerung in den Städten fürchtete. Als ihre Armeen sich den großen Industriestädten näherte, hüteten sich die maoistischen Führer die Arbeiterklasse dazu zu bringen, die zusammenbrechende Macht der KMT in die Flucht zu schlagen. Sie hätten das gekonnt. Denn der Apparat der KPCh war 1947/48 auf dem Lande nicht ganz so beschränkt wie man glauben könnte.

Nach allem war es nicht schwieriger in die Städte einzudringen als in die japanischen Linien oder die Linien der KMT. Wenn sie gewollt hätten, wenn sie eine andere Klassenentscheidung getroffen hätten, hätten die roten Chefs Tausende, zig Tausende Studenten, die ihre Kaderschulen besucht hatten, in die Industriezentren, in die Armenviertel schicken können, um den Kontakt wieder aufzunehmen und den zig Tausenden Arbeitern wieder Vertrauen geben können, welche fähig waren wieder zu Aktivsten zu werden und ihre Kollegen mitzureißen.

Doch die roten Geheimagenten, die in die Stadt unter Regierungsverwaltung gelangten, waren keine entsendeten Agitatoren, um die Revolte in den Vororten vorzubereiten. Ihre Aufgabe bestand nur darin den Anschluss der nationalistischen Verwaltung zu beschleunigen. Vom Volk der Vororte, der Arbeiter und Arbeitslosen, erwartete man nichts. Oder doch. "Das Volk soll ruhig bleiben und weiter seiner gewöhnlichen Betätigung nachgehen", ordnete Lin Piao zu dem Augenblick an, wo seine Truppen daran gingen Peking und Tientsin zu betreten. "Wir hoffen, dass die Arbeiter und Angestellten weiterhin arbeiten und alle Aktivitäten normal fortgesetzt werden", erklärten die Proklamationen von Mao und Zhu De am Vorabend des Falls von Nanking, Hankau und Schanghai.

1949: die soziale Basis des neuen Regimes

Nach der Machtübernahme errichtete das neue Regime Gewerkschaftsorganisationen, doch ihre Aufgaben zielten darauf ab, den Kampf um die Produktion zu führen. Oh sicher, man sagte, dass die Macht der Kapitalisten von den Arbeitenden begrenzt werden müsse, doch sobald man Arbeitende sah, die diese Begrenzung in die Praxis umsetzen wollten, fügte man sogleich hinzu, dass sie ihre Begrenzung begrenzen müssten.

Und als die Arbeitenden Forderungen stellten, schickte man ihnen stets Kader, die ihnen "erklärten", dass sie auch ihre Forderungen begrenzen müssten. Das maoistische Regime verfügte von Beginn an über Tausende von Intellektuellen, die den Auftrag hatten, dem Land- wie dem Stadtvolk zu erklären, was sie zu tun hätten und innerhalb welcher Grenzen.

In Tientsin, der großen Hafenstadt in der Nähe von Peking, hatten die Arbeiter Ende 1949 Lohnerhöhungen und eine Senkung der Arbeitsstunden gefordert. Es gab einen Haufen von Streiks. Damals verkündete die neue Macht die Fabrikordnung, um "normale Beziehungen" zwischen Kapital und Arbeit herzustellen: Erhalt des "normalen" Arbeitstages von 12 Stunden und zwei freien Tagen im Monat, jedoch nur für Gewerkschaftsmitglieder! Verbot von Betriebsbesetzungen. Erhalt des Ausbildungssystems, d. h. fünf Jahre Arbeit ohne Lohn. Die Kapitalisten behielten das Recht die Arbeitenden zu entlassen, "wenn sie nicht unentbehrlich für die Produktion sind". Die Arbeiter sollten "strikte Disziplin einhalten". Die Stunden blieben getreu den Gewohnheiten, etc. Keine Lohnerhöhung. "Übertriebene" Forderungen wurden nicht zugelassen. Das war klar.

Nein, 1949 wählte das neue Regime nicht die Arbeiterklasse als soziale Basis. Denn die soziale Basis, die es suchte, war die chinesische Bourgeoisie selbst. Mao lancierte die Parole, die die Zeitungen und politischen Kader in ganz China wiederholten: "keine schlechte Behandlung hinsichtlich der nationalen Bourgeois, deren patriotische Haltung einwandfrei war". Das Programm der KPCh, "die neue Demokratie", zielte schön darauf ab die nationale Bourgeoisie durch seine Mäßigung wie durch seine nationalen Ambitionen zu bezirzen.

Doch nachdem es sich die Städten von der chinesischen Bourgeoisie, d. h. durch ihre Polizei und ihre Generäle, die Chiang für Mao fallen ließen, ausliefern hat lassen, musste das neue Regime die industrielle Bourgeoisie davon überzeugen für das Vaterland zu produzieren, um das Land in eine große Wirtschaftsmacht zu verwandeln.

Und dies war ein unmögliches Unterfangen.

Während eines Jahres versuchten die Kommunisten die Unternehmensleiter, die patriotische Oberschicht, davon zu überzeugen an den nationalen Anstrengungen teil zu nehmen. Doch es half nichts. Weder die Bestellungen des Staates noch die Kredite zu sehr niedrigen Zinsen und auch nicht jegliche Zahlungserleichterung durch die Regierung halfen.

Ganz zuerst musste man, um mit der patriotischen Bourgeoisie zusammenarbeiten zu können, sie ermuntern, überzeugen und wenn möglich sie kontrollieren und treffen. Sicher, eine gewisse Zahl von Kapitalisten erschien von selbst. Doch schließlich war dies nicht generell der Fall. Man zog vielleicht Mao Chiang vor, zumindest dem Chiang der letzten Zeit, doch die politischen Ursprünge Maos führten eben nicht zur Liebe auf den ersten Blick. Sich dem Regime anschließen und sein eigenes Überlaufen verhandeln war eine Sache. Es zu lieben, gar ihm zu helfen, war eine andere Sache. Und hier war es vielmehr Mao, der liebte und half für zwei.

Übrigens, auch wenn die Bourgeoisie ihre Städte an Mao ausgeliefert hatte, hatte sie das nicht mit einem Wahnsinnsempfang getan. Laut der Beobachter damals, kam die Rote Armee unter anderem in Kanton, in einer todstillen Stadt, an. Jeder blieb vorsichtig hinter seinen Fenstern, die Nahrungsmittelreserven vorsorglich versteckt. Die Atmosphäre glich mehr der Vorsicht als der Überschwänglichkeit. Man riskierte nach einigen Tagen vorsichtig hinaus zu gehen, als man feststellte, dass die Armee Maos auf den Straßen geschlafen hatte und die Soldaten hinter sich sauber gemacht hatten. Man musste zehn Tage abwarten, damit die neue Macht und ihre Kader eine wirkliche Parade mit 150.000 Zuschauern abhielt, um in Ordnung und Würde seine "Thronbesteigung" in Kanton zu zelebrieren. Und anderswo spielten sich die Dinge mehr oder weniger genauso ab.

Also da nach der Machtübernahme die Industriellen, die Händler und Verkäufer nicht zu Mao kamen, so musste Mao selbst zu ihnen gehen oder vielmehr ihnen seine Führungskader schicken.

Dies begann mit dem, was man die "große Registrierung" genannt hat. In Kanton zum Beispiel registrierte man, was ausgezählt werden konnte: jede Firma, jedes Unternehmen, jeder Laden, jede Handwerkswerkstatt, jede ehrenamtliche Organisation, jede gewinnbringende Organisation, jede religiöse Institution, jede Familie und selbst schließlich, solange man davon noch welche hatte, jeden Hund (im letzteren Fall im Rahmen einer Kampagne für öffentliche Hygiene und den Kampf gegen Epidemien)! Und dann, von Anfang bis Ende der Auszählung gab es Veränderungen und man begann von neuem und man nannte dies "Neuauszählung"!

Natürlich handelte es sich sowohl darum, die wirtschaftlichen Aktivitäten zu kontrollieren als auch darum mit der Bourgeoisie zusammenzuarbeiten. Doch wenn das Regime die Produktion hätte kontrollieren wollen, dann hätte es dabei einfacher und unendlich effizienter vorgehen können. Indem es die Produktion von unten durch einen Aufruf an die Arbeitenden kontrollieren ließe. Jene, die nicht auf die Kaderschulen zu gehen brauchten, um sich bereits überall in der Groß- wie in der Kleinproduktion wieder zu finden. Es hätte genügt den Arbeitenden wirklich die Macht zu übergeben, um die Handvoll Direktoren, leitenden Angestellten, Bourgeois und ihre kleinen Angestellten zur Räson zu rufen, die in ihrer Hörweite waren.

