Die Partei, die die LCR will (aus Lutte de Classe - Klassenkampf - von Dezember 2007)

Drucken
Nationalkonferenz von Lutte Ouvrière 2007
Dezember 2007

1 - Die LCR scheint in einer wichtigen organisatorischen Wende begriffen zu sein, von der wir nicht vorhersehen können, ob sie zu einem Ergebnis führen wird.

Selbst wenn wir denken, dass dieser Versuch, wenn er gelingt, in der gegenwärtigen politischen Landschaft eine gute Sache wäre, stimmen wir dem, was die LCR vor hat, jedoch grundsätzlich nicht zu.

2 - Eine solche Partei, wollen wir tatsächlich nicht aufbauen. Wir wollen eine Partei, die fähig ist, am kapitalistischen Umschwung der Gesellschaft und an der Errichtung einer anderen wirtschaftlichen Gesellschaft mitzuarbeiten. Diese Gesellschaft wird auf der Grundlage des hohen durch den Kapitalismus, erreichten Leistungsniveaus aber mit einer ganz anderen Verteilungs-und Aneignungsweise der Produkte dieser Wirtschaft gebaut sein.

3 - Wir sind überzeugt, dass man diese Gesellschaft nicht reformieren kann, ohne die Privateigentümer der großen Produktionsmittel, die Emissionsbanken, die Banken und die Versicherungsgesellschaften und die Rohstoffe verarbeitenden Gesellschaften zu enteignen, um daraus aus Gemeinschaftseigentum zu machen. Allein diese Enteignung kann eine ganz andere Regelung der Wirtschaft ermöglichen als diejenige des Kapitalismus, das heißt diejenige, die im wesentlichen die "Gesetze" des Marktes eingreifen läßt, auch wenn diese durch die Interventionen der Staaten oder durch die Reaktionen der unteren Volksschichten abgeschwächt sind.

4 - Das bedeutet, dass zusätzlich zur Kollektivierung und der Verstaatlichung, eine Planung der Wirtschaft gebraucht wird. Man braucht Zentralisierung je nach Niveau und Fall, deren Maßstab eine Region, ein Kontinent, sogar die ganze Welt sein kann. Heute gibt es zahlreiche Beispiele von Produktionen, von Wirtschaftsbereichen oder Beziehungen unter den Menschen, wo eine Rationalisierung im Weltmaßstab unentbehrlich ist und schon vollkommen realisiert sein könnte, wenn es keine Konfrontationsfelder gäbe, wo sich die Interessen großer Konzerne, mit enormer Verschwendung von Produkten menschlicher Arbeit, bekämpfen.

5 - Man kann unter anderen, dem Bereich der Telekommunikation und des Nachrichtenaustausches über Satelliten nennen. Diese Regelung kann nur weltweit funktionieren, jedoch jeder Telekomtrust verstopft den Himmel mit seinen Satellitengruppen, die, früher oder später, Probleme bereiten werden, wenn dies nicht schon der Fall ist. Man könnte hinzufügen : den transkontinentalen und transozeanischen Flugverkehr, die Meteorologie, mit Vorhersagen nicht nur des Wetters sondern auch der Erdbeben, oder die rationale Verwaltung einiger Bodenschätze wie der Wälder, Gewässer, Fischfang, Erdöl, Kohle oder sogar der Stromproduktion.

Selbstverständlich kann es nicht darum gehen, die Zentralisierung bis zum Äußersten zu bringen, aber man muß sie möglich machen.

6 - Nur eine solche Revolution wird es ermöglichen, eine bessere Gesellschaft zu erreichen. Eine sozialistische oder kommunistische Gesellschaft, wo die Menschen von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und vom Geld befreit sein werden. Es wird sich um eine Gesellschaft handeln, wo die Fortschritte der Produktivität dazu dienen werden, die Menschheit von einem großen Teil der produktiven Arbeit zu befreien und nicht einfach dazu, die Gewinne der Trusts und der Kartelle zu erhöhen. Diese Konzerne benutzen diese Geldmengen, um zu spekulieren, und verursachen dadurch regelmässig katastrophale Krisen für die unteren Volksschichten.