Doch die maoistische Macht zog es vor, den Staat zu benutzen, den sie soeben beerbt hatte. Und die Sache wurde ein Fiasko.

In Kanton wurde die Auszählung der Fabriken, die im Januar 1950 begonnen hatte, bereits nach nur fünf Monaten beendet. 3.115 Fabriken waren registriert worden. Unter diesen 3.115 Fabriken musste man entscheiden, welchen die Regierung Kredite, welchen man Staatsaufträge, welchen man regelmäßig Rohstoffe geben würde und welche von allen öffentlichen Vergünstigungen profitieren könnten.

Und um über dies alles im Detail zu entscheiden, musste man stets Führungskräfte finden, ausbilden und rekrutieren.

In dieser Hinsicht konnte das Regime, wie auf vielen anderen Gebieten, auf die kleinbürgerliche, schulische wie universitäre, verfügbare uns mobilisierbare Jugend zählen. Diese Studenten spielten offenkundig eine wichtige Rolle in dem neuen Regime, das ihren Idealismus anstachelte, selbstverständlich ihren Patriotismus, aber ihnen auch das Gefühl ihrer eigenen Bedeutsamkeit gab. Damals brauchten sie natürlich keine materielle Entschädigung und auch keine unmittelbare Beförderung. Die Kinder der Bourgeoisie wussten einen gewissen Sinn für Opfer zu zeigen, trugen in der Zeit, wo sie Diplome ergatterten, die ihnen eine ehrenhafte Zukunft garantierten, spartanische Sitten zur Schau. Das war so in Kanton wie überall anderswo. Und in dieser Zeit reichte ihnen der Respekt ihrer Kameraden, die Lobreden von Höheren, die Perspektive von Karriere, die nicht klar, aber wahrscheinlicher war als zur Zeit der Gangsterdiktatur der KMT, um Ergebenheit aufzubringen, sei es um die Milizen des Viertels zu betreuen, die die Ordnung und öffentliche Moral aufrecht erhalten sollten, sei es um die Landreform aufs Land zu tragen.

Und so machten die jungen Aktivisten Kampagnen von Tür zu Tür, um eine Staatsanleihe von 15 Mrd. zeichnen zu lassen. Wenn das maoistische Regime die Bourgeoisie enteignet hätte, wie die Bolschewiki es 1917 sich auf die Sowjets stützend machten, hätten sie nicht um einen Kredit bei der Bourgeoisie betteln müssen. Sie hätten die 15 Mrd. und noch mehr konfiszieren können: alles, was für den industriellen Neubeginn nötig gewesen wäre. Aber 1949 ging es in China nicht darum zu enteignen, sondern nur darum zu ermuntern und zu überzeugen. Und das war nicht überzeugend. Daher hielt man wohl organisierte Massenmeetings im Vorhinein ab. Man versprach 5 % Zinsen in fünf Jahren. Doch das brachte noch immer nichts, außer bei den Bescheidensten, jenen die sich nicht wagten gegenüber den entsendeten Autoritäten abzulehnen.

Doch die Bourgeoisie, die kleine, die größere und die praktisch große Bourgeoisie begannen sich nach und nach wieder zu bereichern, nachdem die Produktion dank des guten Willens der hart gemaßregelten Arbeitenden wieder in Gang gesetzt worden war.

Und sie bereicherte sich schnell, denn sie hatte viel aufzuholen nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch unter Chiang. Alle gingen daran den Fiskus zu hintergehen, zu spekulieren und in Bezug auf die Qualität der Produkte zu betrügen, die sie an den Staat verkauften. Die ehrenamtlichen Kontrolleure wurden mehr und mehr von jenen kontrolliert, die hätten kontrolliert werden sollen. Die Praxis der Bestechung verallgemeinerte sich. Der Betrug und die Steuerhinterziehung ebenfalls. So auch der Diebstahl an Staatsgütern. So auch die Produktionsfehler und die Benutzung schadhaften Materials bei der Fabrikation von Produkten, die an den Staat geliefert wurden. So gab es selbst eine Form von Wirtschaftsspionage gegen den Staat: Jede gefällige Führungskraft und jede, die es früher oder später werden würde, lieferte Informationen über finanzielle, monetäre und wirtschaftliche Entscheidungen des Staates, was es den Bourgeois erlaubte risikolos zu spekulieren. Je mehr der Staat kontrollierte, desto mehr wurde er geplündert. Je mehr sie ermuntert, verhätschelt, ihr geholfen und sie gebeten wurde, desto weniger bewies die nationale und patriotische Bourgeoisie das Bedürfnis in die Produktion zu investieren. Es war viel interessanter auf den Handel von Getreide zwischen Stadt und Land zu spekulieren, auf steigende Börsenkurse von mangelnder Baumwolle zu setzen, den Fiskus zu betrügen und den Staat auszunehmen.

Und die Armen - sie verarmten noch mehr.

So waren alle wirtschaftlichen Übel, die in der Zeit der KMT wüteten, wieder aufgetaucht, mit einer bourgeoisen Arroganz noch dazu. Und in dem internationalen Kontext der Zeit wurde dies zu einer tödlichen Bedrohung für das neue Regime. Der Nordkoreakrieg hatte 1950 begonnen. Im Herbst 1950 näherten sich die amerikanischen Streitkräfte der chinesischen Grenze. China war erneut auf eine Kriegsökonomie angewiesen, die nicht in der Lage war durchzuhalten ohne die Industriellen auszuschalten. Zumal die amerikanische Intervention in diesem Konflikt der geflüchteten KMT in Taiwan (Formosa) die Hoffnung gab, Verbündete in China zu finden. In eine Offensive in Korea verwickelt, hatte das maoistische Regime keine andere Wahl, als den Terror im Hinterland regieren zu lassen.

1950-51: die Bodenrevolution von oben

Ende des Jahres 1950 verstärkte das Regime also die politische und wirtschaftliche Wendung. Doch dieses Mal, um die gesamte Bevölkerung über eine Pseudo-Massenkampagne mit totalitärem Charakter auszuschalten.

Zuerst wurde die Landreform von 1950, die zu Beginn sehr gemäßigt war, radikalisiert. Man musste in der Tat bis Juni 1950 warten, damit die neue Macht, die seit einem Jahr regierte, die Agrarreform wieder in Angriff nahm. Die Landreform wurde eine administrative Aufgabe, für die man in aller Eile zig Tausende neue Führungskräfte ausbildete. Doch diese "Bodenrevolution" von oben hatte einen ganz anderen Charakter, in ihren Methoden als auch bei ihren Ergebnissen, als die Aufteilung des Landes während des revolutionären Feuers von 1946/47.

Zunächst deshalb, weil das Gesetz vom Juni 1950 so geschrieben wurde, um die Allianz mit den reichen Bauern zu begünstigen, weil man ihren "Beitrag" bräuchte, wie Liu Shaoqi sagte. Dann weil die städtischen Führungskräfte, die damit beauftragt waren, die Verwaltungsbrigaden auszubilden, die das Gesetz anwenden sollten, zu einem guten Teil Mitglieder der KMT-Verwaltung vor 1949 gewesen waren und weil die neuen Führungskräfte, die unter den Studenten der Region rekrutiert worden waren (im Allgemeinen den Einzigen, die den Dialekt des Landes sprachen und so fähig waren auf das Land zu gehen) persönliche Beziehungen zu den Eigentümern und der ländlichen Oberschicht hatten und wenn jene nicht selbst, so ihre Vettern oder Söhne.

So hatten die Führungskräfte mit dem neuen Kurs von Ende 1950, mitten im Koreakrieg, die Anweisung nicht mehr bei den Reichen vorbeizugehen. Doch um dies umzusetzen, musste man die Führungskader, die im riesigen Netz der bäuerlichen Oberschicht verstrickt war, "umerziehen" - nach dem damaligen Modewort. Man musste nationale Kader hinschicken, die weniger verstrickt waren, um Druck auf die Lokalen Führungskräfte auszuüben. Man versetzte ein wenig überallhin. Man strafte. Man säuberte. Die neue Parolen waren: "Vertraut der Armee", "nehmt euch ein Beispiel an der Armee", "Stützt euch auf die Armee". Und die Armee kam, um die Kader anzuleiten. Und die so genannten "Massen"verantaltungen begannen und die Exekutionen ebenfalls.

Man erhöhte die Quoten in den Kategorien "feudal", "reiche Bauern", "mittlere Bauern". Die Führungskräfte wendeten dies an, steckten die "Reichen" in die Schublade "feudal", die "mittleren" in die Schublade "Reiche" und viele Arme oder einfach welche, die rebellisch waren, riskierten in "Reiche" umgetauft zu werden. Und die Landreform, ja, sie wurde realisiert. Hundert Millionen Hektar wurden konfisziert und an 70 Millionen arme Familien verteilt. Ja natürlich, das war eine Revolution. Doch diesmal eher eine schreckliche als eine völkische. Es war der kalte Terror von oben, unendlich willkürlicher als der Volksterror. Die Exekutionen am Ende von öffentlichen Meetings zählten Millionen von Feudalen und Bourgeois, aber auch politischen Oppositionellen. Die Konzentrationslager füllten sich. Die Reichen, denen man ihr Leben ließ, wurden die neuen Entrechteten, ihre Nachkommen ebenfalls.

Oh, es war nicht schlimmer als der weiße Terror von 1927. Unter jenen, die exekutiert wurden, waren wahrscheinlich viele, die die Bauern ermordet hatten, noch zahlreicher waren jene, die lokalen Hunger durch Spekulation auf Getreide verursacht, und jene, die die Bauern gezwungen hatten ihre Töchter am Perlenfluss, in Kanton, zu verkaufen, jene Mädchen, die man in Käfigen zum Beschau für die Kunden ausstellte, um sie dann in die Hausboot herab zu lassen, wenn die Herren gewählt hatten! Sie waren alle dabei. Die große Mehrheit wahrscheinlich. Aber es gab auch die anderen, Opfer der Willkür, die die schlimmste Volksrache kannte. Denn unter dem Staatsterror musste man, aus Angst selbst beschuldigt zu werden, Eifer zeigen...

1952: das Ausschalten der Intelligenz

Dies war nun die große Abrechnung auf dem Lande, aber auch in den Städten. Auch dort konnte das Regime die Bourgeois nur ausschalten, indem es die gesamte städtische Bevölkerung terrorisierte.

Dieses Mal war die Intelligenz das Opfer, selbst wenn andere gemeint waren. Es begann 1952 mit der Kampagne gegen die Korruption und den Bürokratismus. Aber um das Verhalten der Kader, der Studenten und der Intellektuellen zu "korrigieren", musste der Terror stärker sein als die Versuchungen. So begann man mit einer "Reform des Denkens" und spornte die Intellektuellen an, sich den Massen zu nähern, d. h. die Werke von Mao zu lesen. Dann forderte man, dass sie ihre Selbstkritik in kleinen Gruppen, dann öffentlich in Meetings ableisteten und umschrieben bis die Behörden sie als aufrichtig beurteilten. Der neue Slogan war: "die Heimat, das Volk, die Wissenschaft und das öffentliche Eigentum lieben". So überfiel man im Namen der Wissenschaft die Buchläden der Städte, um sie von der Literatur zu reinigen, die unter ausländischem und kapitalistischem Einfluss stand. In Kanton wurden zig Tausende Bücher eingesammelt und verbrannt! Oh ja, die Kulturrevolution von 1966/67 hat ihre Vorläufer bei der Thronbesteigung des Regimes gehabt.

Man muss anerkennen, diese "Massenkorrektur" hatte eine Zeitlang eine gewisse Effizienz. Für eine Zeit lang verschwanden Korruption, Betrug und Schwarzmarkt. Die Oppositionellen auch... Und jegliche Ausdrucksfreiheit wurde vernichtet... bis der Prozess der sozialen Differenzierung erneut in den Städte wie auch auf dem Lande begann, so dass Millionen Kader erneut den bürokratischen Versuchungen erlagen, so dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sich verschlimmerten und man erneut daran ging "zurecht zu rücken" und die Geschichte sich erneut wiederholte, fast mechanisch.

Die Geschichte Chinas, die wir uns nun ansehen wollen - nur einige seiner groben Züge -, ist nicht die Wiederholung der Versuche dieses Staates, die Bevölkerung einzuspannen, sie zu zwingen für sich zu arbeiten, sondern der Versuch das Land zu industrialisieren und zu modernisieren.

Wir werden in einer Art Flucht nach vorn sehen, dass es zunächst die Nationalisierung der privaten Unternehmen und die Kollektivierung der Ländereien 1955/56 geben wird, sodann den Großen Sprung nach vorn 1957/58 und dann die Kulturrevolution 1966/67. Aber in keiner dieser Episoden finden wir dieselben Züge und dieselben Mechanismen wieder, die bereits die der maoistischen Regierung in den ersten Jahren eigen waren und die wir eben gesehen haben, bis China sich wieder mit dem Imperialismus verbündet, oder vielmehr der Imperialismus mit China, zu Beginn der 70er Jahre und hiermit eine neue Periode beginnt: die des Rückzuges (die von heute), in der der chinesische Staat denkt, das wirtschaftliche Korsett, welches der Bauernschaft und der Bourgeoisie angelegt worden ist, durch eine immer größere Öffnung für ausländische und nationale Unternehmen ersetzen zu können.

1955-56: Nationalisierung von Unternehmen und Kollektivierung des Landes. Wie ein Land auf dem Rücken der Bauernschaft industrialisieren?

Ab 1955, sechs Jahre nach der Machtübernahme, entscheidet sich das Regime die Unternehmen zu nationalisieren und das Land zu kollektivieren im Rahmen eines Fünfjahresplans. Es handelt sich darum, den Bauern genügend zu entreißen, um das Land zu industrialisieren.

Zur Zeit der Einführung des Planes sind die Unternehmen der Bourgeois in gemischte Unternehmen verwandelt worden, danach in Staatsunternehmen. Die Profite, die sie weiterhin bekamen, wurden als Auszahlung ihres Kapitals in Raten betrachtet. Und es waren ihrer viele, die von diesem vorteilhaften Regime profitierten... eine Million 1980. Viele von ihnen bleiben an der Spitze ihrer Unternehmen als Direktor oder Techniker. Der Großhandel, dann ein guter Teil des Einzelhandels, wurde von Kooperativen von 1955 bis 1956 in die Hand genommen.

Die Städte waren am Rande einer Hungersnot. Die Bauern, die ihre Lebensmittel nicht gegen seltene Industriewaren eintauschen konnten, horteten das Korn. Seit 1953 hatte die Macht die Bauern dazu gedrängt in die Kooperativen zu gehen, wo sich die Aufteilung der Ernte in Funktion der geleisteten Arbeit und dem eingebrachten Land vollzog. Aber dies scheiterte. Nur 15 % der Bauern akzeptierten hier einzutreten, oft nur um schnell wieder auszutreten.

So wird man sie zwingen. Ende 1956 wurden 120 Millionen Familien in Kooperativen gruppiert. Die Bauern empfanden dies wie eine wirkliche Enteignung. Millionen von ihnen holzten die Bäume ab, töteten die Tiere bevor sie kollektiviert worden wären. Die Bauern wurden einer lästigen Bürokratie unterstellt. Eine Karikatur von 1957 zeigt wie Bauern morgens losgehen: Zehn begeben sich ins Büro und ein einziger ging aufs Feld. Führungskräfte wurden umgebracht.

Die den Bauern aufgezwungene Mehrarbeit hat es erlaubt, die Produktion der wichtigsten landwirtschaftlichen Nahrungsmittel zu erhöhen. Doch der Überschuss wurde exportiert, um die Importe von Maschinen und der industriellen Ausstattung zu bezahlen. Durch die Steuern, die Zwangsablieferungen, dem ungünstigen Tausch von Korn gegen Industrieprodukte, wurden dem Bauern, der zum Pächter des Staates geworden war, 70 bis 80 % seines Produktes auf die eine oder andere Weise entrissen.

So vernachlässigten die Bauern die Kooperativen, um sich ihren kleinen Ländereien, die ihnen verblieben sind, zu widmen. Aber vor allem flohen sie zu Hunderttausenden vom Land wie aus der Hölle. 700.000 strömten nach Schanghai; die Kriminalität stieg und im März 1957 drängten die Behörden die Vagabunden in ihre Dörfer zurück. Überall ähnelten die chinesischen Städte in dieser Hinsicht den Städten der unterentwickelten Länder: Gedrängtheit in Baracken, Unterbeschäftigung, Nahrungsmangel.