7 - Die Ziele der Partei, die die LCR und einige andere bauen wollen, die sich hinter den Wörtern "Antikapitalisten", "Antiliberalismus" verstecken, sind aber dieselben, und dies ist nur eine andere Art das, was oben gesagt wurde, mit einem neuen und modernen Wortbestand zu sagen. Aber, die einfache Tatsache, dass sogar Aktivisten und Mitglieder dieser Partei nicht wagen, das Kind beim Namen zu nennen und eine kommunistische Revolution mit ihrem Namen zu benennen, ist eine Art, sich selbst von diesem Ziel abzuwenden oder sich seine Mitglieder, sogar die Aktivisten, von einem solchem Ziel abwenden zu lassen. Oder schlimmer : sie nicht bewusst nach einem solchem Ziel auszurichten. Denn im Augenblick einer sozialen Krise hat man selten viel Zeit, um sich für den richtigen Weg zu entscheiden, der nicht immer augenscheinlich ist.

8 - Wenn sich die Mitglieder der zukünftigen Partei, die die LCR aufbauen will, sich nicht zu Marxisten erklären oder sich nicht für marxistisch halten, ist das das Gegenteil der Grundgedanken, die vorangehen. Marxismus heisst den Kapitalismus durch Kollektivismus zu ersetzen, heisst, den Markt durch eine Planung der Produktion und der Verteilung zu ersetzen. Selbstverständlich muß man, um das zu verwirklichen, die Enteignung der Kapitalisten realisieren. Zu verkennen oder zu vergessen, was der Marxismus ist, bedeutet auch sich zu weigern, den Staatsapparat der Bourgeoisie zu ersetzen, bedeutet zu verkennen, dass ein anderer Staatstyp gebraucht wird und auch die Auffassung von Marx zu verkennen, die die vorherrschende Rolle, die das Proletariat, nicht nur im Bau dieses Staatsapparats, sondern auch, in seiner Kontrolle Tag für Tag, dank seinem geographischen Ort, spielen kann, unterstreicht. Tatsächlich ist es die in den Machtzentren am meisten konzentrierte der Volksschichten.

9 - Es scheint, dem Vorstand der LCR zufolge, dass niemand mehr versteht, was "revolutionär" bedeutet. Deshalb werde dieses Wort innerhalb ihrer Organisation debattiert. Selbstverständlich muss eine revolutionäre Partei nicht, um es tatsächlich zu sein, das Wort "revolutionär" nicht in ihrem Namen führen. Keine wichtige Partei der Ersten, der Zweiten oder der Dritten Internationale hatte dieses Wort in ihrem Namen. Aber in ihren Zielsetzungen, in ihren Statuten, für ihre Aktivisten war der Begriff der sozialen Revolution immer unentbehrlich.

10 - Niemand weiss mehr, was Leninismus bedeutet, das heißt, was Lenin eingeführt hat: die Konzeption einer revolutionären Partei, die fähig ist, dem Proletariat zu helfen die Macht zu ergreiffen und eine neue Staatsform zu entwerfen, die den Staat der Bourgeoisie, wie er in allen Ländern seit zwei Jahrhunderten existiert, ersetzen könnte. Aber, eine der Aufgaben einer Partei besteht eben darin, ihre Mitglieder darüber zu unterrichten, was in Vergessenheit geraten ist und nicht einfach einen Strich unter das Vergessene zu ziehen. Und unterrichten heisst nicht nur Kurse zu geben, sondern vor allem Aktivisten zu rekrutieren, die diese Ideen gut kennen und sie im voraus akzeptieren.