Zu diesem Preis konnte die Schwerindustrie ein wenig beginnen, aber von einem sehr niedrigen Punkt aus. Aber den Preis dieses Beginns ließ das maoistische Regime die Arbeiter zahlen. 1954, als Reaktion auf die Abwesenheit bei der Arbeit, gab die Regierung ein Arbeitsrecht heraus. Jeder Arbeiter, wie in Frankreich unter Napoleon III., wurde mit einem Arbeitsheft ausgestattet und konnte seine Arbeit nicht ohne Visa der Behörden verlassen. 1957 führte die Regierung die Akkordarbeit ein. In den alten Vororten drängte man sich zu viert oder zu fünft in einem einzigen Zimmer, wenn man nicht gezwungen war seine Familie in die kollektiven Schlafsäle umziehen zu lassen. Von 1954 an wurden die Lebensmittelrationen gekürzt. 1956 beginnt der Mangel und der Schwarzmarkt entwickelt sich in den Städten. Und 1957 brechen Streiks in einigen Fabriken aus.

1956-57: studentischer Protest, Ausschalten der Intelligenz, die auf das Land geschickt wird

Vor dem Hintergrund der sozialen Spannungen auf dem Land wie in der Stadt, entwarf Mao Tse-tung am 2. Mai 1956 ein Bild, dass aus dem Kämpferreich des IV. Jahrhunderts v. Chr. stammt: "Lasst hundert Blumen blühen, lasst hundert Schulen miteinander wetteifern". Es handelt sich nicht um Poesie, sondern darum ein wenig kulturpolitische Konzessionen zu machen, um die Intellektuellen und das Kleinbürgertum, die ihm böse sind, zu gewinnen. Doch der Sauerstoffballon wurde zu einem schlechten Zeitpunkt losgelassen. 1956 gab es die Erklärung von Chruschtschow, es die Zeit des polnischen und ungarischen Oktobers.

Der studentische Protest fordert zunächst mehr Demokratie, dann die Infragestellung der Privilegien der Bürokratie. Der Ton und die Kritik wurden schnell stärker. In Kanton im Süden folgten im Winter 195.713 Streiks - begleitet von Straßendemonstrationen - aufeinander. Die Region Pekings und die Mandschurei kamen ihrerseits in Wallung. 1957 legten sich die Minenarbeiter des Nordwestens auf dem Grund ihrer Schächte schlafen und verweigerten die Arbeit.

Dann demonstrierten die Studenten erneut und griffen Präfekturen an. Selbst ein General wurde gefangen genommen. Von da an reagierte das Regime gewaltsam. Juni 1957 griff es die so genannten Rechten an, die zurück zur "bourgeoisen Diktatur" wollten: Mehrere Millionen Städter und Studenten müssen aufs Land gehen.

Immer mehr droht die wirtschaftliche und soziale Katastrophe.

1957-60: Die Militarisierung der Arbeiter und Bauern für die Produktion, die "Großer Sprung nach Vorn" getauft wird, endet im Desaster und im Hunger

Mao und seine Riege wählten also die Flucht nach vorn, welche mit Polizeirepression und öffentlichen Prozessen begann: 230.000 "Konterrevolutionäre" wurden vor das Erschießungskommando oder in die Strafkolonien geschickt. Dann endlich beruhigte sich die soziale Unruhe und ab Sommer 1957 konnte die Regierung von einem großen Sprung nach Vorn sprechen, d. h. die Bauernschaft und die Arbeitenden zu einer neuen immensen Anstrengung aufrufen. Man muss: "England in 15 Jahren überholen".

Ab Dezember 1957 fanden sich zig Millionen Bauern in wenigen Wochen in einer immensen Arbeitsarmee wieder, aus ihrem Familienleben herausgerissen. Im Schnee und im sibirischen Wind gruben 500.000 Menschen im Norden der Mandschurei Kanäle. Das ganze Jahr 1958 über sind sie Millionen, die das Land bearbeiten, Bäume pflanzen, Sümpfe trocken legen, Deiche mit einfachen Binsenkörben bauen, die dem Aufprall nicht standhalten und katastrophale Überschwemmungen verursachen. Zwecks einer immensen Zwangsarbeitsarmee, dekretiert Mao am 29. August 1958 die Bildung von "Volkskommunen", die 30 bis 50.000 Menschen umfassen. Nach Vorbild der Armee, die an 20.000 Projekten teilnahm, werden die Kommunen mobile Begleitkommandos organisieren, um auf dem ganzen Territorium zu intervenieren, um die Schlacht der Produktion zu gewinnen.

In Sichuan werden zehn Millionen Bauern in Bergarbeiter verwandelt. Drei Millionen Kulis ersetzen mithilfe von Körben die Eisenbahngleise und die LKWs, die für den Transport der Minenprodukte fehlen.

Und dann dekretieren die Machthaber, dass die Regionen, die Landschaften, es schaffen müssen, sich industriell selbst zu versorgen. Begleitkommandos von Arbeitenden erbauen nun 900.000 "kleine Landhochöfen" um Stahl zu erzeugen. Doch der Industrialisierungswahnsinn auf dem Lande versank in einem gigantischen Chaos.

Darüber hinaus wurde ein Teil des ausgesäten Getreides und der Baumwolle verloren. Die Bauern, die erschöpft waren, konnten nicht mehr ernten, denn sie waren damit beschäftigt ganze Wälder zu verwüsten, um sich Brennholz für die Hochöfen zu besorgen. Was die Kampagne der "Eisen- und Stahlschmelze" nicht daran hinderte, ein Fiasko zu sein, weil die Qualität bedauerlich und unbenutzbar war.

Doch da das Regime "sechs Jahre harte Arbeit und der Entbehrungen für 10.000 Jahre Glück" gefordert hatte, beschloss es im September 1958 den Kommunismus. Sechs Monate später, zögerte der Marschall Peng Dehuai nicht, der von einer Inspektion in den Dörfern und Provinzen zurückkehrte, zu erklären: Wenn die chinesischen Bauern nicht so gut wären wie sie es sind, hätten wir schon lange einen ungarischen Zwischenfall erlebt". Und tatsächlich 1960 revoltierten die Bauern in Hunan. Die Armee unterdrückte sie brutal und erschoss Kader, die für Verantwortliche gehalten wurden.

Das Ausmaß des Desasters dieser schwarzen Jahre ist nur bruchstückhaft bekannt geworden. Das Jahr 1960 war in China ein Jahr des Hungers. Das Regime gestand zehn Millionen Tote ein. Mao sprach, wie es scheint, von 50 Millionen Toten gegenüber dem Kaiser Äthiopiens Haile Selassie. Jedenfalls verursachte das Mirakel vom Großen Sprung nach vorn zusätzlich zum Hunger einen enormen Rückschritt. Die Getreideernte brach zusammen. Erst 1965 wurde wieder das Niveau von 1957 erreicht, jedoch ist die Bevölkerung in der Zwischenzeit um 100 Millionen gestiegen.

Und zu Beginn der 60er Jahre war China vor allem damit beschäftigt die Schäden durch den Großen Sprung nach vorn zu reparieren. Hierfür schlugen einige vor, die Mobilisierungen und den Druck durch den Staat ein wenig zu lockern, welches schließlich nur negative Ergebnisse hatte. Doch 1966 mit der so genannten Kulturrevolution wird das Regime mit einer neuen Terrorkampagne versuchen die ewigen Probleme zu lösen, die immer wieder auftauchen.

1966-68: "die Große Kulturrevolution" oder die Mobilisierung der von der Armee betreuten Jugend gegen die städtische Bevölkerung

Heute denkt man an die "Große Kulturrevolution", wenn man vom Maoismus spricht. Es war das letzte politische Missgeschick unter der Herrschaft Maos selbst und auch jenes hat wirklich Aspekte von Wahnsinn. In der Tat schien China in jener Zeit Fiber zu haben. Die westlichen Kommentatoren schwammen im völligen Delirium, als sie versuchten zu erklären, was geschah.

Zitieren wir eine Journalistin, eine Feministin, die 1974 mit einigen Jahren Abstand schrieb. Für sie ließ die Kulturrevolution "glauben, dass der Weg, den China einschlug, zum Sozialismus ohne Gott und ohne Mensch führe. Man begleitete mit Abstand die nie gekannte Renaissance einer Menschheit, noch voll von Risiken, welche hier selbst in Gang kam."

Dies bedeutete, dass als ein Evangelium oder vielmehr als kleines Rotes Buch nehmen, was Mao sagte. Mao oder vielmehr seine Anhänger, denn Mao war seltsamerweise während dieser ganzen Revolution selbst sehr schweigsam, welche er gezwungen war selbst auszulösen, um die Menschheit zu verwandeln.

In diesen Jahren gab er sich damit zufrieden, sich einigen marschierenden Roten Garden zu zeigen und von der Tribüne herab silbenhafte Sätze herabfallen zu lassen. im Grunde war dies der Moment, wo die Ideen Mao Tse-tungs zum Objekt eines wahren Kults geworden sind.

Nach Monaten von Angriffen gegen einige intellektuelle oder politische Persönlichkeiten, beschuldigt Revisionisten oder Bourgeois zu sein, hatte die Kulturrevolution im Sommer 1966 richtig begonnen, als man die Universitäten über Monate schloss und die Schüler und Studenten mobilisiert hat, um sie mit dem Namen Rotgardisten auszustaffieren. Am 18. August marschierte eine Million junger Studenten in Peking vor Mao. In den darauf folgenden Wochen wird es mehr als ein Dutzend Aufmärsche gegeben, die scheinbar zwischen 10 und 20 Millionen junge Menschen aus ganz China vereinigt. Die Bewegung wurde in Gang gesetzt.

Sie wurde tatsächlich gegen die städtische Bevölkerung hervorgerufen. Auf den Idealismus der Jugend setzend, ihren Willen sich für eine große Sache zu widmen und selbst ihren Geist zu opfern, aber auch bei ihnen auf das Schlimmste, die Naivität und Unwissenheit, wenn es nicht Sadismus ist, setzend, wird Mao sie dafür benutzen, den Terror in den großen Städten herrschen zu lassen - beginnend mit Peking.

Dies berichtet ein westlicher Beobachter: "Zwei Tage nach der großen Demonstration vom 18. März, am Samstag, den 20. August, beginnt in Peking eine beeindruckende Woche der Gewalt, des Mordes und der Zerstörung... Mobile Gruppen zirkulieren zu Fuß oder auf dem Fahrrad in Begleitung von Trommeln und Gongs, greifen Passanten an, die weniger einheitlich gekleidet oder gekämmt sind als die Masse. Sie verfolgen und misshandeln sie. Halten sie manchmal an, während die Polizei sich offensichtlich abseits hält. Gruppen von jungen Leuten, oft junge Kinder, ausgestattet mit dem Porträt Mao Tse-tungs vollziehen eigenständig Hausbesuche, ergreifen und zerstören meistens alles, was an die feudale Vergangenheit oder den westlichen Einfluss erinnert: Bücher, Schallplatten, Kunstobjekte, Photographien und Familienpapiere, ,schwarze Dokumente'. Die Leute, mehrheitlich alte Personen, werden stundenlang mit Fäusten, Tritten, Gürteln von Heranwachsenden geschlagen, junge Mädchen werden kahl geschoren..."

Dieselben Szenen wiederholen sich bald in allen Städten. Überall werden Männer und Frauen angekettet und mit einer Spitzmütze, dem Zeichen der Lächerlichkeit, herumgeführt und gezwungen sich zu verneigen, gedemütigt, manchmal getötet von jungen Banden, die das kleine Rote Buch schwingen und sich auf die Ideen Mao Tse-tungs berufen, der so genannten Weiterentwicklung des Marxismus-Leninismus. Den Marxismus-Leninismus kennen sie übrigens nur dem Namen nach, denn in den Buchläden findet man selbst die Werke von Mao nicht mehr. Dies brachte eines Tages Deng Xiaoping, der wahrscheinlich Sinne für Humor hatte, dazu zu sagen: "Wie wollen sie wissen, dass Mao den Marxismus-Leninismus weiter entwickelt hat, wenn sie nur seine Werke lesen?"

So handelte es sich unter dem Deckmantel des Angriffs auf alle Reste des Feudalismus, der Bourgeoisie und des Revisionismus, um die Terrorisierung der Stadtbevölkerung. Die Situation des Landes ist katastrophal: Das allgemeine jahrhundertlange Elend hatte sich durch die Kollektivierung des Landes und den Großen Sprung nach Vorn verschlimmert, und dies zu einer Zeit, wo der Druck von außen sich stärker bemerkbar machte. Russland hatte alle Beziehungen abgebrochen, der amerikanische Imperialismus weitete den Krieg in Vietnam aus und sprach vom Krieg gegen China. Unter diesen Bedingungen kann keine Schicht der Bevölkerung fordern oder gar die Hoffnung haben bald besser zu leben. Zumindest keine einfache Bevölkerungsschicht, denn selbst damals lebte eine winzige Schicht von hohen Bürokraten und Würdenträgern weiterhin gut. Damals zielte man zunächst auf das Kleinbürgertum ab und natürlich nicht allein auf das, was von den kleinen Ladenbesitzern übrig geblieben war, sondern alles, was in den diversen Verwaltungen saß und wahrscheinlich immer besser leben wollte.

Und hinter dem Kleinbürgertum zielte man auch auf die Arbeiterklasse.

Von nun an wurde unter dem Vorwand, dass die "Methode von Mao Tse-tung darin besteht die Politik in den Vordergrund zu stellen", der Kampf gegen den "Ökonomismus" begonnen. Die Produktion stützt sich nicht auf materielle Anreize", schreibt noch einmal die Volkstageszeitung. Die Roten Garden wurden unter dem Deckmantel sich gegen die "kapitalistischen" Leitungen der Fabriken zu wenden und sie gar zu ersetzen, dazu benutzt, um all jene anzugreifen, die Forderungen hinsichtlich der Löhne, der Arbeitsbedingungen oder der Arbeitszeit stellen könnten und um zum Beispiel jegliche Prämien abzuschaffen, durch die ein Teil der Arbeiterklasse in den vorangegangenen Jahren ein wenig sein Los verbessert hatte.

So findet man zum Beispiel in den Memoiren eines alten Mitglieds der Roten Garden, der damals Generaldirektor der Fabriken der Stadt Amoy geworden ist: "Üblicherweise begannen die Arbeiter des Kulturpalastes ihre Arbeit um acht Uhr, doch ich habe den Mitgliedern des Personals der Generaldirektion den Befehl gegeben um 7 Uhr 30 auf ihren Posten zu sein. Um 8 Uhr berief ich eine kurze Personalversammlung ein und ermahnte jeden sich voll und ganz der Arbeit zu widmen. Jetzt wo wir an der Macht waren, konnten wir keinen Müßiggang mehr tolerieren."

Mao hatte also die Jugend der Schulen mobilisiert, um der städtischen einfachen Bevölkerung einen Sparplan aufzuerlegen und zu verschärfen - zu aller erst der Arbeiterklasse. Mithilfe Rotgardisten oder anderen revolutionären Rebellen ging es darum, Druck auszuüben und selbst all jene zu terrorisieren, die sich der Idee des "Gürtel-enger-Schnallens" widersetzten.

Es war ganz einfach dieselbe Politik, die auf dem Land einige Jahre zuvor angewendet wurde, nur in den Städten und dem Kontext der 60er Jahre.

Unzählbare Kader der KP waren ebenfalls Opfer dieser Kulturrevolution. Die Partei als solche schien praktisch aufzuhören zu existieren. Einige Führer und die Wichtigsten, wie Liu Shaoqi, der Präsident der Republik, haben hier ihr Leben gelassen und zahlten wahrscheinlich dafür, dass sie sich zu irgendeinem Augenblick gegen Mao gestellt hatten.

Die Partei verschmolz mit der Verwaltung und ging ebenso in der Schicht des Kleinbürgertums auf, welcher sie den Sparkurs auferlegen wollte. Wahrscheinlich teilten viele Mitglieder der Partei den Wunsch des Kleinbürgertums besser zu leben, manche sind nolens volens seine Fürsprecher geworden und wurden als diese geschlagen.

Und Mao sorgte sich weniger darum, dass in dem Prozess die Partei quasi zerstört würde, als das die wahre Basis des Staatsapparates berührt werden könnte, auf die Mao seit Beginn seine Macht stützte, die einzige Basis, auf die er zu allen Zeiten des Maoismus zählen konnte - die Armee. Die restliche Verwaltung konnte also gerne vorübergehend gelähmt oder selbst zum Teil zerstört werden. Was zählte, war, dass die Armee intakt blieb. Letzter Garant des Regimes - von hier aus konnte alles rekonstruiert oder zurechtgeschustert werden, wenn er dies wollte.