11 - Das Gleiche gilt für den Trotzkismus. Dem Vorstand der LCR zufolge, weiß niemand mehr, was es bedeutet Trotzkist zu sein! Mag sein! Aber das nicht zu beachten, bedeutet die trotzkistische Analyse des stalinistischen Zerfalls und den Kampf, den er gegen sie geführt hat, nicht anzuerkennen. Die trotzkistische Analyse dieses Zerfalls zu ignorieren hat zur Folge, dass die Mitglieder dieser zukünftigen Partei vielleicht igendwann mehrheitlich denken werden, dass der Stalinismus im Kommunismus und in Marx' "Diktatur des Proletariates" enthalten war, sowie in der russischen Revolution und im Leninismus, unter dem Vorwand, dass diese Ereignisse historisch aufeinander folgen.

12 - Darüber nicht Bescheid wissen - und nicht alle politischen Kämpfe von Trotzki zwischen 1924 und seinem Tod als seine eigenen zu betrachten, bedeutet alle seine Kritiken der Politik der III. Internationale in dieser Periode abzulehnen. Das heisst, auch deren Verantwortung bei der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, der blutigsten politischen Tragödie des Jahrhunderts und, gleichzeitig, die Erläuterungen von Trotzki über die soziale Natur des Faschismus zu ignorieren. Diese Unkenntnis kann dazu führen, jegliches reaktionäres Phänomen mit dem Faschismus zu vergleichen und am Tag des Wiederauftauchens dieses sozialen Phänomens entwaffnet und ohne politischen Kompaß dazustehen, etwa, wenn man vor der Entscheidung steht, mit wem Allianzen möglich und sogar unentbehrlich sind, und mit wem sie abzulehnen sind.

13 - Sich nicht zum Trotzkismus bekennen, heisst sich zu weigern, die Rolle des Stalinismus beim Scheitern der spanischen Revolution oder im Verrat bei der Streikwelle von Juni 1936 in Frankreich zu verstehen. Heisst sich zu weigern, die Gründe der nationalistischen Politik zu verstehen, die dazu führten, dass die kommunistischen Parteien Europas, die französischen, italienischen, jugoslawischen und griechischen während des Zweiten Weltkrieges De Gaulle, England und den USA folgten. Und selbst wenn Trotzki da schon ermordet war, haben eben seine Lehren so manche Aktivisten davon abgehalten, in Chauvinismus und Burgfrieden zu versinken.

14 - Man muß hinzufügen dass, Trotzkis Lehren abzulehnen auch heisst seine Kritik an Stalins Haltung der chinesischen Revolution von 1927 gegenüber abzulehnen, wo Stalin die chinesische kommunistische Partei zwang, in den Kuomingtang einzutreten, und so chinesischer Kommunisten Tchang Kaï Tchek auszuliefern, der sie massakrieren ließ. Gut argumentierend und heftig, kritisierte Trotzki bei dieser Gelegenheit auch die Politik der "Fronten". Diese Politik bestand nicht nur darin, für eine kurze Zeit mit den anderen politischen Parteien gemeinsame Feinde zu bekämpfen, sondern sie führte auch dazu, auf jede politische Unabhängigkeit zu verzichten, um sich, manchmal mit Klassenfeinden, politisch in einer Gesamtheit zu vereinigen. Das verwirrte die Arbeiterklasse, weil es sie um eine eigene Organisation brachte. Das wurde bei dieser Gelegenheit tragisch bestätigt und wiederholte sich bei anderen zahlreichen Gelegenheiten.

15 - Derjenige, der die Interventionen von Trotzki nach dem Massenmord der Kommunisten vergißt, als Mao seinen " Langen Marsch" an der Spitze einer bäuerischen Armee unternahm, vergißt, dass eine sozialistische Revolution selbst aus der revolutionären Bauernschaft nicht hervorgehen kann, wenn dabei das bewußte und entscheidende Zutun des Proletariat fehlt. Das, was wir seit mehr als fünfzig Jahren in Asien, in Lateinamerika, besonders in Kuba, oder in Afrika sehen, ist die Illustration dieser Illusion. Solche Illusionen erstehen übrigens ununterbrochen wieder aus ihrer Asche auf. Darum liegt uns sehr daran, uns zu Marxisten und Leninisten zu erklären, und auch daran, dass sich alle unsere Genossen ebenso als Trotzkisten wie als Leninisten und Marxisten verstehen.