Übrigens von Anfang an waren die Direktiven zumindest in einem Punkt klar. Drei Bereiche waren den Rotgardisten verboten: gewisse Dienste der wissenschaftlichen Forschung, das Land, denn es erholte sich gerade mal vom Großen Sprung nach Vorn, und vor allem die Armee.

Es war die Armee, die die Rotgardisten mobilisiert hatte, die im Wesentlichen ihren Transport nach Peking durch China absicherten. Sie war es, die eingriff, um zu unterstützen oder Kompromisse durchzusetzen, wenn wahre Schlachten die Rotgardisten in Gegnerschaft zu Fraktionen der städtischen Bevölkerung oder zu Arbeitenden brachten, die mobilisiert hinter einigen Parteikomitees standen.

Ab Sommer 1967 hatte die Kulturrevolution zum Ergebnis, dass das Land der Anarchie preisgegeben zu sein schien. Ein wenig überall kam es zu wahren Kämpfen - manchmal mit Hunderten oder Tausenden Toten - zwischen Rotgardisten und Teilen der Bevölkerung oder zwischen Rotgardisten und anderen Rotgardisten, die alle natürlich im Namen der Ideen Mao Tse-tungs kämpften.

Auf Betreiben einiger Roter Garden, schienen sich in der Armee selbst Fraktionen zu bilden und von Seiten einiger Militärkommandanten, wie in Wuhan, wurden kommunistischen Parteikader, die gegen die Roten Garden waren, geschnappt und massakriert.

Daher wurde damals die Kulturrevolution erstmals gebremst. Die Roten Garden, die sich scheinbar an der Militärhierarchie vergreifen wollten, wurden verurteilt. Im Herbst 1967 wurde die Wiedereröffnung der Universitäten angeordnet, während der Schwerpunkt auf den Wiederaufbau der Partei gelegt wurde. Und man setzte eine politische Verwaltung ein, indem man revolutionäre Komitees, die alte Kader mit neuen Elementen der Roten Garden, aber vor allem des Militärs vermischten, aufbaute. Diese werden in der darauffolgenden Periode überall in die Verwaltung, auch die der Fabriken, gelangen.

Und im Mai 1968, während in Frankreich die Studenten glaubten die Maoisten in China nachzuahmen, liquidierte die Armee die Reste der Roten Garden, griff jene an und schlug sie nieder, die sich weigerten die Waffen herauszugeben. Die Repression wurde hart gegen die jungen Kleinbürger ausgeübt, die nicht verstanden hatten, dass ihre Rolle beendet war und es Zeit war, von der Bühne abzutreten.

Und es war die Armee, die sich darum kümmerte, die Verschickung von 15 bis 20 Millionen "gebildeter Jugendlichen" (laut maoistischer Terminologie) aufs Land zu überwachen. Denn als das Regime sie nun nicht mehr brauchte, wollte es sie nicht mehr in den Städten behalten. Sie wurden also mit der Anweisung aufs Land geschickt, sich in die Schule der Bauern zu begeben, die sie im Allgemeinen schlecht empfingen, denn sie sahen in ihnen nur unnütze Münder, die zu stopfen waren.

1968-76: 15 bis 20 Millionen junge Menschen wurden zu unversöhnlichen Feinden des Regimes

Jahrelang bis zum Tode Maos tatsächlich gab das Regime vor, die Kulturrevolution fortzusetzen. Doch die Realität war anders.

Aber mit den vorangegangenen Episoden, der Kollektivierung oder dem Großen Sprung nach vorn, hatte das Regime nicht allein keinen einzigen Widerspruch, unter denen die chinesische Gesellschaft litt, gelöst, sondern hatte auch noch neue geschaffen.

Modernisierung und Industrialisierung Chinas waren nicht vorangegangen. Die Industrieproduktion, weit davon entfernt voranzuschreiten, hat während zwei Jahre unter einer starken Regression gelitten. Sie fiel um 15 bis 20 % 1967 im Vergleich zu 1966 und noch mal um 10 % 1968 im Vergleich zu 1967.

Die Stadtbevölkerung, das Kleinbürgertum wie die Arbeiterklasse, hat sein aufgezwungenes Schicksal akzeptiert, aber seine Zustimmung zum Regime wurde sicherlich nicht gestärkt, wie dies die politische Dissidentenbewegung andeutete, sobald ihr ein wenig die Möglichkeit dazu gegeben wurde, sich zu äußern. Und 15 bis 20 Millionen jener, die die "gebildeten Jugendlichen" waren, Gymnasiasten und Studenten, zurückgeworfen aufs Land, sahen sich von nun an als vom Regime Ausgeschlossene und Verarmte an. Und wahrscheinlich auch als unversöhnliche Feinde des Regimes.

In den Jahren, die der Kulturrevolution folgten, sollten sich die Beziehungen Chinas mit der imperialistischen Welt völlig verändern, insbesondere mit den USA, die in Vietnam besiegt worden waren und versuchten, sich durch eine globale Regelung in ganz Südostasien hiervon zu befreien und mit China wieder Verbindungen aufzunehmen. Und hierdurch und nicht durch den Tod Maos, oder die Persönlichkeit seines Nachfolgers, Deng Xiaoping (einem alten maoistischen Führer und Generalsekretär des Zentralkomitees, 1966 abgesetzt und im April 1973 wieder Vizepremierminister und erneut einige Monate vor dem Tod Maos abgesetzt) erklärt sich der Kurs des Regimes, den es heute eingeschlagen hat.

Und der aktuelle Kurs, die Öffnung zum Westen und gar die Liberalisierung der Ökonomie, wurden in Wahrheit unter Mao mit der Zusammenarbeit der berühmten Viererbande der Frau von Mao begonnen.

1976 bis 1980: Maos Tod und der Clan-Kampf um die Nachfolge

Der Tod Maos, am 9. September 1976, hat wahrscheinlich den Kampf von Clans beschleunigt, der sich an der Spitze seit Jahren abspielte und Deng Xiaoping erlaubte sich durchzusetzen. Er hat nichts an der Natur des Regimes geändert und natürlich noch weniger an der Diktatur, die auf den chinesischen Massen lastet.

Nach der schnell erledigten Totenzeremonie und den getrockneten Gelegenheitstränen, fand der entscheidende Kampf um die Nachfolge statt. Eine Allianz wurde damals zwischen der Clique von Deng Xiaoping und Hua Guo-feng, dem von Mao offiziell bestimmten Nachfolger, gegen den Clan von Chiang Ching, der Witwe Maos, geschmiedet.

Deng Xiaoping, der von seinen Ämtern nach dem Tod von Zhou Enlai Anfang 1976 abgesetzt worden war, hatte sich nach Kanton zurückgezogen, wo er die Fäden des Komplotts knüpfte und sich der soliden Unterstützung, insbesondre des Militärs, versicherte. Er hätte angeblich sogar in Kanton ein geheimes Krisen-Zentralkomitee aufgebaut mit Truppenbewegungen in der Hauptstadt und in Schanghai, der Bastion der Anhänger der Witwe Maos. In zwei Tagen wurde die Sache geregelt und die Viererbande, die so mächtig schien, besiegt und im Handumdrehen verhaftet.

Erneut spielte die Armee die entscheidende Rolle. Deng, der so lange Mao nahe stand, war tatsächlich sein würdiger Nachfolger, selbst wenn er heute Mao kritisiert. Und das Regime von Deng, dessen Öffnung zum Westen unter dem Begriff Liberalisierung man es hier lobt, ist ebenso intolerant und totalitär wie das von Mao es war. Wir sahen dies, als ab November 1978 in Peking Oppositionelle demonstrierten. Die "Mauer der Demokratie", die auf einer großen Kreuzung der Hauptstadt aufgestellt wurde, begann sich mit Plakaten, den berühmten Dazibaos, zu füllen. Immer frechere Plakate tauchten auf. Dort las man von einem jungen Dissidenten, dass "der chinesische Sozialismus eine Art feudalistische Monarchie, eine Art Absolutismus wäre. Seit 30 Jahren wurde das Volk seiner elementarsten Rechte beraubt. Der von den Führern praktizierte Marxismus hat sich als ein ärztliches Rezept erwiesen, das kaum besser ist als ein Arzneimittel von Scharlatanen."

Und es gab nicht nur Plakate. Flugblätter, illegal gedruckte Zeitungen erschienen, welche öffentlich verkauft wurden und sich "Der Frühling des Volkes" oder "Die Tribüne des 5. April" nannten, in Erinnerung an die Demonstration für Zhou Enlai, die so hart unterdrückt worden war.

Die chinesischen Dissidenten waren oft junge Intellektuelle oder junge Arbeiter, die sich von der Kulturrevolution gleichgeschaltet wieder gefunden hatten, benutzt wurden und sich dessen bewusst und weit aufs Land geschickt worden waren. Legaler Existenzmittel und privater legaler Papiere beraubt fanden sie sich in Gruppen wieder, die sich dem Banditenwesen zuwendeten.

Doch einige andere demonstrierten manchmal, wie in Schanghai im Februar 1979, wo sie Züge blockierten und sich mit der Polizei schlugen. Eine nationale Konferenz wurde übrigens zu diesem Problem abgehalten. Doch die Behörden waren nicht in der Lage hierfür eine Lösung zu finden. Sie gaben nun zu, dass es Arbeitslose in den Städten gab - heute spricht man von 20 Millionen Arbeitslosen. Es war also nicht der richtige Moment diesen Millionen von Jugendlichen zu erlauben, in die Städte zurückzukommen.

Und es gab auch die "Kläger", die zig Tausenden Personen, die Opfer der einen oder anderen Welle von Repression waren, die an eine Liberalisierung glaubten und die Behörden in den Städten belagerten, um Gerechtigkeit zu fordern und zu versuchen, Entschädigungen zu erhalten. Sie wollten, dass man ihnen das gab, was sie verloren hatten, dass man sie rehabilitiert und man diesen oder jenen Kader bestrafe, der noch immer im Amt war und sie bestraft hatte. Ihrem Antrag stattzugeben bedeutete dem Staatsapparat die Schuld zu geben. Aber die Kläger konnten schlecht in ihr Dorf zurückkehren, wo die lokalen Führer sich rächen würden, weil jene sich an die Zentral- oder Provinzialmacht gewendet hatten. Sie blieben also in den Städten. Und auch sie vegetierten und versuchten mit den Mitteln von Kleinhandwerk, betteln, manchmal Banditentum oder Prostitution zu überleben.

Viele starben durch Kälte oder an Hunger in Peking. Die Polizei sammelte morgens die Leichen ein...

Aber vor allem demonstrierten auch sie und füllten ebenfalls die Ränge der Gegner. Damals angesichts des Anschwellens des Protestes, den er zu Beginn tolerierte, wenn er sich nur an Mao oder der Vergangenheit verging, entschied Deng Xiaoping brutal zu reagieren. Ab März 1979 begann die Repression gegen die Protestierenden und auch gegen die Kläger. Die Polizei ging zu Massenverhaftungen über, war brutal und töte manchmal. Die Hauptgegner wurden verhaftet. Der Bekannteste von ihnen war Wei Jingsheng, der zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

Der liberale Kurs im wirtschaftlichen Bereich von Deng Xiaoping wurde mit einem festeren Anziehen der politischen Schraube und einer Erschwerung der Diktatur begonnen.

1980-84: die Entkollektivierung des Landes und die wirtschaftliche Öffnung zum Westen

Von 1980 an kann man in der Tat von einer realen Entkollektivierung sprechen.

In der ersten Zeit waren die Effekte der Entkollektivierung spektakulär und die Einführung eines "Systems der Verantwortlichkeit", d. h. von Produktionsverträgen mit dem Staat, zeigte einen bemerkenswerten Anstieg der Arbeitsproduktivität. Die Getreidelieferungen gingen tatsächlich voran. Doch sie wurden nicht dem städtischen Konsum zur Verfügung gestellt, sondern zur Versorgung der defizitären ländlichen Zonen, um ganze Regionen in industriellen Anbau, insbesondere Baumwolle, umwandeln zu können: China wurde 1983 der zweitgrößte Exporteur von Textilien. Doch erst 1984 konnte die Regierung die städtische Rationierung für Baumwollstoffe aufheben.

Die Erhöhung des staatlichen Einkaufspreises, der Verkauf des Überschusses auf dem Parallelmarkt, die Entwicklung von spezialisierten Agrarunternehmen haben zu einer Erhöhung der Einnahmen der Bauern und einer bemerkenswerten Erhöhung ihres Konsums geführt. Zumindest für einen Teil von ihnen, der sich bereicherte und begonnen hat massiv Fahrräder, Uhren und Nähmaschinen zu kaufen.

In derselben Zeit stellten die Behörden in den Städten den Ruf der Privatunternehmen wieder her, um die unbeschäftigten Arbeitskräfte zu nutzen und notdürftig die Mängel der Industrie und des Handelssektors zu beheben. Und so sah man die Handwerker, die Kleinhändler und privaten Restaurants sich entwickeln.

Im industriellen Bereich wendeten sich die Verantwortlichen ausländischen Kapitalisten zu. Und die Öffnung des chinesischen Marktes in den 70er Jahren entflammte die Vorstellungskraft der westlichen Industriellen und des Finanzkapitals. Doch die Projekte waren zu fantastisch, die realen Importe von Industriegütern blieben definitiv sehr klein. Denn China ist ein armes Land, das seine Importe nur durch den Verkauf von Rohstoffen finanzieren kann, die es selber dringend braucht. 1983 blieb das Gesamtvolumen des Außenhandels Chinas, mit seiner Milliarde Einwohner, unterhalb des Außenhandels Taiwans (Ex-Formosa), welches nur 19 Millionen Einwohner zählt.

Sicher, China hat 1979 große Kredite aufgenommen und die westlichen Banken machen sich auf dem chinesischen Finanzmarkt Konkurrenz. Doch seitdem hat China seine Kredite auffällig vorsichtig reduziert, um sich nicht zu verschulden. Seither wurden zahlreiche Konstruktionsprojekte für Fabriken mit der Hilfe des Auslands annulliert.

Denn China ist arm und hat dem Westen nicht viel zu bieten außer wenig fordernden Arbeitskräften. So gibt es den westlichen Kapitalisten so wie in Taiwan oder den Philippinen die Möglichkeit in "spezielle Wirtschaftszonen" zu investieren, hierunter in erster Linie Hongkong. Zahlreiche Handelsbanken haben sich dort nieder gelassen und ein 40-stöckiges Einkaufszentrum wurde hier schnell erbaut. Andere "spezielle Wirtschaftszonen" wurden in anderen 14 Küstenstädten geschaffen. Und noch dazu wurde zahlreichen Städten des Inlandes erlaubt ausländischen Gesellschaften Angebote zu machen. In einer Region wurden die Investoren für fünf Jahre von Steuern befreit. So kehren die Freihandelszonen machtvoll zurück, die an die alten Konzessionen von vor 1949 erinnern. Ist dies nun eine Verirrung oder ein Symbol des Weges, den das neue China letztlich eingeschlagen hat?

Wenn der seit einigen Jahren eingeschlagene Weg sich fortsetzt, wird ohne Zweifel das, was eine der Besonderheiten Chinas im Konzert der unterentwickelten Länder ausmachte, beseitigt worden sein: Die vollständige Kollektivierung des Landes wird durch die Entwicklung privater Unternehmen ersetzt, was eine unvermeidliche Verarmung eines großen Teils der Bauern und der Bereicherung einer Minderheit nach sich ziehen wird; in den Städten werden die kleinen Unternehmen aufblühen, welche praktisch seit den 60er Jahren verschwunden waren, selbst wenn es sich in der Mehrzahl der Fälle um Kleinstunternehmen handelt; und schließlich die Investitionen und die ausländischen Unternehmen, deren Loswerden der Stolz des Regimes gewesen war, werden nach und nach durch die Inbesitznahme der Freihandelszonen oder auf anderen Wegen Fuß fassen. Das kürzliche Abkommen mit Großbritannien, dass die Rückkehr Hongkongs an China 1997 vorsieht, sieht explizit auch die Garantie des kapitalistischen Systems für 50 Jahre vor. Das Regime will heute zeigen, dass es sich auf diesem Wege für lange Zeit, auf unumkehrbare Weise, zumindest im menschlichen Maßstabe, engagieren will.