16 - Selbstverständlich kann man sich zu etwas erklären oder sich für etwas halten und es nicht sein! Das ist übrigens bei den Gruppen der IV. Internationale seit etwas mehr als fünfundsechzig Jahren der Fall. Aber diese Periode wie auch dieser Anschaungen scheinen ihr Ende zu finden. Wir aber wollen diese Ideen überleben lassen. Die Partei, die wir schaffen wollen, hat unter anderem das Ziel, diese Ideen aufrechtzuerhalten und sie wieder aufleben zu lassen und sie nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen.

17 - Die Partei, die wir aufbauen müssen, muss in ihrer Benennung weder "kommunist", noch "revolutionär" noch "trotzkist" tragen - was für uns übrigens gerade der Fall ist. Aber es ist durchaus notwendig, dass jeder, der in eine solche Partei eintritt, weiss, was ein marxistischer Revolutionär ist und es auch selbst ist, weiss, was ein Trotzkist ist und es ist. Sonst werden wir keine Organisation aufbauen können, die fähig ist, in eine soziale Revolution einzugreifen, um die Welt zu ändern.

Aus all diesen Gründen kann es, weder in unseren Zielen noch in unseren Grundüberzeugungen liegen, sich an der Partei, die die LCR gründen will, zu beteiligen.

18 - Wenn wir ihr viel Erfolg wünschen, geschieht das aus ganz anderen Gründen. Denn nicht jedermann kann revolutionär und trotzkist sein. Viele Menschen, besonders Jugendliche, haben Lust, die von der gegenwärtigen Gesellschaft gezeugten Übel zu bekämpfen. Manche verpflichten sich in NGO, um in unterentwickelten Ländern tätig zu werden. Andere tun es hier, um Asylbewerbern oder Obdachlosen zu helfen.

Noch Andere, die durch die Maßnahmen der Regierung einfach schockiert sind, wollen sich ihr mit eigenen Mitteln entgegenstellen. Und es wäre eben eine gute Sache, dass sie, auch wenn sie nicht revolutionär sind, eine Organisation finden können, die wichtig, verbreitet genug und einsatzbereit ist und die ihren Ideen entspricht.

19 - Mit Attac gab es eine solche Organisation. Sie ist, zumindest momentan, zerfallen. Vielleicht bekommen wir sie mit der Partei, die die LCR aufbauen will. Das wäre in der gegenwärtigen politischen Landschaft nützlich: bieten doch weder die Sozialistische Partei noch die Kommunistische Partei genügend Raum für die Jugend, und für die zahlreichen weniger jungen Menschen, die dennoch für die Missstände der Gesellschaft empfindlich sind.

Vielleicht wäre diese Partei der verschwundenen Partei PSU (Vereinigte sozialistische Partei) ähnlich. Diese Partei hatte einen gewissen Erfolg zur Zeit des Algerienkrieges. Selbstverständlich nur, wenn man ändert, was man sicher ändern müsste, weil allein der anti-Sarkozy-Kampf, den die LCR anpreist, kein politisches Programm ist, obwohl sie sich damit zu begnügen scheint. Aber wenn es der LCR gelingt, diese Partei aufzubauen, wird sie sich natürlich mit einem Programm nach ihren Massen ausstatten.

20 - Auch wenn wir ihr diesen Erfolg wünschen, ist diese Partei doch nicht das, was wir aufbauen wollen. Deshalb verfolgen wir diesen Versuch aufmerksam und mit wohlwollender Haltung, aber wir weigern uns, an dieser Gründung teilzunehmen, besonders da die LCR, diese scheinbar anlässlich der Kommunalwahlen realisieren will.

4/10/07