Wohlgemerkt bedeutet dies nicht unbedingt, dass dies so sein wird. Angesichts der Bedrohungen durch Katastrophen, von innen wie von außen, könnte das Regime vielleicht wieder das Land sowie die privaten Unternehmen der Städte kollektivieren als auch sich der ausländischen Unternehmen - Freihandelszone hin oder her - entledigen. Zum Beispiel, falls sich China erneut einer Feindseligkeit und einer Blockade durch die imperialistische Welt ausgesetzt sähe (nichts weist heute natürlich daraufhin, doch die Dinge können sich ändern, so wie sie sich vor zehn Jahren in umgekehrter Richtung geändert haben). Oder aber jene Schicht von Bauern, an die Deng heute die Parole "Bereichert euch!" ausgibt, die Guizot an den französischen Kleinbürger vor anderthalb Jahrhunderten ausgab, beginnt das Regime durch eine politische Revolte oder durch die wirtschaftliche Weigerung die Städte zu versorgen, zu bedrohen. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es für das Regime erneut in diesem Sinne zu reagieren, doch solange es nicht ein wenig maoistisch bleibt und mit Deng und trotz der "Entmaoisierung" bleibt es dies, wissen wir nicht, was möglich ist.

Ein unterentwickeltes Land, dessen politisches diktatorisches Regime sich von Grund auf die Armee stützt

Doch über das Problem hinaus, ob man weiß, ob die privaten städtischen oder ländlichen Klein- oder Großunternehmen sich entwickeln werden oder nicht, über das Problem hinaus, wie weit sich die ausländischen Investitionen in diesem Land ausbreiten können, bleibt China nichtsdestoweniger von Grund auf, 30 Jahre nach der maoistischen Revolution, ein unterentwickeltes Land, dessen wesentliche Züge es trägt.

Zunächst ist es ein politisches diktatorisches Regime, dass sich grundsätzlich auf die Armee stützt, welche manchmal gar geradezu in den Vordergrund der politischen Bühne rückt und manchmal diskreter vorgeht. Doch wie in allen unterentwickelten Ländern ist sie stets unmittelbar im politischen Leben präsent.

Und dann die tiefe Armut in einem großen Teil des Landes. Man weiß jetzt, dass es während der 35 Jahre maoistischen Regimes, entgegengesetzt zu dem, was man lange Zeit glaubte, große Hungersnöte gegeben hat, welche oft tatsächlich durch die Fehler des Regimes verursacht worden waren. Selbst die aktuellen Führer erkennen an, dass der Nahrungsmittelmangel für einen Teil der Bevölkerung dauerhaft besteht, insbesondere in den Regionen, wo das durchschnittliche Lebensniveau weit unterhalb desjenigen der Städte liegt. Der heutige Präsident der Republik, damals Vizepremierminister, erklärte 1979, dass 10 % der Chinesen, also 100 Millionen Einwohner, nicht genug zu essen haben. Deng Xiaoping selbst erklärte am Neujahrstag 1980 in einem Fernsehinterview: "Das wichtigste Problem, mit dem die Chinesen konfrontiert sind, ist der Hunger."

Schließlich gibt es wie in allen anderen unterentwickelten Ländern, eine Tendenz zur Bildung eines urbanen Subproletariats. Das Regime stellt sich jedoch dem systematisch und grausam entgegen, indem es den Bauern die Städte verbietet und wiederholt zig Millionen Städter, alte oder neue, auf das Land zurückschickt. Doch nichts scheint daran etwas zu ändern. Heute gibt es 20 Millionen Arbeitslose in den Städten, 10 % der Stadtbevölkerung, 20 % der aktiven Bevölkerung. Und die Kriminalität steigt, was Tausende von Exekutionen, selbst für simple Diebstähle, rechtfertigt, wie man es in Europa vor einigen Jahrhunderten getan hat oder wie man es heute noch in vielen Ländern der Dritten Welt tut.

35 Jahre nach der Machtübernahme durch Mao, eine Bilanz

Vor 30 Jahren, im Oktober 1949, prägte die Ankunft Maos in Peking die Machtübernahme durch radikale Nationalisten in diesem immensen Land.

Ja, die maoistische chinesische Revolution, geführt von jakobinischen, nationalistischen Kriegsherren, die die Führung eines riesigen Bauernaufstandes übernommen haben, um ihre Macht in ganz China durchzusetzen, hat unbestreitbar die feudalen Überreste der alten chinesischen Gesellschaft beseitigt: Sie hat die Bauern von der Willkür und der Habgier der Grundherren sowie von der ununterbrochenen Zwangsanwerbung durch Banden der Kriegsherren befreit. Es ist ihr ebenfalls gelungen, dass Land zum ersten Mal seit 100 Jahren auf der Basis einer demokratischen Bodenrevolution wirklich zu einigen, sie hat seine Flüsse abgeriegelt, seine Häfen und Ufer für Kriegsschiffe und ausländische Garnisonen verboten.

Ja, die chinesische Revolution hat den gesamten chinesischen Kontinent durcheinander gebracht. Aber hat sie die Welt erschüttert, wie Jack Belden es gehofft hatte, wie die russischen Sowjets 1917, die Europa in den 20er Jahren nach dem ersten imperialistischen Weltkonflikt fast von seinem Platz gesprengt hätten?

Heute ist klar, dass dies nicht der Fall ist.

Heute ziehen wir Bilanz und sie ist nicht positiv. Sicher, in China hat es Fortschritt und Modernisierung gegeben. Doch im Grunde qualitativ nicht mehr als in vielen anderen unterentwickelten Ländern. Sicher, es hat und es gibt trotz allem, scheint es, eine größere Gleichheit, wenn man es mit anderen unterentwickelten Ländern wie Indien zum Beispiel vergleicht. Doch das ist eine relative Gleichheit des Elends, eine Gleichheit, die, wie wir heute sehen, recht zerbrechlich und schnell in Frage gestellt ist. Grundsätzlich ist China ein unterentwickeltes Land geblieben. Der radikalere Nationalismus, der Maoismus, hat daran nichts ändern können.

Der Maoismus, dieser falsche Kommunismus, hat erneut den Beweis erbracht, dass es heute keinen anderen Weg aus der Unterentwicklung und dem Elend gibt, als eine wirklich kommunistische Politik, d. h. die einer internationalen proletarischen Revolution. Denn man kann weder den Sozialismus noch den Kommunismus in einem Land aufbauen.

Die proletarische Revolution, begrenzt auf China, hätte sicher nicht mehr geschafft als die auf die UdSSR begrenzte proletarische Revolution. Sie hätte vielleicht durch ihren Radikalismus, durch die unmittelbare Enteignung aller Güter aller Besitzer, allen Besitzes, allen Reichtums, nicht allein der Feudalen, sondern auch der städtischen Groß- und Kleinbourgeoisie, die Bedingungen für eine ursprüngliche Akkumulation schaffen können, die ihr vielleicht erlaubt hätte China ein wenig mehr zu industrialisieren, mit weniger Elend und Dramen für die ländlichen Massen. Das Geld, dass man der Bourgeoisie weggenommen hätte, hätte man nicht auf dem Rücken der Bauernschaft akkumuliert, um es Güter produzieren zu lassen, die auf dem Weltmarkt nicht viel wert waren, um die Importe zu bezahlen.

Der enorme Unterschied besteht darin, dass eine proletarische Revolution in China 1950 möglicherweise die imperialistische Welt erschüttert hätte, mehr noch als die Russische Revolution dies 1917 tat. Möglicherweise hätte ganz Asien, der ganze Orient, einschließlich Japan, das aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging, dem chinesischen Proletariat folgen können, was das beste Abenteuer für die moderne Menschheit gewesen wäre. Selbst der amerikanische Imperialismus, mit seiner atomaren Waffe konnte sich der Revolution Maos nicht entgegen stellen, wie also einer proletarischen Revolution...!

Allein die Weltrevolution, die Revolution in den Bastionen des Imperialismus, dort, wo die Bourgeoisie all ihren Reichtum seit drei Jahrhunderten aufgehäuft hat, kann die Menschheit aus ihrer Unterentwicklung, aus dem Elend und der Diktatur führen. Dies charakterisiert die proletarische Revolution, denn das Proletariat wie die Bourgeoisie ist eine internationale Klasse. Die proletarische Revolution kann sich nur weltweit und nicht in einem Land vollziehen. Wenn sie auf ein Land beschränkt bleibt, kann sie nur degenerieren und die Revolutionäre, die proletarischen Revolutionäre können eine Revolution in ihrem Land nur als eine Etappe betrachten, als Trittbrett in Richtung Weltrevolution, für deren Realisierung sie all ihre neuen Kräfte durch die Revolution in Schwung setzen müssen.

Jeder andere Weg erfordert nicht weniger Opfer von den Massen und respektiert den Imperialismus, respektiert seine Macht, seinen Reichtum, seine Kraft und kann nur, vor allem in den Ländern der Dritten Welt, in eine, manchmal blutige, Sackgasse führen. Wir haben das in vielen Ländern der Dritten Welt, China eingeschlossen, erlebt.